Schädel
© Consejo Superior de Investigaciones CientificasRekonstruktion der zerstörten Schädel.
Barcelona (Spanien) - In Syrien haben spanische Archäologen ein Grab von Steinzeitmenschen aus dem Neolithikum entdeckt, in dem nicht nur - wie an vielen Steinzeit-Fundorten in Europa und dem Nahen Osten - die Köpfe der Bestatteten von den Körpern getrennt begraben wurden, sondern deren Schädel offenbar nach der Beisetzung wieder ausgegraben und deren Gesichtsknochen gezielt zertrümmert wurden. Das bizarre Ritual stellt die Forscher vor ein Rätsel.

Wie Juan José Ibañez vom Oberster Rat für wissenschaftliche Forschung In Spanien (Agencia Estatal Consejo Superior de Investigaciones Científicas, csic.es) im Fachmagazin American Journal of Physical Anthropology vermutet, könnte die Praktik darauf hindeuten, dass schon in der Steinzeit der Glaube verbreitet war, dass gerade jung gestorbene Männer, auch weiterhin eine Bedrohung für die Lebenden sein könnten.

Bis heute kann niemand genau sagen, warum die Menschen der Steinzeit die Körper ihrer Toten so oft getrennt von ihren Köpfen und meist in der Nähe oder direkt unter ihren Siedlungen beigesetzt hatten. Während einige Forscher dahinter einen Ahnenkult vermuten, deuten die neuen Funde für Ibanez und Kollegen auf eine gänzlich andere Erklärung.

Spuren an den nun in Syrien gefundenen, rund 10.000 Jahre alten Köpfen deuten - wie schon in früheren Funden - darauf hin, dass die Köpfe sorgfältig von den Körpern abgetrennt wurden. Andere Spuren belegen jedoch, dass das Abtrennen der Köpfe erst nach der eigentlichen Bestattung des vollständigen Körpers geschah. Der Umstand, dass die Beisetzungen offenbar zwar zu unterschiedlichen Zeiten vollzogen, die Körper jedoch zu einem gemeinsamen Zeitpunkt ausgegraben wurden, um ihnen die Köpfe abzutrennen, deutet für die Archäologen darauf hin, dass dies zu einem bestimmten Zweck passierte.

Tatsächlich handelt es sich fast ausschließlich um Schädel von Männern im Alter zwischen 18 und 30 Jahren. Nur ein Schädel war der eines Kindes. Hierbei handelte es sich um den einzigen unbeschädigten Schädel. Während ein weiterer Schädel hingegen nahezu vollständig zertrümmert wurde, waren allen anderen Schädeln die Gesichtsknochen zerschlagen und sogar entfernt worden.
Archäologischer Fundort - Schädel
© Consejo Superior de Investigaciones CientificasBlick in den Fundort.
"Aus der Art und Weise der Zerstörung der Schädel lässt sich ein Muster rekonstruieren", erläutert Ibanez. "Während der obere Teil des Schädel und der Kiefer erhalten blieb, fehlten den meisten Schädeln nahezu alle Gesichtsknochen dazwischen." Wahrscheinlich, so vermuten die Forscher, wurden die Gesichter mit Steinen mit grober Kraft aus den Schädeln geschlagen, da es keine Hinweise auf Schnittspuren an den verbliebenen Schädelknochen gibt.

Warum den jungen Männern die Gesichter zerschlagen wurden, darüber können die Forscher nur spekulieren. "Vielleicht handelte es sich auch um eine Art Racheakt, oder aber auch um ein spirituelles Ritual."

Gegenüber dem New Scientist vermutet Stuart Campbell von de University of Manchester hingegen, dass die Zerstörung der Gesichter darauf hindeutet, dass besagte Tote auch weiterhin für eine Gefahr für die Lebenden angesehen wurden. "In dem man ihre Gesichter zerschlug, zerstörte man auch ihre individuelle Identität." Anders deutet es hingegen Liv Nilsson Stutz von der Emory University in Atlanta. "Es könnte sich auch um einen Akt der Überwindung der Trauer handeln. Durch das zerstören der individuellen Merkmale unterschied man zwischen den Toten und den Lebenden."

Quellen: Consejo Superior de Investigaciones Cientificas - csic.es, newscientist.com