X-47B
© US Air Force/AFFTC AERIAL PHOTOGX-47B
Die X-47B sieht aus wie eine fliegende Untertasse: Die Drohne soll künftig als Kampfjet in Kriegsgebiete fliegen. Derzeit wird der Prototyp in den USA auf einer Marinebasis getestet.

Die Telefone schrillten bei der Polizei in Maryland. Auf Facebook wurde gepostet und bei Twitter gezwitschert: Etwas Ungewöhnliches, bislang nie Gesehenes war gesichtet worden. In der Nähe der Washingtons glaubte man allen Ernstes, ein Ufo entdeckt zu haben. Das "Unidentified Flying Object" war allerdings nicht am Himmel unterwegs. Es wurde vielmehr auf einem speziellen Tieflader langsam durch die Lande geschleppt.

Die Maryland State Police konnte die Anrufer schnell beruhigen. Es handele sich bei dem beobachteten Objekt keineswegs um ein außerirdisches Gefährt, wurde ihnen mitgeteilt. Die vermeintliche fliegende Untertasse sei vielmehr die X-47B, der Prototyp des ersten unbemannten, vollautomatischen, strahlgetriebenen Kampffugzeugs Amerikas.

Der Irrtum erscheint verzeihlich. Immerhin ähnelt die flache, nur drei Meter hohe, zwölf Meter lange, annähernd dreieckige neue Flugmaschine eher an einen Flugdrachen oder einen Riesenrochen als einem konventionellen Flugzeug. Sie hat eine Spannweite von knapp 19 Metern.

Radar-Echo minimiert

Die Form des unbemannten Flugzeugs erinnert an den futuristisch anmutenden amerikanischen Langstreckenbomber B2. Sie dient dazu, das Radar-Echo der neuen "Nurflügel-Maschine" zu minimieren. Die X-47B wird damit zu einem Stealth- oder Tarnkappen-Flugzeug, das nur sehr schwer vom Radar erfasst werden kann.

Die neue Groß-Drohne hat auf der Edwards Air Force Base in der kalifornischen Mojawe-Wüste jetzt den ersten Teil ihrer Flugerprobung erfolgreich abgeschlossen. Edwards verfügt als einzige US Air Force Base über eine zwölf Kilometer lange Start- und Landebahn.

Hier, auf einem ausgetrockneten Salzsee, können gut neue Fluggeräte getestet werden. Denn die Länge dieser Piste gibt den Testpiloten grade bei der Erprobung neuer Flugzeugtypen Sicherheit. Auch das Landen des Space Shuttles wurde hier erprobt.

Besser kontrollierbar als auf See

"Das Flugtest-Programm in Edwards hat sehr überzeugend die Reife, Dauerhaftigkeit und Leistungsfähigkeit dieses revolutionären, neuen unbemannten Flugsystems demonstriert", fasst Carl Johnson von der Herstellerfirma Northrop Grumman das Resultat der Flugerprobung zusammen. Nach den abgeschlossenen Tests in Edwards ist das futuristisch erscheinende Flugzeug jetzt von Kalifornien aus quer durch die Vereinigten Staaten an die Ostküste geschleppt worden - und hat dabei offensichtlich so manch einen "Ufo-Spotter" in helle Aufregung versetzt.

Die lange Reise führte zu einer zweiten, ebenfalls einzigartigen Test-Station, der Naval Air Station "Patuxent River" im Süden des US-Bundesstaates Maryland. Nur auf dieser Marinebasis besteht in den Vereinigten Staaten die Möglichkeit, Katapultstarts von Flugzeugen - wie sie auf Flugzeugträgern wegen der kurzen Start- und Landebahnen üblich sind - auch an Land durchzuführen. Hier lässt sich ein neues System viel besser überwachen, kontrollieren und korrigieren als auf See an Bord eines Flugzeugträgers.

Starts und Landungen auf Flugzeugträgern

Damit wird deutlich, welch hohes Ziel sich die US Navy in ihrem Programm Unmanned Combat Air System Carrier Demonstration (UCAS-D) jetzt gesetzt hat. Amerikanische Experten sprechen in diesem Zusammenhang sogar schon vom "Größten Meilenstein in der Geschichte der Luftfahrt".

Das ist vielleicht etwas übertrieben. Praktisch geht es darum, dass die X-47B die unbemannte Luftfahrt einen weiteren, sehr wichtigen Schritt nach vorne bringen soll. Zum ersten Mal will man Automaten nun etwas anvertrauen, was man seit einem Jahrhundert immer nur Top-Piloten zugetraut hat: Starts und Landungen auf Flugzeugträgern und anderen Schiffen.

Vor allem die Landungen gehören zu den schwierigsten Aufgaben für einen Piloten. Auf einem höchstens 300 Meter langen Flugdeck aufzusetzen, das mit 30 Knoten, also etwa 50 Kilometer pro Stunde, unterwegs ist und sich bei stürmischem Wetter noch bis zu zehn Meter heben und senken kann, erfordert großes fliegerisches Können und eiserne Nerven.

Tragfläche klappt nach oben

Bei der US Navy und dem Hersteller der X-47B, der Northrop Grumman in Los Angeles, ist man dennoch überzeugt, derartig schwierige Aufgaben jetzt erstmals auch Robotern und ihren Bord-Computern überlassen zu können.

