Nach der Havarie der »Costa Concordia« droht jetzt eine Naturkatastrophe. Betroffen ist das Meeresschutzgebiet »Heiligtum der Wale«, das von der Toskana bis an die südfranzösische Côte d'Azur reicht. Mittendrin befindet sich die Insel Giglio.
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An Bord der »Costa Concordia« befinden sich noch immer etwa 2400 Tonnen Schweröl. Wenn man bedenkt, dass vor Neuseeland schon 400 Tonnen ausgelaufener Treibstoff ausreichten, um ca. 20 000 Meeresvögel zu töten und einen langen Küstenstreifen zu verseuchen, kann man sich vorstellen, was auf die Insel Giglio zukommen kann. Nach Agenturangaben sollte bis Sonntagabend entschieden werden, wie die über zwei Millionen Liter Treibstoff - überwiegend Schweröl - abgepumpt werden können. Wenn der Wellengang nicht zu hoch wird und das Wrack weiter relativ ruhig auf dem Felsvorsprung vor dem Hafen liegen bleibt, könnte man möglicherweise innerhalb von zwei Wochen damit fertig sein.

Taucher bargen am Samstag unterdessen die Leiche einer Frau und damit das zwölfte Todesopfer. Die Bergungsarbeiten und die Suche nach den über 20 vermissten Menschen mussten am frühen Sonntagmorgen erneut unterbrochen werden, weil das Wrack sich bewegt hatte. Sollte die Concordia den Wellen nicht trotzen und auf den 90 Meter tiefen Meeresboden sinken, könnten die Tanks zerbersten und der Treibstoff ins Meer fließen. Für das »Heiligtum der Wale« und damit für einen beachtlichen Teil des westlichen Mittelmeers wäre das verheerend.

Das Schutzgebiet wurde 1999 von Italien, Frankreich und dem Fürstentum Monaco eingerichtet: Entlang der 2000 Kilometer langen Küste leben und vermehren sich auf den 87 000 Quadratkilometern acht verschiedene Meeressäugerarten wie der Pott- und Grindwal, Delfine und Tümmler. Allein rund um die Insel Giglio gibt es über 700 unterschiedliche Pflanzen- und Tierarten (darunter seltene Korallenarten), die zum Teil vom Aussterben bedroht sind.

Aber auch wenn es gelingen sollte, das Schweröl abzupumpen, bleiben unabsehbare Risiken: Keiner kann heute sagen, welche Lösungs- und Waschmittel, giftige Farb- und andere Schadstoffe von der »Costa Concordia« ins Mittelmeer gespült werden. Die italienische Regierung hat den Umweltnotstand auf Giglio ausgerufen und der zuständige Minister Corrado Clini, der früher für das Naturschutzgebiet vor der Toskanaküste verantwortlich war, hat die Überwachung und die Säuberungsarbeiten zur Chefsache erklärt.

Eine weitere Maßnahme wurde vom Ministerrat in Rom getroffen: Zukünftig dürfen die großen Kreuzfahrtschiffe und andere Ozeanriesen, sowie Schiffe mit gefährlicher Fracht die festgelegten Routen nicht mehr verlassen. Vor allem will man durchsetzen, dass sie nicht weiterhin so sensible Gegenden wie die Lagune von Venedig oder den Golf von Neapel mit den Insel Capri und Ischia ansteuern. Schon im vergangenen Jahr hatten Umweltorganisationen dringende Maßnahmen zum Schutz von Giglio gefordert. »Der Meeresboden vor der Insel verkommt zum Müllplatz«, hatte im September Giorgia Monti von Greenpeace Italia erklärt. Bisher sei das »Heiligtum der Wale« nur ein Stück Meer, das auf der Karte abgesteckt wurde, um dessen Erhalt und Schutz sich aber niemand kümmert, kritisiert Frau Monti.