In der Geflügelmast in NRW kommen massiv Antibiotika zum Einsatz. Es wurden sogar nicht zugelassene Medikamente verabreicht. Wegen der Gefahren für den Menschen fordern Politiker jetzt einen konkreten Fahrplan.
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© Andreas Gebert/DPAIn Nordrhein-Westfalen scheint der Einsatz von Antibiotika gängige Praxis zu sein
Eine neue Studie hat den massenhaften Einsatz von Antibiotika bei Geflügelmästern in Nordrhein-Westfalen bestätigt. Die Tiere kommen offenbar auch außerhalb von Therapiezeiten in Kontakt mit Antibiotika, wie NRW-Verbraucherminister Johannes Remmel (Grüne) am Dienstag in Düsseldorf mitteilte. Das Bundesverbraucherministerium erklärte dazu, offenbar funktioniere in NRW die Überwachung der strengen Gesetze nicht.

Remmel zufolge kommt Gefügel in NRW teilweise sogar ohne tierärztliche Verordnung in Kontakt mit Antibiotika. Die antibiotikafreie Geflügelmast müsse nach der neuen Studie nur noch als Ausnahme gesehen werden, erklärte der Minister. "Der Einsatz von Antibiotika hat ein Ausmaß erreicht, das völlig indiskutabel ist."

Das Landesumweltamt hatte stichprobenartig 42 Ställe auf Antibiotika-Rückstände im Tränkwasser untersucht. In 26 überprüften Ställen seien entsprechende Substanzen im Tränkwasser gefunden worden. Die Zeitspanne vom letzten dokumentierten Behandlungsdatum bis zum Tag der Probenentnahme variierte dabei zwischen einem Tag und 1085 Tagen. Auch seien in einigen Fällen nicht speziell zugelassene Antibiotika zum Einsatz gekommen. Das Landesumweltamt prüft derzeit weitere rechtliche Schritte in einzelnen Fällen.

Entwicklung resistenter Erreger wird begünstigt

Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung begünstigt nach Ansicht von Experten die Entwicklung resistenter Erreger. Immer mehr Menschen sprechen daher auf eine Behandlung mit Antibiotika nicht mehr an.

Remmel bekräftigte seine Forderung, die Antibiotika-Ströme in der Tierhaltung "endlich vollständig transparent" zu machen. Nötig sei ein konkreter Fahrplan, wie Antibiotika grundsätzlich aus den Ställen verbannt werden kann. Der NRW-Minister forderte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) auf, "endlich die rechtlichen Weichen durch eine Gesetzesänderung zu stellen, damit wir dem Ziel der Minimierung des Antibiotika-Einsatzes in der Intensiv-Tierhaltung näher kommen".

Geflügelindustrie habe den Einsatz von Antibiotika nicht im Griff

Auch der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Friedrich Ostendorff, forderte Änderungen im Arzneimittelgesetz. Es müsse sicher gestellt werden, dass im Regelfall und nur bei Krankheit und nur das einzelne Tier mit Antibiotika versorgt werde - und nicht der gesamte Bestand. Der Chef des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, kritisierte, die Geflügelindustrie habe den Einsatz von Antibiotika überhaupt nicht im Griff und gefährde damit die Gesundheit der Bevölkerung.

Aigners Sprecher Holger Eichele erklärte zu der NRW-Studie in Berlin, wenn derartige Verstöße bekannt seien, habe das Land "die Pflicht einzuschreiten". "Es reicht nicht, immer neue Studien vorzulegen und dann 'die Einleitung rechtlicher Schritte in einzelnen Fällen' zu prüfen."

Bund und Länder seien sich einig, dass der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung deutlich gesenkt und die Entstehung von Antibiotika-Resistenzen entschlossen bekämpft werden müssten, unterstrich Eichele. Deshalb werde Aigners Ministerium nach der Sommerpause eine umfangreiche Novelle des Arzneimittelgesetzes ins Bundeskabinett einbringen. Vorgesehen sei darin unter anderem auch "der Aufbau einer bundesweiten amtlichen Datenbank, in die künftig jede vom Tierarzt verordnete Antibiotika-Gabe zeitnah einzutragen ist".

val/AFP