Kind mit Hühnern
© Reuters 2012 sind bislang vier Menschen der Vogelgrippe zum Opfer gefallen.
Nach hitziger Debatte veröffentlicht ein Fachblatt jetzt eine Studie, die die Entwicklung einer hochgefährlichen Variante des Vogelgrippevirus beschreibt. Die US-Behörden hatten das zu verhindern versucht - aus Angst, dass das Wissen in falsche Hände gelangt.


Kommentar: Dieses Wissen in den Händen der US-Regierung allein ist gefährlich genug...


Ein Forscherteam aus Rotterdam hatte im Labor ein hochansteckendes und tödliches H5N1-Virus kreiert und so verändert, dass es von Mensch zu Mensch übertragbar ist - sogar über Tröpfcheninfektion. Die Details dazu durften die Wissenschaftler jedoch bisher nicht wie üblich in einem Wissenschaftsmagazin veröffentlichen. Das hatte die US-Behörde für Biosicherheit (NSABB), zum ersten Mal überhaupt, verlangt. Zu groß war die Angst, dass Terroristen die Bauanleitung des Supervirus für eine Biowaffe missbrauchen könnten.

Doch jetzt hat das Fachmagazin Nature eine der beiden Studien veröffentlicht, die andere Studie will Science demnächst publizieren.

Labor-Erreger können leicht nach Außen gelangen

Die kontrovers geführte Diskussion um die Veröffentlichung der brisanten Informationen entfachte in „Nature“ eine Debatte um Nutzen und Risiken von in Labors gezüchteten Krankheitserregern - aber auch generell um die Sicherheit in diesen Labors. Um die sei es nämlich schlecht gestellt, finden Lynn Klotz vom Center for Arms Control and Non-Proliferation und Ed Sylvester von der Universität von Arizona. In Labors künstlich erzeugte Infektionen würden sich zu leicht verbreiten. Als Beispiel führen die Wissenschaftler das SARS-Virus an. 2004 hatten zwei Labormitarbeiter sich mit dem Virus infiziert und daraufhin in Peking sieben weiter Personen angesteckt, eine davon starb.

Klotz und Sylvester untersuchten 42 Labors, in denen mit tödlichen und ansteckenden Erregern experimentiert wird. Ihre Analyse liefert erschreckende Zahlen: „Mit einer Wahrscheinlichkeit von 34 Prozent dringt aus mindestens einem von 42 Laboren eine Infektion innerhalb eines Jahres nach außen. Nach weniger als vier Jahren steigt diese Wahrscheinlichkeit auf 80 Prozent.“ Allerdings stützt sich dieses Ergebnis nur auf Erfahrungswerte, wonach die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung aus dem Labor innerhalb eines Jahres ein Prozent beträgt. Die Empfehlung der Wissenschaftler ist dennoch deutlich: „Labormitarbeiter müssen solange in strenge und obligatorische Quarantäne, bis ganz klar ist, dass sie nicht Träger einer Infektion sind.“

Auch Know-Yung Yuen, von der Universität Hongkong, sieht Risiken: „Solch gezüchtete Mutanten können zu einer globale Gefahr werden, falls sie versehentlich auf Tiere oder Menschen springen.“ Deshalb plädiert der Experte dafür, die brisanten Informationen nicht zu veröffentlichen. Stattdessen sollten die Direktoren aller Gesundheitslabors, die zur WHO gehören, Zugang zu den Daten bekommen. „Aber erst nachdem sie eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben haben.“

Virus kann zur Biowaffe werden

Ins selbe Horn bläst auch D. A. Henderson, von der Universität Pittsburgh. Der Experte warnt: „Das Vogelgrippe-Virus kann zu einer viel ernsteren Gefahr werden als wir uns das heute vorstellen können. Es kann als biologischen Waffe eingesetzt werden, wie wir das bislang nur aus Science-Fiction-Filmen kennen. Wir dürfen den Bauplan für solch eine Waffe daher auf keinen Fall veröffentlichen.“

Andere Forscher zerstreuen diese Sicherheitsbedenken und betonen den Nutzen der Laborerreger. Sie betonen, wie wichtig die Veröffentlichung der Forschungsresultate sei, um wirksame Therapien und Impfstoffe gegen das Virus entwickeln zu können. Fest steht: Die Gefahr durch die Vogelgrippe ist noch längst nicht gebannt. Steckt sich ein Mensch mit dem gefährlichen Erreger an, sind seine Überlebenschancen schlecht. Sechs von zehn Infizierten sterben.

avo