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© AFP/TwitterSündenbock Ahsan Nafis
Ein 21-jähriger Islamist will die New Yorker Zentralbank in die Luft jagen. Er wird gefasst, da ihn das FBI an der Nase herumgeführt hat. Die Aussagen des zuständigen Agenten zeichnen das Bild eines Mannes, der Ruhm um jeden Preis will. Und reichlich naiv vorgeht.

Wenn es nicht um jenen Mann ginge, der sich offenbar darauf freute, am 17. Oktober in New York möglichst viele Menschen mit einer Bombe zu zerfetzen, könnte man dem Strafantrag mit der Kennung „DMB:JPL:RMT F.#2012R01575“ des United States District Court in New York noch amüsante Züge abgewinnen.

In dem 21-seitigen Papier berichtet der FBI-Agent John Neas, wie der 21-jährige Bangladescher Quazi Mohammad Rezwanuzl Ahsan Nafis über Monate eifrig Attentatspläne schmiedete, ohne zu merken, dass sein Vertrauter und Helfer ein FBI-Mann war. Dem er auch noch erzählt, was er tun will, falls die Polizei seine Pläne durchkreuzt. Von dem er sich 453 Kilogramm „Sprengstoff“ andrehen lässt, ohne zu merken, dass das Zeug so explosiv ist wie Zucker.

Nüchternes Papier mit erschütterndem Inhalt

Um korrekt zu sein, vermerkt Neas mehr als 25 Mal auf diesen 21 Seiten, dass er die Gespräche mit dem Verdächtigen „in sum and substance“ wiedergebe, also nicht wörtlich, sondern nur in einer Zusammenfassung der wesentlichen Punkte. Außerdem reichert er seinen Bericht noch mit reichlich Anmerkungen an - nicht nur zu arabischem Vokabular, das Nafis benutzt haben soll. Sondern Agent Neas erläutert vorsorglich auch noch, was Facebook ist: „an internet social media website“.

Doch abgesehen davon ist das nüchtern gehaltene Schriftstück - vorausgesetzt alles stimmt, was darin behauptet wird - ein Dokument perverser terroristischer Logik. Einer Logik, die offenbar nicht so selten ist, wie man hoffen möchte. Denn die New Yorker Polizei hat seit den Anschlägen auf das World Trade Center vor elf Jahren 15 Anschlagspläne registriert.

Einreise dank Studentenvisum

Über die Biographie Nafis gibt das Papier wenig her. Man erfährt immerhin, dass er im Januar 2012 per Studentenvisum eingereist sein und in Bangladesch noch Familie haben soll. Er wohnte zuletzt in New Yorks östlichstem Stadtteil, in Queens. Die New Yorker Zeitung Daily News hat recherchiert, dass sich Nafis für das Frühlingssemester an der Southeast Missouri State Universität für das Fach Internetsicherheit eingeschrieben hat. Kommilitonen erinnern sich an ihn als einen gläubigen Muslim, der unter anderem Rucksäcke für unterprivilegierte Kinder sammelte. Kurz danach soll er die Uni verlassen und sich an einer Berufsschule in New York angemeldet haben.

Immerhin enthüllt die Zeugenaussage des FBI-Agenten Neas, auf die sich die Anklage stützt, Hinweise auf die Einstellung Nafis‘. Am 5. Juli soll er einem FBI-Informanten erzählt haben, dass alle Muslime in den USA keine echten Muslime seien. Eine Wertung, die bei einem Terroristen tödliche Verachtung impliziert.

Ein Fan der Al-Kaida

Offensichtlich ist Neas ein Fan der Al-Kaida. Er hat ein Faible für deren englischsprachiges Online-Magazin "Inspire" und nennt den getöteten Terroristen und Al-Kaida-Gründer Osama bin Laden „geliebter Scheich“. Außerdem sei er inspiriert gewesen von den im Internet verbreiteten Reden des inzwischen getöteten jemenitischen Al-Kaida-Terroristen Anwar al-Awlaki. Nafis will auch unbedingt mit dem Segen der Al-Kaida morden. Und so verweist ihn der FBI-Informanten an ein Al-Kaida-Mitglied in den USA, das sich Kareem nennt. Kareem ist in Wirklichkeit ein FBI-Undercover-Agent.


Kommentar: Okay, er verweist ihn an ein Al-Kaida Mitglied, der dann ein Undercover-Agent des FBI ist? Wenn das kein Hinweis ist, wer hinter dieser Organisation steckt.


Zum ersten Mal treffen sie sich am 24. Juli im Central Park. „Ich will nichts Kleines. Ich will nur etwas Großes. Etwas sehr Großes. Sehr, sehr, sehr, sehr Großes, das das ganze Land erschüttert“, soll Nafis zu Kareem gesagt haben. Und fügt sinngemäß hinzu, dass dieses „Große“ die Herrschaft des Islam in seiner Urform näherbringen soll. Außerdem erzählt er Kareem noch von Yaqueen, der auch in den USA lebe und ebenfalls mitmachen wolle. Yaqueen wird laut FBI allerdings bald festgenommen, wegen eines Gewaltverbrechens, das nichts mit Terrorismus zu tun hat.

