Die radikalen Salafisten gaben sich bei ihrer umstrittenen Koran-Aktion betont harmlos. Kritischen Fragen gingen sie aus dem Weg. Das hatte zur Folge, dass neugierige Passanten sich fragten, ob alles nur Panikmache der Regierung war.
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© dpaKoranverteilung in Berlin.
Gefährliche Propaganda - das hatten Politiker und Behörden den Salafisten vorgeworfen. Wie in Berlin verteilen die radikalen Islamisten am Samstag in mehreren deutschen Städten kostenlose Korane. Am Potsdamer Platz standen etwa zehn bärtige Männer - umringt von etlichen Kameraleuten und Reportern - an einem Infostand. Eine Frau, die sich das Treiben aus einiger Entfernung anschaut, bringt es auf den Punkt: „Das alles kommt mir ziemlich aufgebauscht vor.

War die ganze Aufregung um die kostenlose Koranverteilung zuvor übertrieben? Politiker hatten Alarm geschlagen. Sie befürchten, dass Anhänger des salafistischen Netzwerkes „Die wahre Religion“ die Aktion für extremistische Ziele missbrauchen könnten. Die Chefin des Berliner Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, hatte gewarnt: „Der Koran ist nur ein Mittel zum Zweck.“ Eigentlich ginge es um die Anwerbung junger Muslime. Diese könnten sich dann radikalisieren.

„Die Bibel habe ich gelesen, den Koran noch nicht“ Solche sind am Samstag aber nicht zu sehen. In der Mainzer Innenstadt wurde der Stand erst mittags aufgestellt. Die meisten der Passanten fragten kurz, ob sie ein Gratis-Exemplar des schwarz eingebundenen Korans mitnehmen dürfen und gingen dann wieder. Nur wenige von ihnen blieben länger stehen und diskutierten mit den zwei Männern und einer Frau über den Islam. Einer der beiden Männer mit Glatze und kurzem Vollbart sagt: „Ich möchte lediglich aufklären über die Inhalte des Korans.“ Der etwa 50-Jährige weist weit von sich, ein Salafist zu sein. Mit Extremisten habe er nichts zu tun.

Auch in der Innenstadt von Hannover nahmen einige Passanten einen Koran an. „Die Bibel habe ich gelesen, den Koran noch nicht“, sagte eine 42-Jähirge. Sie interessiere vor allem, wo die Unterschiede zwischen den Religionen liegen.

„We don´t need your lies!“

In Berlin schauten sich Passanten, vor allem Touristen, neugierig den Medienauflauf an. Eine 65 Jahre alte Frau aus Chemnitz drängte sich an einem Kameramann vorbei und sagte: „Ich will mir selber ein Bild machen.“ Dass sie sich den Salafisten anschließen könnte, ist eher unwahrscheinlich.

Abseits standen rund 20 Polizisten, um Konflikte zu verhindern. Bis zum Nachmittag kamen aber nur eine Hand voll Protestler, die Plakate hochhielten. Auf einem war in Anspielung auf den Aktionstitel „Lies!“ zu lesen: „We don´t need your lies!“ (Wir brauchen eure Lügen nicht). Die Gruppe „Muslime für Frieden“ verteilte Flyer, in denen sie sich zu Staat und Demokratie bekennt.

Mit der Presse wollten die Salafisten nicht reden

Dann kam es doch noch zu einem kurzen Konflikt. Ein muslimischer Passant begann lauthals zu schimpfen, als er den Plakatspruch „Die Menschenverachtung des Islams erklärt sich, wenn man den Koran gelesen hat“ las. Ein 40-jähriger Iraner wies den Mann zurecht: „Hier herrscht Meinungsfreiheit. So wie die Männer hier Korane verteilen dürfen, darf jeder auch dagegen friedlich protestieren.“

Die Salafisten blieben verschlossen. Fragen von Passanten beantworteten sie höchstens mit einem Lächeln. Mit der Presse wollten sie nicht reden. „Kein Kommentar“, antworteten sie auf Fragen zur Anzahl der verteilten Exemplare. Auch was es bedeute, wenn Passanten das Buch fortwerfen, ließen sie offen.

Koran-Aktion wird von Salafisten wahrscheinlich als Erfolg verbucht

Experten sehen in Salafisten potenzielle Wegbereiter islamistischen Terrors. Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes streben sie eine Gesellschaft nach den Regeln der islamischen Rechtsordnung Scharia an. Diese widerspricht weitgehend demokratischen Grundregeln.

pie/dpa