Die Region um einen Stern, in der flüssiges Wasser auf einem Planeten möglich ist, wird als »bewohnbare Zone« bezeichnet. Hier kann prinzipiell Leben entstehen. Britische Forscher erklären nun, dass dieser stellare »Bio-Gürtel« wesentlich breiter ist als bisher angenommen. Demnach wird Leben auch dort denkbar, wo niemand es zuvor vermutet hätte.

Bild
© NASA / wiki commons
Felsplaneten, die früher ohne Umschweife als öde, leblose Welten abgetan wurden, könnten neuen Erkenntnissen zufolge durchaus sehr lebendige Überraschungen für die Wissenschaft bereithalten. Sofern sie nur beginnt, auch dort danach Ausschau zu halten. Bis jetzt hätte dies wohl niemand in Erwägung gezogen, nicht für solche Himmelskörper, die sich außerhalb eines definierten Rings um ihren jeweiligen Heimatstern bewegen: eben außerhalb der bald legendären habitablen Zone. Sie stellt ohne jeden Zweifel den »gemütlichsten« Bereich eines Sonnensystems dar - die bewohnbaren Gefilde.

Das von ihr abgedeckte Entfernungsintervall hängt natürlich unter anderem auch davon ab, wie groß und heiß der Zentralstern ist. Manche Sonnen eignen sich leider kaum für eine biologische Evolution im herkömmlichen Sinne. Sehr massereiche Sterne existieren gar nicht lange genug, ihre hohen Kerntemperaturen bedingen eine rasante Wasserstoffverbrennung. Schon nach wenigen Millionen Jahren geht solchen Riesen die nukleare Puste aus. Nach landläufiger Meinung doch etwas zu schnell für eine echte Evolution. Ausdauernde stabile Hauptreihensterne wie unsere Sonne sind hierzu weit mehr geeignet, doch wieder bleibt offenbar nur ein relativ enger Spielraum für die optimale Planetendistanz und somit flüssiges Oberflächenwasser als grundlegende Bedingung zur Entstehung von Leben.

Die habitable Zone beherrscht selbstredend sämtliche Erwägungen bei der Suche nach potenziellen »Erdenzwillingen«. Forscher haben viele bereits entdeckte Exoplaneten bereits aus dem biologischen Kalkül genommen, da diese Kandidaten jenseits der festgelegten Grenzen liegen - entweder sind sie ihrem Stern zu nahe und wurden von ihm zu kochenden Wüsten gebacken oder aber sie sind zu weit weg und erstarren in eisigster Kälte. Beides also Szenarien, die kaum für Leben geeignet scheinen, zumindest Leben, so wie wir es kennen. Und von dem geht die Wissenschaft nun einmal in aller Regel aus, um überhaupt irgendwelche Anhaltspunkte zu besitzen und sinnvolle Schlussfolgerungen zu extraterrestrischem Leben ziehen zu können. Selbst aber unter solchen Einschränkungen scheint das Leben an sich mehr Chancen zu haben als Wissenschaftler bislang zu vermuten wagten.

Forscher der altehrwürdigen schottischen University of St. Andrews haben jetzt neue Überlegungen angestellt und im Fachblatt Planetary and Space Science publiziert. Ihnen zufolge muss die habitable Zone ganz wesentlich erweitert werden, und zwar sofern man die Anwesenheit von flüssigem Wasser und Leben unterhalb planetarer Oberflächen einbezieht. Die bisherige Theorie der habitablen Zone »versagt, wenn man berücksichtigt, dass Leben unter der Oberfläche eines Planeten existieren kann«, so der an der Studie maßgeblich beteiligte Doktorand Sean McMahon. »Wenn Sie tiefer unter die Oberfläche eines Planeten gehen, steigt die Temperatur, und wenn Sie erst einmal bis zu einer Temperatur vorgedrungen sind, bei der flüssiges Wasser existieren kann, dann kann dort auch Leben existieren.«

Die aktuellen Berechnungen und Computersimulationen lassen vernünftige Abschätzungen zu den vertikalen Temperaturprofilen von Gesteinsplaneten unterschiedlicher Größe zu und berücksichtigen dabei auch verschiedene Abstände von den jeweiligen Sternen. Ein erdgroßer Planet, der einen sonnenähnlichen Stern umkreist, besitzt eine dreimal ausgedehntere habitable Zone, sobald die obersten fünf Kilometer der Erdkruste mit einbezogen werden. Das ist keineswegs illusorisch. Denn Leben wurde auf unserem Planeten bereits in Tiefen von mehr als fünf Kilometern aufgespürt. Es könnte sogar noch in zehn Kilometern anzutreffen sein. Sollte diese noch unbewiesene Annahme bestätigt werden, bedeutete dies eine Ausweitung der habitablen Zone auf das 14-Fache der augenblicklichen Maße. Während sie jetzt bei der Marsbahn endet, würde sie im neuen Modell noch über die Bahnen der Riesenplaneten Jupiter und Saturn hinausreichen.