Auf der Suche nach Ruhm

Nafis will offensichtlich auch Ruhm: „Ich will etwas tun, das Brüder, die nach uns kommen, inspirieren kann.“ Deswegen will er auch nicht, wie von Yaqueen vorgeschlagen, eine Militärbasis in Baltimore angreifen, sondern ein Ziel, bei dem mehr Menschen draufgehen. Am 5. August erzählt er Kareem am Telefon, dass er als Ziel die New Yorker Börse im Auge habe. Am 20. September spricht er auch über das letztlich gewählte Ziel, den Ableger der Zentralbank in New York. Er bittet Kareem, seinen Kontaktmann zur bewunderten Al-Kaida, der Führung doch bitte mitzuteilen, dass er den Plan selbst ausgeheckt habe.

Die New Yorker Filiale der Zentralbank erscheint Nafis ein kluges Ziel zu sein. Jedenfalls begründet er das in einem Text, den er Kareem auf USB-Stick übergab, zur Veröffentlichung in „Inspire“: „Alles, was ich will, ist Amerika zu zerstören. Ich komme zu dem Schluss, dass es das Effektivste ist, Amerikas Wirtschaft anzugreifen, um Amerika auszulöschen (...).“ Der New Yorker Ableger der wichtigen Bank sei von allen 12 Filialen der aktivste, wichtigste und einflussreichste. Er hofft, dass sein Anschlag die US-Präsidentschaftswahl am 6. November ins Wanken bringt.

Sehr spezielle Skrupel

Ganz ohne Skrupel scheint Nafis nicht gewesen zu sein - allerdings in einer Denkweise, die zu seinem ideologischen Gerüst passte: Er diskutierte mit dem FBI-Informanten und dem FBI-Agenten Kareem, dass der Islam es verbiete, mit einem Visum in ein Land einzureisen, um dort den heiligen Krieg zu beginnen. Allerdings enthält er offenbar Entwarnung von einem Verbündeten aus seiner Heimat: In diesem speziellen Fall sei er an diese Vorschriften nicht gebunden. Außerdem scheint er Bedenken gehabt zu haben, auch Frauen und Kinder zu töten, denn er argumentierte, warum er sie töten durfte. Details der Argumentation werden im Text nicht genannt.

Bevor er sich selbst in die Luft sprengt, will Nafis aber noch einmal in seine Heimat fahren, seine Familie besuchen, alles regeln. Das FBI hat offenbar Angst, dass ihnen Nafis entwischt oder sich selbst tötet. Deswegen teilt Kareem ihm am 27. September mit, dass die Al-Kaida-Oberen, die er kontaktiert habe, zwar den geplanten Anschlag in den USA billigten, er aber nicht noch einmal ausreisen dürfe, um nicht aufzufallen. Außerdem zöge man einen Bombenanschlag per Fernzündung einem Selbstmordattentat vor. Nafis soll ganz „begeistert“ gewesen sein, weil er dann noch mehr Anschläge in den USA verüben könnte.

„Nichts kann mich aufhalten“

Für den Anschlag auf die Bank kundschaftet Nafis sein Ziel aus, malt eine Karte der Gegend. Er will viel TNT oder Dynamit und ein großes Auto, um den Sprengstoff darin zu detonieren. Am 4. Oktober kaufen Kareem und Nafis zusammen große Mülleimer, in die sie den Sprengstoff schütten wollen. Nafis sagt auf Nachfrage: „Nichts kann mich aufhalten.“ Eine Woche später laden die beiden zwanzig Säcke mit je gut 20 Kilogramm des angeblichen Sprengstoffs in ein Lager, den Kareem besorgt hat.

Ein paar Tage zuvor hatte Nafis Kareem noch gefragt, warum Kareem denn nicht selbst den Anschlagswagen, nach Medienangaben ein Chevy Astro, fahren wolle, warum er kein Märtyrer werden wolle. Kareem zog sich mit dem Argument aus der Affäre, seine Rolle sei die des Unterstützers. Damit gab sich Nafis angeblich zufrieden.

Nur keinen Sprengstoff vergeuden

Schließlich einigen sich Nafis und Kareem auf den 17. September als Tag des Anschlags. Morgens fahren sie zum Lager, um den vermeintlichen Sprengstoff von seiner Verpackung in die Mülleimer zu füllen. Nafis packt allerdings sogar die leeren Tüten noch ins Auto, um nicht den kleinsten Rest Sprengstoff zu vergeuden.

Während der Fahrt zur Bank erzählt Nafis noch, er habe einen „Plan B“, einen Plan für einen Selbstmordanschlag, falls die Polizei seine eigentlichen Pläne durchkreuzen sollte. Details nennt der Bericht des FBI-Agenten nicht.

Denkwürdiger Schluss

Nachdem der Wagen in der Liberty Straße vor der Bank geparkt ist, gehen die beiden in ein nahes Hotel, nach Angaben der Daily News ins Millenium Hilton Hotel in der Church Street. Dort nimmt Nafis noch ein Bekennervideo auf. Und versucht dann, den Sprengstoff per Handy zu zünden. Mehrere Versuche scheitern. Um 8.12 Uhr nimmt ihn das FBI im Hotel fest.

Das Schriftstück schließt mit den Worten: „So bittet der vereidigte Zeuge respektvoll darum, dass der Angeklagte Rezwanful Nafis entsprechend dem Gesetz behandelt werden möge.“ Ein Satz, der durchaus üblich ist an dieser Stelle. Angesichts des Umgangs der USA mit mutmaßlichen Terroristen aber einen Beigeschmack hinterlässt.