Jener riesige Feuerball, der am 15. Februar über Russland explodierte und dabei mehr als 1.000 Menschen verletzte, hat der Welt die Gefahr durch kosmische Kollisionsobjekte so deutlich vor Augen geführt wie kein vergleichbares Ereignis zuvor. Schon länger sind zusätzliche Such- und Abwehrprogramme geplant, um die Asteroidengefahr zu reduzieren. Schon im Jahr 2010 sollte zum gleichen Zweck ein kanadischer Mini-Satellit ins All verfrachtet werden. Nach wiederholten Verzögerungen ist sein Start nun für heute angesetzt.
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© neossat.ca / NASA
NEOSSat ist nur so groß wie ein Koffer und bringt nicht mehr als 65 Kilogramm auf die Waage. Doch könnte in ihm das Potenzial stecken, die ganze Welt zu retten. Was fast nach einer Komödie klingt, wäre zumindest ganz im Sinne der Planer jenes Projekts, die den neuartigen Mini-Satelliten entwickelt haben, um mit ihm tatsächlich nach größeren Gefahrbringern aus dem All zu fahnden, nach Asteroiden, die vielleicht zur realen Bedrohung für unsere Erde werden könnten. Außerdem soll NEOSSat, der "Near Earth Object Surveillance Satellite" der kanadischen Raumfahrtbehörde, die Zusammensetzung solch unangenehmer Weltraumbrocken genau untersuchen und auch bei der Bahnanalyse behilflich sein.


Kleinere Objekte kann dieses System allerdings nicht aufspüren. An Bord befindet sich ein kompaktes Teleskop vom TypMaksutov, Spiegeldurchmesser lediglich 15 Zentimeter. Den russischen Meteoroiden hätte NEOSSat, »Kanadas Wächter im All«, somit nicht etwa bereits im Anflug gefunden. Genauso wäre der "kleine" Asteroid 2012 DA14, der am selben Tag haarscharf an der Erde vorbeirauschte, kaum ins »Beuteschema« des neuen Satelliten gefallen. Sein Ziel sind vielmehr größere und entsprechend gefährlichere Asteroiden.

NEOSSat soll Erdbahnkreuzer wie Mitglieder der Aten-Gruppe naher Kleinplaneten erfassen sowie eine erst seit relativ kurzer Zeit bekannte weitere Klasse von Asteroiden ergründen, die permanent innerhalb der Erdbahn unterwegs sind und daher als IEOs bezeichnet werden -"Inner Earth Objects" - , was natürlich leicht missverständlich sein kann. Die IEOs werden unter anderem auch »Apohele-Asteroiden« oder »Atira-Asteroiden« genannt, nach dem ersten genauer untersuchten Objekt dieser Klasse.

Von den »Atiras« dürfte es wohl um die 1.000 Exemplare geben, die größer als 100 Meter sind. Von der Erde aus lassen sie sich kaum oder gar nicht ausfindig machen, da sie ständig in geringer Winkeldistanz zur Sonne stehen und sich somit ausschließlich am Taghimmel oder in der Dämmerung aufhalten. Außerhalb der Atmosphäre findet keine vergleichbare Lichtstreuung statt, Satellitenobservatorien haben also kein Problem damit, unmittelbar neben der Sonne zu suchen. Dort ist der Himmel bereits "absolut dunkel" und selbst lichtschwache Objekte bilden sich ab. Neben dem NEOSSat-Projekt, das - man muss es kaum extra betonen - auch vom kanadischen Militär unterstützt wird, existieren ähnliche weitere Programme. So beabsichtigen Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt den Bau eines Satelliten zur Asteroidenjagd, den AsteroidFinder.

Währenddessen wird NEOSSat, sofern alles nach Plan verläuft, bereits tatkräftig hinter den größeren Brocken her sein und die Bedrohung aus dem All während seiner Einsatzzeit zumindest um einige Prozent "weiter senken". Der Orbit des 25-Millionen-Dollar-Satelliten soll in knapp 800 Kilometern Höhe erreicht werden und eine Erdumkreisung in 100 Minuten vollenden. Der Start erfolgte heute um 13.31 Uhr MEZ vom "Satish Dhawan Space Centre"auf der indischen Insel Sriharikota.

Die erdgebundene Asteroidensuche dürfte in Zukunft wohl einen höheren Stellenwert als bisher erhalten. Gegenwärtig konzentrieren sich etliche Bemühungen darauf, weitere potenziell gefährliche Objekte ausfindig zu machen und bekannte Himmelskörper dieser Art genauer zu untersuchen. Der Asteroid 2012 DA14, der am Tag des russischen Feuerballs in nicht einmal 28.000 Kilometern Oberflächenabstand an der Erde vorbeizog, wurde zwischenzeitlich von der 70-Meter-Radarantenne des "Deep Space Network" im kalifornischen Goldstone angepeilt. Eine erste Bildfolge entstand gleich in der Nacht vom 15. auf den 16. Februar und wurde kürzlich veröffentlicht: 72 Einzelaufnahmen mit je 320 Sekunden Integrationszeit zeigen den unregelmäßig geformten Brocken, wie er sich von anfangs mittlerweile 120.000 Kilometern Distanz auf rund 314.000 Kilometer entfernte. Die Bildauflösung lag bei rund vier Metern.

Dass der kleine Asteroid kein einfaches Beobachtungsobjekt ist, wird beim Betrachten der pixeligen Radaraufnahmen schnell klar. Ein aus diesem aktuellen Material zusammengestellter Film zeigt deutlich die Rotation des Objekts, das nach neuen Berechnungen rund 40 Meter groß war. Trotz des spärlichen Anscheins liefern die neuen Daten wichtige Informationen über die Beschaffenheit des kleinen Weltraumbrockens, außerdem helfen sie, die Bahn genauer zu bestimmen.

Für die nächsten Jahre wird die Wissenschaft wohl einige zusätzliche Anstrengungen unternehmen (müssen), um unseren Planeten besser vor einfallenden kosmischen Geschossen zu schützen. Vollständigkeit dürfte hier kaum zu erreichen sein, aber die Erfassung und Abwehr großer und zivilisationsbedrohender Objekte wäre schon ein entscheidender Erfolg. Allerdings nur, sofern sich damit nicht verantwortungslose militärische Projekte verbinden, die in der Asteroidenabwehr lediglich einen willkommenen Vorwand zum Test neuer Waffensysteme sehen.