vogel
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Bisher hat die Menschheit keinen Himmelskörper im Universum ausfindig machen können, der so einzigartig wie unsere Erde ist. Zumindest innerhalb des verhältnismäßig winzigen Bereichs des Weltraums, in den wir Einblick haben, beherbergt unser blauer Planet als einziger Leben - und das nicht zu knapp: Binnen der nunmehr 4,6 Milliarden Existenzjahre hat sich auf unserem Heimatplaneten eine schier unglaublich große Artenvielfalt entwickelt. Anfang des 21. Jahrhunderts waren durch die Wissenschaft etwa 1,6 Millionen Arten beschrieben, was aber wohl nur einem Bruchteil der eigentlich auf der Erde beheimateten Lebensformen entspricht. Schätzungen gehen davon aus, dass es bis zu 18 Millionen Arten gibt, von deren Existenz der Mensch bisher nichts weiß. Gerade unter den Meereslebewesen werden laufend neue, teils mysteriöse und völlig unbekannte Lebensformen entdeckt. Doch im Laufe der Evolution hat sich ein ganz bestimmtes Lebewesen durch seine überdurchschnittliche Intelligenz über die Tier- und Pflanzenwelt hinweggesetzt und die Erde weiträumig bevölkert: Der Mensch. Trotz Vielfalt hat die zunehmende Ausbreitung unserer Rasse inzwischen dramatische Auswirkungen auf das Artenreichtum. Forscher vermuten gar, dass die Erde kurz vor einem Artensterben steht - dem erdgeschichtlich insgesamt sechsten.

Berechnungen zufolge entstand das erste Leben in Form von einfachen Amöben und Bakterien vor rund 540 Millionen Jahren. Innerhalb dieser Zeitspanne hat es bereits fünf große Artensterben gegeben, durch die drei Viertel der ursprünglich vorhandenen Lebensformen ausgerottet worden sind. Denn das Leben, das wir heute zählen, ist nur ein Bruchteil dessen, was die Erde einmal beherbergt hatte. Alle dieser fünf Perioden wurden durch verschiedene Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche, Verdunstung der Meere oder drastische Klimaveränderungen ausgelöst. Das wohl bekannteste und gravierendste Beispiel ist der Einschlag eines etwa zehn Kilometer langen Asteroiden vor rund 65 Millionen Jahren im heutigen Mexiko. Die aufgewirbelte Staubwolke war so gigantisch, dass sie Großteile der Erde verdunkelte und stark abkühlte, infolgedessen die Dinosaurier ausstarben. Dies alles lässt sich unter anderem durch Fossilfunde dokumentieren. Das möglicherweise bevorstehende sechste große Artensterben wäre das erste, welches nicht durch einen Natureinfluss, sondern durch ein anderes Lebewesen verursacht werden würde. Uns Menschen.

Abholzung des Regenwaldes, Jagd auf Wale, Plastik im Meer, Giftstoffe in der Luft, Verdrängung natürlicher Arten durch Gentechnik - diese Liste ließe sich wohl über viele weitere Seiten fortführen. Durch Industrialisierung treibt der Mensch seinen eigenen zunehmenden Wohlstand und die Vernetzung der Welt voran. Die logische Konsequenz ist, dass die Liste bedrohter Arten der Weltnaturschutzorganisation IUCN wächst und wächst. Wie die „World Wide Fund for Nature“ (WWF) erklärt, waren im Jahr 2009 17.291 Arten mit variierendem Gefährdungsgrad bedroht. Zwar entspreche dies gerade einmal einem Prozent aller Arten, jedoch müsse man bedenken, dass bisher auch erst etwa zwei Prozent aller Arten nach den neusten Kriterien der IUCN bewertet seien, so die WWF. Jede fünfte Säugetierart, jede achte Vogelart, jede dritte Amphibienart und 70 Prozent aller bisher erfassten Pflanzenarten sind mittlerweile vom Aussterben bedroht. Seit 1500 nach Christus sind etwa 800 Arten komplett von der Erde verschwunden; die Statistik steigt beinahe exponentiell und eine mögliche Dunkelziffer ist möglicherweise um ein vielfaches höher.

Angesichts dieser erschreckenden Zahlen mag man sich an den Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung von 2002 erinnern, der in Johannesburg stattgefunden hatte. Unter dem Slogan „A Sustainable World is Possible“ (zu Deutsch: „Eine nachhaltige Welt ist möglich“) tagten hier zwei Wochen lang über 20.000 Abgeordnete aus aller Welt. „Bis zum Jahr 2010 soll der Rückgang der Biodiversität (Artenvielfalt) deutlich reduziert werden“, so einigte man sich damals unmissverständlich. Lebensräume sollten erhalten, der Verlust der Tier- und Pflanzenwelt gestoppt werden. Knapp zehn Jahre später dann lautete ein Fazit im Journal „Science“ ziemlich ernüchternd: „Die Rate des Biodiversitätsverlustes scheint sich nicht zu verringern.“

Forscher um Anthony Barnosky von der University of California in Berkely prognostizieren nun einen in Kürze eintretenden Kollaps, falls sich Regierungen in aller Welt nicht endlich auf Nachhaltigkeit und Naturschutz verschreiben würden. Der Einfluss des Menschen würde zeitnah in ein Massenaussterben führen, das insgesamt sechste. Wenn die auf der Liste des IUCN als „kritisch bedroht“ oder „bedroht“ markierten Arten in einigen hundert Jahren tatsächlich auch ausgestorben sein sollten, wäre die Entwicklung unabwendbar und das Artensterben hätte begonnen, so das wissenschaftliche Team. Als einzige Chance sieht Barnosky eine sofortige Umstellung des menschlichen Lebensstils. Dazu gehöre die Einsetzung von Ressourcen und Gesetzgebung gegen das Artensterben.

Dass das vorhergesagte sechste Artensterben der Welt kurz bevorsteht ist nicht unwahrscheinlich. Dass Regierungen aber nun aktiv werden und aus den zahlreichen Klimagipfeln Resultate hervorgehen, schon. „Was wir bislang wissen, beruht auf ein paar Zweiglein von den Ästen des Baums des Lebens“, schließt Anthony Barnosky seine Erzählungen. Das dürfte es gut treffen.