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© ColorboxStress bedeutet ein erhöhtes Risiko für psychische und physische Erkrankungen
Akuter Stress verändert die Erbsubstanz und damit die Aktivität bestimmter Gene. Forscher sehen darin ein erhöhtes Risiko für Krankheiten wie Depressionen oder Krebs.

In Stresssituationen verändern sich chemische Schalter in der Erbsubstanz, die daraufhin andere Eiweisse herstellt. Dies berichtet ein internationales Forscherteam unter Basler Leitung. Die Resultate liefern neue Hinweise darauf, wie Stress mit psychischen oder körperlichen Krankheiten zusammenhängen könnte.

In den vergangenen Jahren gab es Hinweise, dass sogenannte epigenetische Prozesse an der Entstehung verschiedener chronischer Krankheiten wie Krebs oder Depression beteiligt sind.

Biologische Schalter

Epigenetische Markierungen sind langfristige Veränderungen an der Erbsubstanz DNA, der Bauanleitung für sämtliche Proteine im Körper. Dies sind chemische Anhängsel wie Methylgruppen, die sich an die Erbsubstanz DNA anheften und bestimmen, welche Gene abgelesen werden; sie fungieren quasi als biologische Schalter.

Frühere Studien haben gezeigt, dass belastende Erlebnisse und psychische Traumata in der Kindheit diese DNA-Anhängsel langfristig verändern. Ob dies aber auch nach akutem Stress geschieht, war bislang unbekannt, wie die Universität Basel am Mittwoch mitteilte.

«Epigenetische Veränderungen sind womöglich ein wichtiges Bindeglied zwischen Stress und chronischen Erkrankungen», zitiert die Mitteilung Professor Gunther Meinlschmidt, der die Studie mit Kollegen aus Bochum, Trier und London durchgeführt hat.

Stress verändert Protein-Produktion

Also setzten die Forscher um Meinlschmidt von der Universität Basel und der Ruhr-Universität Bochum (RUB) 76 Testpersonen mit einem fiktiven Jobinterview und einer Rechenaufgabe unter Stress. Den Teilnehmern wurde vor dem Test sowie zehn und 90 Minuten danach Blut abgenommen. Dann wurden die Genabschnitte untersucht, die für die biologische Regulierung von Stress bedeutsam sind. Eines stellt eine Andockstelle für das «Antistresshormon» Oxytocin her, das andere einen für das Gehirn wichtigen Nerven-Wachstumsfaktor.

Die Werte deuteten an, dass offensichtlich auch kurzfristig herbeigeführter Stress zu einer Veränderung der DNS-Methylierung führt: Tatsächlich stieg beim Oxytocin-Rezeptor-Gen die DNA-Methylierung bereits in den ersten zehn Minuten nach der Stresssituation an, wie die Forscher im Fachblatt Translational Psychiatry berichten. 90 Minuten nach dem Test fiel sie jedoch unter das Ausgangsniveau. Das bedeutet, dass die Zellen zunächst weniger Oxytocin-Rezeptoren bildeten, danach jedoch übermässig viel.

Damit konnten die Forscher einen Mechanismus identifizieren, wie Stress allerlei Krankheiten auslösen könnte. «Epigenetische Veränderungen sind womöglich ein wichtiges Bindeglied zwischen Stress und chronischen Erkrankungen», sagte Meinlschmidt. Der Projektleiter ergänzte: «Wir hoffen, künftig komplexere epigenetische Stressmuster zu identifizieren und das damit verbundene Erkrankungsrisiko bestimmen zu können. Das könnte Hinweise auf neue Behandlungs- und Präventionsansätze liefern.»

sda/dapd