Auf Madagaskar haben Wissenschaftler das kleinste Chamäleon der Welt aufgespürt: Der Winzling ist nicht einmal drei Zentimeter lang - gerade einmal groß genug, um auf einem Streichholzkopf zu balancieren. Forscher fürchten jedoch um seine Zukunft.
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© Jörn Köhler/ DPADas neu entdeckte Zwerg-Chamäleon ist so klein, dass es locker auf einem Streichholzkopf stehen kann

Gut versteckt hat es sich, das kleinste Chamäleon der Welt. Fast ein Wunder, dass es überhaupt entdeckt wurde: Der Köper dieser Tiere ist nur bis zu 16 Millimeter lang, rechnet man den Schwanz dazu, sind es bis zu 29. Die Winzlinge leben auf Mauritius, in der trockenen Laubstreu der Wälder und ernähren sich von noch kleineren Insekten oder Milben, berichtet Miguel Vences vom Zoologischen Institut der Technischen Universität Braunschweig. Sie sind braun gefärbt - "eine reine Tarnfarbe", erklärt Jörn Köhler vom Landesmuseum Darmstadt. Die von Chamäleons bekannte Fähigkeit, die Farbe zu wechseln, hätten sie nicht. Ihre Entdeckungen haben die Forscher im Fachjournal PLoS ONE veröffentlicht.

Vences und seine Kollegen aus München, Darmstadt und San Diego nannten den Winzling, den sie auf der afrikanischen Insel im Indischen Ozean gefunden hatten, Brookesia micra. "Brookesia ist der vorgegebene Gattungsname und micra erklärt sich bei der Größe von selbst", erläutert Frank Glaw von der Zoologischen Staatssammlung München. Das kleinste Wirbeltier der Welt ist Brookesia micra jedoch nicht: "Es gibt Fische und Frösche, die sind noch kleiner. Manche messen nur acht Millimeter", sagt Glaw.

Große Artenvielfalt auf Madagaskar

Insgesamt spürten die Wissenschaftler bei ihrer Expedition vier neue Zwergchamäleon-Arten auf. Es ist nicht die erste Entdeckung der beiden Forscher: Glaw und Vences haben seit ihrer Studienzeit gemeinsam rund 140 Arten auf Madagaskar entdeckt und wissenschaftlich benannt. Madagaskar ist ein dankbarer Ort dafür, da es für seine artenreiche und einzigartige Tierwelt bekannt ist. "Fast 300 Froscharten und knapp 400 Reptilienarten tummeln sich in den Regenwäldern, Bergen und Trockengebieten", erklärt Glaw. Mehr als 40 Prozent, also knapp 80 der 193 bekannten Chamäleonarten lebten ausschließlich auf der Insel vor der ostafrikanischen Küste. Auch das größte bekannte Chamäleon, das knapp 70 Zentimeter lang wird, sei dort zu Hause.

Warum Brookesia micra so extrem klein ist, wissen die Forscher noch nicht genau. Das Mini-Chamäleon kommt aber offenbar nur auf einer sehr kleinen Insel - Nosy Hara vor der Nordwestküste Madagaskars - vor. Der Körper muss aufgrund seiner geringen Größe sehr speziell aufgebaut sein - das sei für die Forschung höchst interessant, erläutert Glaw in einer Mitteilung zur Studie.

Unsichere Zukunft

Doch die Zeit ist knapp. "Die winzigen Reptilien sind vom Aussterben bedroht", befürchtet Vences. Alle neu entdeckten Zwergchamäleons besiedeln anscheinend nur sehr kleine Gebiete, die zum Teil nur wenige Quadratkilometer groß sind. "Eine der neuen Arten, Brookesia desperata, ist nur aus einem kleinen Regenwald bekannt. Und obwohl dieses Gebiet offiziell unter Schutz steht, wird hinter den Kulissen im Inneren des Reservats fleißig Raubbau betrieben", sagt der Darmstädter Forscher Köhler. Die Zukunft der winzigen Reptilien sei damit sehr unsicher.

Anita Pöhlig, Sabine Ränsch/ DPA