Es ist kein Geheimnis, dass viele Chemotherapeutika selbst karzinogen, also krebserzeugend sind (ich berichtete in meinem Artikel: “Krebszellen schlagen zurück” darüber). Dennoch sind sie Mittel der Wahl bei der Bekämpfung von Tumoren, neben der Bestrahlung und der operativen Entfernung der Geschwulste. Was sich jedoch noch nicht so breit herumgesprochen hat, ist die Beobachtung, dass Chemotherapeutika Therapieresistenzen entwickeln können. Anstatt den Tumor zu zerstören, scheinen sie dessen Wachstum zu fördern. Ähnliches kennen wir seit langem von den Antibiotika. Und überraschenderweise ist die Resistenz bei den Chemotherapeutika auch kein „Neutüt“.
Chemotherapy
© Mike Adams, NaturalNews.comChemotherapie
Krebsfreundliche Chemotherapie

Es stellt sich die Frage, wie ein geplanter “Tumorkiller” urplötzlich zu einem “Freund” des Krebs werden kann. Eine mögliche Ursache könnte der Umstand sein, dass praktisch alle Chemotherapeutika das Immunsystem des Patienten signifikant schwächen, was wiederum die Bedingungen für das Wachstum und die Verbreitung bzw. Neuentstehung von Tumoren begünstigt. Dieser Mechanismus ist sicherlich für die erhöhte Infektionsbereitschaft der Krebspatienten verantwortlich.

Heute vermutet man einen weiteren Aspekt, der zu der „Fahnenflucht“ der Chemotherapeutika beiträgt: Da der Tumor nicht isoliert von seinem benachbartem Gewebe existiert, vermutet man therapiebedingte Interaktionen zwischen dem Tumor und dem gesunden Nachbargewebe. Bedingt durch die Chemotherapie kommt es zur Produktion von Proteinen im Nachbargewebe, die eine dämpfende Wirkung auf die Chemotherapeutika ausüben (Treatment-induced damage to the tumor microenvironment promotes prostate cancer therapy resistance through WNT16B. - https://ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22863786). Damit wären die Weichen gestellt für ein weiteres Gedeihen des Tumors und seine Ausdehnung und Vergrößerung.

Inzwischen gibt es auch entsprechende Hinweise aus Laborversuchen, wonach die Quelle der Proteine, die die Chemotherapie unterminieren, in den Fibroblasten des Nachbargewebes zu suchen ist. Denn diese Versuche konnten zeigen, dass die Fibroblasten im gesunden Gewebe unter der Gabe von Chemotherapeutika bis zu 30 mal mehr von dem eben zitierten Protein produzierten als unter physiologisch normalen Umständen. Das Protein selbst war in der Lage, z.B. Prostatakrebszellen zum Wachstum anzuregen, den Tumor ins Nachbargewebe wachsen zu lassen und die Resistenz gegen die Chemotherapie einzuleiten.

Von daher wäre der nächste logische Schritt, die Fibroblasten des gesunden Gewebes an der Produktion des Resistenz-Proteins zu hindern. Aus therapeutischer, praktischer Sicht ist dies jedoch kaum machbar, da hier der Patient mit einer weiteren Substanz zusätzlich zum Krebsmedikament konfrontiert werden würde, deren kombinierter Einsatz überhaupt nicht eingeschätzt werden kann. Dazu kommt noch, dass es ein solches Medikament nach meinem Wissensstand noch nicht gibt. Eine solche Therapie würde auch deshalb kaum Sinn machen, da man die Nebenwirkung der Krebstherapie mit einem weiteren Medikament behandeln würde, was wieder Nebenwirkungen abwirft, die dann mit einem weiteren Medikament behandelt werden müssten usw.

Prof. Balkwill von Cancer Research UK bringt es auf den Punkt: Für ihn ist dieser Sachverhalt der Beleg, dass die Krebstherapie nicht nur die Krebszellen beeinflusst, sondern auch die ganz in der Nähe liegenden gesunden Zellen, was zu diesen und sehr wahrscheinlich auch anderen Nebenwirkungen führt.

Alter Hut im neuen Gewand

So sehr man geneigt sein mag, diese Erkenntnisse als neu und sensationell aufzufassen, umso verwunderlicher ist es, wenn man erfahren muss, dass die Resistenzentwicklung bei den Chemotherapeutika ein relativ alter Hut ist. Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2008 belegt diese Behauptung (Resistance to chemotherapy: new treatments und novel insights into an old problem - http://www.nature.com/bjc/journal/v99/n3/full/6604510a.html). In dieser Veröffentlichung wird behauptet, dass die Resistenzentwicklung bei der Chemotherapie ein (sage und schreibe) häufiges Problem darstellt, besonders in dem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung. Hier wurden verschiedene Modelle erstellt, die die Resistenzentwicklung erklären sollten, wie z.B. die intrazelluläre Inaktivierung der Wirksubstanzen, zelluläre Entgiftungsmechanismen (es gibt sie also doch, die Entgiftung des Körpers!), Defekte bei der DNA-Reparatur, Blockierung bzw. Umgehung der Apoptose (der natürliche Zelltod), Zelladhäsion, die bei der Metastasenbildung wichtig ist, usw.

Man ist natürlich geneigt, zu meinen, dass die Resistenzentwicklung in einem fortgeschrittenen Stadium keine sonderlich große Überraschung darstellt. Aber auch hier beginnt sich das Bild der Resistenzentwicklung zu wandeln. Denn heute gibt es deutliche Hinweise, dass bei Zellen, die sich noch in der Vorphase der Tumorentwicklung befinden, die Fähigkeit zur Resistenzentwicklung gegeben ist und hier vielleicht sogar vorprogrammiert wird. Die Ausbildung der Resistenz in einem früher oder späteren Stadium wäre damit nichts anderes als der notwendige und logische Verlauf dieser Vorprogrammierung. Noch weiß man nicht, wie die Veränderungen aussehen, die die Resistenzentwicklung bedingen. Mit der Erstellung eines Genomprofils der Patienten ist man in bestimmten Fällen in der Lage, die Resistenzentwicklung einer Chemotherapie vorherzubestimmen.

Fazit

Vorprogrammierte Tumorzellen, ein schwaches Immunsystem und krebsfreundliche Proteine aus gesunden Fibroblasten lassen die Chemotherapie fast zu einem Glücksspiel entarten. Es ist aber kein Wunder, dass diese Probleme auftreten, da die segmentiell denkende Schulmedizin nur auf den Tumor sieht und nicht auf das gesamte Bild der Erkrankung. Somit sind die oben genannten Folgen im Ansatz vorprogrammiert - wie auch hier geschrieben: “Neuentdeckte Krebsursache: Sauerstoffmangel in den Zellen“. Und je mehr man sich in die Details verzettelt, desto unübersichtlicher, komplizierter und unpraktikabler wird der ganze Klamauk. Kein Wunder also, dass man diese Dinge nicht an die große Glocke hängt, sondern lieber neue, hoffnungsvolle Medikamente öffentlich und werbewirksam als „Durchbruch“ feiert (dazu passt auch mein Artikel: “Keine Durchbrüche in der Krebstherapie“.)

Und kein Wunder auch, dass die Krebsmedizin außer diesem Durchbruch-Marketing keine oder kaum praktische Erfolge anzubieten hat. Denn Krebs ist trotz monatlichen “Durchbrüchen” in der Medizin immer noch auf dem Vormarsch.