Das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße könnte sich regelmäßig Asteroiden einverleiben. Zu diesem Schluss kamen Astronomen nun nach Auswertung von Daten des NASA-Röntgenteleskops "Chandra". Das Szenario würde das häufige Aufleuchten im Röntgenbereich erklären, das aus unmittelbarer Umgebung der Schwerkraftfalle beobachtet wurde.
chandra, agittarius a*
© X-ray: NASA/CXC/MIT/F. Baganoff et al.; Illustrations: NASA/CXC/M.WeissSorgen regelmäßig ins Schwarze Loch stürzende Asteroiden für das mysteriöse Aufleuchten im Röntgenbereich?

Im Zentrum unserer Milchstraße befindet sich, da sind sich alle Astronomen einig, ein supermassereiches Schwarzes Loch. Von der Erde aus gesehen liegt es im Sternbild Schütze und wird als Sagittarius A* bezeichnet. Seit mehreren Jahren schon hat das NASA-Weltraumteleskop Chandra von hier ein wiederholtes Aufleuchten im Röntgenbereich beobachtet, das im Schnitt einmal täglich aufzutreten scheint. Das mysteriöse Aufleuchten dauert jeweils einige Stunden. In dieser Zeit kann sich die Helligkeit von Sagittarius A* auf das 100-fache im diesem Wellenlängenbereich erhöhen. Das Aufleuchten wurde auch vom Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte in Chile im Infraroten registriert.

"Es gab immer wieder Zweifel daran, ob sich Asteroiden überhaupt in der recht harschen Umgebung eines supermassereichen Schwarzen Lochs bilden können", so Kastytis Zubovas von der University of Leicester, der auch Hauptautor eines Fachartikels der Studie ist, die in der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erscheint. "Es ist faszinierend, dass unsere Untersuchung nun darauf hindeutet, dass eine große Zahl von ihnen nötig ist, um dieses Aufleuchten zu erzeugen."

Zubovas und seine Kollegen glauben, dass sich rund um Sagittarius A* eine Wolke aus Billionen von Asteroiden und Kometen befindet, die aus den Umlaufbahnen ihres ursprünglichen Zentralsterns gerissen worden sind. Nähert sich nun ein Asteroid dem Schwarzen Loch auf rund 160 Millionen Kilometer an, zerbricht er durch die enormen Gezeitenkräfte der Schwerkraftfalle. Die Entfernung entspricht in etwa dem Abstand der Erde von der Sonne. Die Bruchstücke würden dann durch die Reibung mit dem dünnen heißen Gas, das in das Schwarze Loch strömt, verdampfen - ganz ähnlich wie ein Meteor in der Erdatmosphäre. Es kommt zu einem Aufleuchten und die Überreste des Asteroiden verschwinden im Schwarzen Loch.

"Die Bahn eines Asteroiden kann sich verändern, wenn er einem Stern oder Planeten in der Nähe von Sagittarius A* einmal zu nahe kommt", erläutert Co-Autor Sergei Nayakshin, der auch an der University of Leicester forscht. "Wenn er einmal in Richtung des Schwarzen Lochs gelenkt wird, ist er verloren." Die Wissenschaftler schätzen, dass für ein Aufleuchten, wie es Chandra wiederholt beobachtet hat, ein Asteroid mit einem Durchmesser von mindestens rund 20 Kilometern nötig ist. Bei kleineren Asteroiden würde das Aufleuchten entsprechend schwächer ausfallen und wäre schwieriger zu entdecken.

Die Ergebnisse stimmen nach Angaben der Astronomen in etwa mit Modellen überein, die die Anzahl von Asteroiden in dieser Region abzuschätzen versuchen. Diese gehen davon aus, dass es um Sterne im Zentrum der Milchstraße ähnlich viele Asteroiden gibt, wie um Sterne in unserer näheren Umgebung. "In den vergangenen zehn Milliarden Jahren, entsprechend etwa dem Alter unserer Galaxie, sollten einige Billionen Asteroiden durch das Schwarze Loch von ihren Sternen abgezogen worden sein", rechnet Teammitglied Sera Markoff von der Universität von Amsterdam vor. "Davon dürfte das Schwarze Loch bislang nur einen winzigen Bruchteil verschluckt haben, so dass der Vorrat an Asteroiden bislang kaum verbraucht ist."

Auch Planeten, die auf ihren Bahnen abgelenkt werden und dann Sagittarius A* zu nahe kommen, könnten von den enormen Gezeitenkräften zerstört werden und für ein Aufleuchten sorgen. Doch sollten solche Ereignisse sehr viel seltener vorkommen als die Zerstörung von Asteroiden - einfach weil es deutlich weniger Planeten als Asteroiden gibt. Ein zerstörter Planet könnte aber beispielsweise für ein erheblich stärkeres Aufleuchten von Sagittarius A* vor etwa einem Jahrhundert verantwortlich gewesen sein. Zwar verfügte man damals noch über keine Röntgenteleskope, um dies zu beobachten, doch registrierten Chandra und andere Teleskope Reflexionen des damaligen Aufleuchtens an nahegelegenen Gaswolken, ein sogenanntes Lichtecho.

2012 sind erneut längere Beobachtungen von Sagittarius A* mit Chandra geplant. Diese sollten neue Informationen über Häufigkeit und Helligkeit des mysteriösen Aufleuchtens liefern und damit auch neue Daten bereitstellen, mit denen das jetzt vorgestellte Modell getestet werden kann.