Zwei X-47B - die Baumuster AV-1 und AV-2 - sollen jetzt auf den Anlagen der Marinebasis Patuxent River das vollautomatische Starten und Landen auf Flugzeugträgern üben. Sogar das "Einparken" auf dem Flugdeck erfolgt dabei durch Automatik und Fernsteuerung. Dazu klappt die X-47B die äußeren Teile ihrer Tragfläche platzsparend nach oben. Sie ist dann nicht mehr 19 sondern nur noch neun Meter breit - auf Flugzeugträgern ist naturgemäß wenig Stauraum für Fluggeräte vorhanden.

"In den kommenden Monaten darf man erwarten, die X-47B über der Basis und dem umliegenden Gebiet längs der Chesapeake Bay fliegen zu sehen", kündigte der leitende Test-Ingenieur Matt Funk bereits an. Und die wegen der Anlieferung des vermeintlichen Ufos angerufene Polizei in Maryland warnte vorsorglich, man solle gegebenenfalls auf den Straßen nicht zu sehr auf den befremdlichen Flugkörper am Himmel starren, um Unfälle zu vermeiden.

Probe aufs Exempel

Bis etwa zum Jahresende sollen die Start-, Lande- und Flugtests auf Patuxent River laufen. Anschließen geht es zu weiteren Erprobungen und Tests auf die Naval Air Engineering Station Lakehurst bei New York - vielen Deutschen unrühmlich in Erinnerung als Stätte des Absturzes des Zeppelins Hindenburg im Jahre 1937.

Danach folgt die Probe aufs Exempel: Von den beiden Flugzeugträgern Harry S. Truman und Dwight D. Eisenhower, sollen die beiden ersten strahlgetriebenen, vollautomatischen Trägerflugzeuge der Luftfahrtgeschichte mit Katapultstart abheben und später auch sicher wieder auf ihnen landen.

Dabei zeichnet sich jetzt schon ab, dass die unbemannten Trägerflugzeuge ihre bemannte Konkurrenz in Zukunft abhängen könnten - wenn auch nur in einigen Bereichen. Immerhin wird die Reichweite der neuen X-47B mit annähernd 4000 Kilometern angegeben. Bemannte Trägerflugzeuge wie etwa die F/A 18 Super Hornet schaffen allenfalls 2000 Kilometer.

Dreifach längere Flugdauer

Vorteil: Die Atom-Flugzeugträger der Niemitz-Klasse - mit 100.000 Tonnen und 300 Meter Länge die größten Kriegsschiffe der Welt, Stückpreis über vier Milliarden Dollar, könnten damit im Konfliktfall gefährliche Ziele der Gegenseite schon über größere Entfernungen hin angreifen, ohne selbst in die Gefahrenzone zu gelangen.

Auch die mögliche Flugdauer ohne Wiederauftanken im Flug läge bei der X-47B mit etwa sechs Stunden dreifach höher als bei der bemannten Super Hornet, die nur etwa zwei Stunden "unrefueled" aushielte. Mit Nachtanken in der Luft könnte die neue vollautomatische Militärmaschine sogar zwei Tage und länger ununterbrochen am Himmel bleiben, heißt es bei der Herstellerfirma Northrop Grumman.

Eine Einsatz-Dauer, von der selbst der härteste Pilot nur träumen könnte. Zu allem Überfluss sei auch die Wartung und Instandhaltung der X-47B leichter und schneller möglich als bei bemannten Trägerflugzeugen.

Weniger Nutzlast und Tempo

Allerdings haben unbemannte Flugzeuge gegenüber Maschinen mit Piloten auch unübersehbare Nachteile. So rast etwa die Super Hornet, wenn es sein muss, mit annähernd doppelter Schallgeschwindigkeit (Mach 1,8) über den Himmel. Die X-47B ist viel langsamer: Sie bringt es nur auf etwa 600 Kilometer pro Stunde. Ebenso ungleich ist die Nutzlast. Die Hornet kann etwa acht Tonnen Bomben, Waffen oder Munition mitnehmen; die kleinere Drohne nur etwas mehr als zwei Tonnen.

Sind die nun anlaufenden Flugtests der X-47B erfolgreich, so ist frühestens 2018 damit zu rechnen, dass erstmals Tarnkappen-Flugzeuge den Dienst ab Bord amerikanischer Flugzeugträger aufnehmen werden. Dennoch ist keinesfalls damit zu rechnen, dass die US Navy danach ihre Trägerflugzeug-Piloten pensionieren und nur noch unbemanntes Gerät auf Feindflug schicken wird.

Drohnen greifen an

Man dürfte vielmehr zu einer Art "Arbeitsteilung" kommen. Die für Piloten gefährlichsten und riskantesten Ziele könnten die neue Groß-Drohne und andere, unbemannte Waffensysteme übernehmen. Andere, komplexere Aufgaben, die unter Umständen auch schnelle Entscheidungen vor Ort erfordern, würden nach wie vor bemannte Trägerflugzeuge erledigen.

Eine ähnliche Entwicklung ist bei der US Air Force längst im Gang. Drohnen wie die Predator (Räuber) oder die MQ-9 Reaper (Mäher, Mähmaschine) greifen schon heute Bodenziele mit Hellfire- und Sidewinder-Raketen, oder mit Laser-gesteuerten Bomben an. Die Luftaufklärung obliegt ohnehin schon weitgehend den Drohnen. Selbst der Luftkampf ist für die unbemannten Fluggeräte heute kein absolutes Tabu mehr.

Bislang aber sind dabei die Piloten den Robotern offenbar noch überlegen. So feuerte etwa schon im Irak-Krieg eine amerikanische Predator-Drohne eine Hellfire-Rakete auf eine irakische MIG-15 - traf allerdings nicht. Anschließend holte der MIG-Pilot die Drohne mit einer eigenen Rakete vom Himmel.