Daten der NASA-Sonde "Mars Reconnaissance Orbiter" belegen einen bislang unbekannten zweimal täglichen Temperatur-Zyklus auf dem Mars. Der Schlüssel zum Verständnis dieses Phänomens liegt in der ebenfalls bislang unerwarteten Erkenntnis, dass auch die zarten Wolken aus Wassereis in der oberen Marsatmosphäre das tägliche Klima des Roten Planeten beeinflussen.
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© NASA/JPL/Texas A&M/CornellZirrusartige Wolken ziehe über den Marshimmel, aufgenommen am 2. Oktober 2006 von NASA-Marsrover "Opportinity". Bislang glaubten Planetenforscher, dass diese Wolken kaum bis keinen Einfluss auf das Mars-Klima hätten. Eine aktuelle Studie belegt nun das Gegenteil.
Pasadena (USA) - "Wir können ein Temperaturmaximum auf dem Mars sowohl gegen Mittag als auch ein zweites etwa gegen Mitternacht nachweisen", erläutert Armin Kleinboehl vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA. "Dabei schwanken die Temperaturen bis zu 58 Grad Fahrenheit innerhalb dieses ungewöhnlichen Musters."

Mittels Messungen des "Mars Climate Sounder"-Instruments konnten die Forscher das unerwartete Klima-Muster nicht nur lokal sondern global und über das ganze Jahr verteilt nachweisen. Ihre Ergebnisse haben die Forscher aktuell im Fachjournal Geophysical Research Letters veröffentlicht.

Die globalen Schwankungen von Winden, Temperatur und Druck bezeichnen die Forscher als "atmosphärische Gezeiten". Im Gegensatz zu den Gezeiten der Meere, die von der Anziehungskraft zwischen Erde und Monde verursacht werden, werden die atmosphärischen Gezeiten von den Unterschieden in der Aufwärmung eines Planeten durch Tag und Nacht hervorgerufen. Zwar hat auch die Erde atmosphärische Gezeiten, doch verursachen diese nur geringe Temperaturunterschiede in der tieferen Atmosphäre entfernt von der Oberfläche. Da die Marsatmosphäre jedoch gerade einmal ein Hundertstel so dicht ist, wie die der Erde, wirken sich hier die atmosphärischen Gezeiten viel stärker auf die gesamte Atmosphäre aus.

Schon in den 1970er Jahren hatten Sonden Hinweise auf das zweifache Gezeitenmuster geliefert, doch damals glaubten die Forscher, dass dieses Phänomen nur während der staubigen Marsjahreszeiten auftaucht, wenn die Sommersonne Staub in der Marsatmosphäre erwärmt.

"Wir waren überrascht, dass wir das regelmäßige Muster der Temperaturschwankungen nun auch in staubfreier Marsatmosphäre nachweisen konnten", so Kleinboehl. Während ein einfacher Zyklus - hervorgerufen durch die Unterschiede zwischen Tag und Nacht - auch auf dem Mars schon lange bekannt war, war uns zunächst die Ursache für den zweifachen Zyklus gänzlich unklar."

Die Antwort auf das Marsrätsel fanden die Forscher nun in Wassereis-Wolken auf dem Mars, die sich ebenfalls das ganze Jahr über in der Marsatmosphäre nachweisen lassen. Diese Wolken befinden sich über der Äquatorregion des Mars in einer Höhe von 10 bis 30 Kilometern über der Planetenoberfläche und absorbieren infrarotes Licht, das vom Marsboden tagsüber reflektier wird. Vergleichbar mit irdischen Zirruswolken, sind diese Wolken relativ durchscheinend. Dennoch genügt die Absorptionsrate dieser Wolken, um auch die mittlere Atmosphäre aufzuheizen.
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© NASA/JPL-CaltechGrafische Illustration der Arbeitsweise des "Mars Climate Sounder" an Bord der NASA-Sonde "Mars Reconnaissance Orbiter" (MRO).
Das beobachtete Muster der zweimaligen Temperaturmaxima konnten die Forscher dann auch anhand von Klimamodellen und Simulationen des Mars reproduzieren, in die die Wassereiswolken und ihre reflektiven Auswirkungen eingepasst wurden.

"Wir stellen uns den Mars meist als eine kalte und trockene Welt mit wenig Wasser vor. Tatsächlich gibt es aber sehr viel mehr Wasserdampf in der Marsatmosphäre als in der oberen Atmosphäre der Erde", erläutert Kleinboehl. "Wassereis-Wolken sind dafür bekannt, dass sie sich in Regionen mit kalten Temperaturen bilden. Bislang wurden jedoch die reflektiven Auswirkungen dieser Wolken nicht ausreichend beachtet. Jetzt wissen wir, dass wir - wie auf der Erde - auch die Struktur der Marswolken berücksichtigen müssen, wenn wir die Atmosphäre und das Klima des Mars verstehen wollen.

Quelle: NASA / JPL