Ultraorthodoxe Juden in Israel versuchen zunehmend, das öffentliche Leben nach ihren Vorstellungen zu maßregeln, zum Beispiel eine Geschlechtertrennung durchzusetzen. Die Mehrheit der Israelis findet das offenbar befremdlich, Tausende treibt es auf die Straße.
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Tel Aviv (dpa/nd). Mehrere tausend Israelis haben am Dienstag in der Stadt Beit Schemesch gegen religiösen Fanatismus ultraorthodoxer Juden demonstriert. Zu der Kundgebung gegen die Benachteiligung von Frauen im öffentlichen Leben hatten Menschenrechtsgruppen aufgerufen. Auch Staatschef Schimon Peres hatte seine Landsleute aufgefordert, sich an der Demonstration zu beteiligen. Der Parlamentarier der linken Meretz-Partei, Nitzan Horowitz, bezeichnete die Debatte über die Rechte der Frauen als Kampf um das Wesen Israels.

»Hier steht nicht ein einzelner Stadtteil oder eine bestimmte Buslinie auf dem Spiel, sondern der Charakter des Staates. Wird Israel ein fortschrittliches und demokratisches Land sein oder eine abgeschottete und rückständige Gesellschaft?«, sagte der Politiker bei der Kundgebung. Demonstranten trugen Schilder mit Aufschriften wie: »Israel soll nicht wie Iran werden« oder »Die Mehrheit bricht ihr Schweigen«.

Beit Schemesch war in die Schlagzeilen geraten, nachdem das Fernsehen einen Bericht über ein Schulmädchen gezeigt hatte, das von einem ultraorthodoxen Mann bespuckt worden war. Das Mädchen soll nach Meinung der religiösen Eiferer nicht sittsam gekleidet gewesen sein. Der Vorfall stieß auch in gemäßigteren religiösen Kreisen auf scharfe Kritik. »Die Diskriminierung von Frauen verstößt gegen die Tradition der Bibel und gegen die Grundprinzipien der Juden«, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Jerusalem.

Hintergrund der Demonstration ist der eskalierende Streit über die von ultraorthodoxen Juden geforderte Geschlechtertrennung in der Öffentlichkeit. Frauen werden unter anderem auf Schildern aufgefordert, vor den Synagogen auf die andere Straßenseite zu wechseln, in Bussen und Straßenbahnen hinten zu sitzen, sich im Supermarkt in getrennte Schlangen an der Kasse zu stellen sowie bei Wahlen verschiedene Wahlurnen zu benutzen.

Frauen sollen sich nach Ansicht der Ultraorthodoxen zudem sittsam in der Öffentlichkeit zeigen und so kleiden, dass nur das Gesicht und die Hände unbedeckt bleiben. Buchhandlungen wurden in orthodoxen Stadtteilen von Jerusalem schon genötigt, »unsittsame« Bücher aus dem Angebot zu nehmen. Die orthodoxen Juden sind in Israel zwar in der Minderheit, weisen aber eine erheblich größere Geburtenrate als der Durchschnitt der Bevölkerung auf.