Mit Hilfe neuer Techniken haben US-Forscher eine verblüffende Entdeckung darüber gemacht, wie sich Wassereis unter hohem Druck verhält und widerlegen damit zugleich rund 50 Jahre alte Vorstellung. Die Ergebnisse könnten unser Wissen darüber verändern, wie sich Wassermoleküle unter Bedingungen tief in Innern von großen Gasplaneten wie Neptun oder Uranus verhalten und Auswirkungen auf Energieforschung und -technologien haben.
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© Oak Ridge National LaboratoryIllustration der Kristallstruktur der "neuen" Eisform. Die Sauerstoffatome sind blau, Wasserstoffatome pink dargestellt. Die von den Wassermolekülen getrennten Wasserstoffatome sind gelb markiert und scheinen sich in den hellgrau gekennzeichneten (polyedrischen) Leerräumen innerhalb des Sauerstoffgitters zu befinden.
Washington (USA) - Wie de Forscher um Malcolm Guthrie von der Carnegie Institution of Washington aktuell im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) berichten, sind Wassermoleküle, wenn dieses zu Eis gefriert in einem Kristallgitter verbunden, das von Wasserstoffbrückenbindungen zusammengehalten wird. Diese Wasserstoffbrückenbindungen sind derart hochgradig veränderlich, dass kristallines Eis eine erstaunliche Vielfalt von mindestens 16 verschiedenen Strukturen aufweisen kann.

Allen diesen Eisformen ist das einfache H2O (Wasser)-Molekül als universeller Baustein gemein. Allerdings sagten Forscher 1964 voraus, dass sich die Wasserstoffbrückenbindungen bei ausreichend hohem Druck bis zu dem Punkt verstärken könnten, an dem sie das Wassermolekül aufbrechen würden. Die Möglichkeit einer direkten Beobachtung eines getrennten Wassermoleküls im Eis war seither für viele Forscher ein faszinierender Anreiz und Inhalt zahlreicher Untersuchungen und Experimente. Während schon Mitte der 1990er Jahre verschiedene Teams diesen Übergang mit Hilfe spektroskopischer Techniken beobachten konnten, waren diese Techniken allerdings allesamt lediglich indirekter Natur und stellten damit nur einen Teil des Gesamtbildes dar.

Die von den Forschern angestrebte Methode, die Wasserstoffatome oder Protonen direkt zu "sehen" hätte zwar erreicht werden können, indem man Neutronen von Eis abprallen lässt und dann genau vermisst, wie diese gestreut werden, dennoch "kann man diese extremen Druckverhältnisse nur erreichen, wenn auch die Eisproben wirklich sehr klein sind. Unglücklicherweise sind die Wasserstoffatome dadurch aber wiederum sehr schwer zu erkennen", erläutert Guthrie.

Mit Hilfe der 2006 eingeweihten "Spallation Neutron Source", einer sehr hellen Neutronenquelle am Oak Ridge National Laboratory in Tennessee, haben die Forscher um Guthrie nun den ersten Einblick in die Wasserstoffatome selbst erhalten, als es ihnen gelang, Wasserstoffatome im Eis bei beispiellosen Druckverhältnissen von mehr 50 Gigapascals (GPa) und damit mehr als dem 500.000-fachen Atmosphärendruck zu beobachten.

"Die Ergebnisse sprechen dafür, dass die Aufspaltung von Wassermolekülen zwei verschiedenen Mechanismen folgt. Einige der Moleküle beginnen bei viel geringerem Druck und auf eine andere Art auseinanderzubrechen, als dies 1964 vorhergesagt wurde", so Russell Hemley, einer der Koautoren der Studie.

Die neuen Daten, so zeigt sich Guthrie begeistert, "zeichnen ein völlig neues Bild von Eis." Laut den Forschern haben die Ergebnisse nicht nur weitreichende Konsequenzen für unser Verständnis der chemischen Verbindungen des Wassers, die Beobachtungen unterstützen möglicherweise auch eine schon zuvor formulierte Theorie, laut der die Protonen im Eis im Inneren von Planeten mobil sein könnten, auch wenn das Eis selbst fest bleibe.

Diese überraschende Feststellung könnte zudem erst der Anfang der wissenschaftlichen Entdeckung sein. "Wasserstoff mit Neutronen 'sehen' zu können, ist nicht nur für die Untersuchung von Eis wichtig. Es ist ein bahnbrechender technischer Durchbruch. Die Anwendungen könnten sich auch auf Systeme ausweiten, die entscheidend für zukünftig soziale Herausforderungen sind - wie die Energie." So könnte die Technik beispielsweise zu einem besseren Verständnis der methanhaltigen Gashydrate und sogar der Wasserstoffspeichermaterialien führen, die eines Tages Automobile mit Energie versorgen, hoffen die Forscher schon jetzt.

Quelle: carnegiescience.edu