Schon heute werden sehr ernsthaft Gedanken auf Leben unter der Kruste von Eiswelten wie dem Jupitertrabanten Europa weit jenseits der klassischen habitablen Zone »verschwendet«. Hier zeichnet sich bereits klar ab, dass die klassische habitable Zone alles andere als eine feste Grenze darstellt, auch nicht hier im Sonnensystem. Sogar eine robotische Raummission wurde bereits geplant, um die wahrscheinlich viele Kilometer dicke Eiskruste Europas zu durchstoßen und ein Miniatur-U-Boot in die Tiefe zu entsenden. Ziel: die Suche nach Leben.

Auch wenn diese Mission für spätere Zeiten angesetzt ist und eine NASA-Erkundung durch die so genannte Laplace-Mission derzeit buchstäblich auf Eis gelegt wurde, beabsichtigt die ESA, 2022 im Alleingang auf Erkundungsflug zu den Eismonden Jupiters zu gehen, im Rahmen der JUICE-Mission - dem Jupiter Icy Moon Explorer. Nahe Erkundungsvorbeiflüge sollen neue wertvolle Informationen über diese Welten liefern. Wie es dann weitergeht, steht allerdings in den Sternen. Wesentlich aber ist der keineswegs abwegige Ausgangsgedanke, in dieser entlegenen Region des Sonnensystems tatsächlich noch auf Leben stoßen zu können.

Ferne, kalte und öde Welten im dunklen Raum fern der wärmenden Sterne erhalten im neuen Bild einer erweiterten habitablen Zone eine völlig veränderte Bedeutung. Die aktuelle Studie enthüllt noch Erstaunlicheres: Größere Gesteinsplaneten mit der Masse einiger Erden würden bereits genügend innere Wärme erzeugen, um sogar im interstellaren Raum mit flüssigem Wasser in rund fünf Kilometern Tiefe aufwarten zu können. Weit abseits jeglicher Sonnen und ohne die Spur einer eigenen Atmosphäre könnten sie damit in ihrem Inneren faktisch biologische Prozesse ermöglichen.

20 Lichtjahre von der Erde entfernt, im unscheinbaren Sternbild Waage, kreist der Planet Gliese 581d um seinen Stern. Seine Bahn hält ihn auf Distanz. Und so bleibt die Oberfläche dieser Welt viel zu eisig. Flüssiges Wasser? Fehlanzeige! Doch in lediglich zwei Kilometern Tiefe sähe die Situation ganz anders aus. Die britischen Forscher sind überzeugt: Dort besteht prinzipiell die Chance auf das kostbare Nass, ganz im Wortsinne. Und so hoffen sie, dass ihre Arbeit andere Experten dazu animiert, darüber nachzudenken, wie man solch verborgenes Leben auf fremden Welten nachweisen könnte. »Es ist nicht unvorstellbar, dass es Anzeichen an deren Oberfläche geben könnte, die Leben in der Tiefe verraten«, so McMahon. Natürlich muss man die betreffenden planetaren Kandidaten erst in den Reigen bewohnbarer Welten aufnehmen. Die Neudefinition der habitablen Zone schafft die entsprechende Voraussetzung.

McMahon: »Die Oberflächen felsiger Planeten und Monde, die wir kennen, sind unserer Erde völlig unähnlich. Für gewöhnlich sind sie kalt und karg, ohne Atmosphäre oder mit einer lediglich sehr dünnen, vielleicht sogar korrosiven Atmosphäre. Unter die Oberfläche zu gehen schützt vor einer ganzen Menge unerfreulicher Bedingungen, wie sie auf der Oberfläche selbst anzutreffen sind. Somit könnte eine unterirdische habitable Zone sich als sehr bedeutsam erweisen. Die Erde könnte sogar eher der Ausnahmefall sein, indem sie Oberflächenleben besitzt.«

Und schon hier, auf unserer Welt, hat sich das Leben als erstaunlich widerstandsfähig und anpassungsfähig erwiesen. Unter den ungewöhnlichsten Bedingungen ist es anzutreffen: Extremophile scheinen wirklich alle denkbaren ökologischen Nischen zu bevölkern und die Grenzen sind vielleicht noch nicht erreicht. Wie weit geht das Leben? Die Antwort auf diese Frage dürfte draußen im All zu finden sein, auf Welten, die bisher für tote Himmelskörper gehalten wurden.