Kanadische Wissenschaftler haben einen Gecko-ähnlichen Roboter entwickelt, der in der Lage ist, mittels trockener, mikroskopisch kleiner Haare an senkrechten Wänden entlang zu laufen. Nach Ansicht europäischer Wissenschaftler könnte dieser Roboter eines Tages im Weltraum eingesetzt werden, um die Außenhülle von Raumschiffen zu warten.
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Die Mannschaft der Internationalen Raumstation ISS verbringt Stunden bei Außenaufenthalten im All mit Wartungsarbeiten. Die Europäische Weltraumorganisation ESA hat nun damit begonnen, einen in Kanada entwickelten Roboter zu testen, der den Astronauten zumindest hinsichtlich gewisser Arbeiten die mühseligen und gefährlichen Weltraumspaziergänge ersparen könnte.

Zuvor hatten Wissenschaftler der kanadischen Simon-Fraser-Universität in Burnaby in der Provinz British Columbia einen innovativen Ansatz gewählt, um die Kleinroboter auf die schwierige Aufgabe vorzubereiten, sich auf der Außenoberfläche fliegender Raumschiffe zu bewegen. Ihr Lieblingsprojekt ist dabei ein sechsbeiniger Kletterroboter, der sich das gleiche Prinzip wie die Geckos zunutze macht. Diese Tiere sind dafür bekannt, glatte Wände und sogar kopfüber Fenster herunterklettern zu können, ohne eine Spur zu hinterlassen.

Der 240 Gramm schwere Gecko-Roboter trägt den Spitznamen »Abigaille«. Er ist, so der Leiter der Arbeitsgruppe, Mike Henrey, »ein Beispiel für Biomimikry (oder Bionik), die Lösungen für ingenieurtechnische Probleme aus der Natur entlehnt«.

Ein Gecko verfügt an seinen Füßen über Millionen feinster Härchen (die so genannten »Spatulae«), die mit der Oberfläche interagieren und eine molekulare Anziehungskraft erzeugen, die als Van-der-Waals-Kräfte bekannt sind. Diese feinen Härchen haben einen Durchmesser von 100 bis 200 Nanometern (10-9 m) und sind damit 1000-mal dünner als ein menschliches Haar.

In der Gestaltung seiner Fußballen, die mit Unterstützung der mikroelektrischen Industrie entwickelt wurden, greift der Roboter dieses Prinzip auf. »Aufgrund technischer Grenzen sind sie etwa 100-mal größer als ein Geckohaar, aber sie reichen aus, um das Gewicht unseres Roboters halten zu können«, erläutert Henrey.

Der Roboter-Prototyp ist noch weit davon entfernt, ein perfekter Kletterer zu sein. Gegenwärtig bewegt er sich mit einer Geschwindigkeit von 24 Millimetern pro Minute, aber er ist nach Ansicht der ESA-Forscher eine sehr vielversprechende Innovation. Das Europäische Raumfahrt- und Technologiezentrum der ESA im niederländischen Noordwijk hat den Gecko-Roboter in einem Materialtestlabor bereits verschiedenen Prüfungen unterzogen, bei denen Vakuum-Bedingungen und die Temperaturen im Weltraum eine Rolle spielten. Diese Tests zeigten, dass die »trockene Adhäsion« Abigailles hervorragend funktioniert. »In einer Vakuumkammer wurde mit einer Tiefenmesseinrichtung die trockene Adhäsionskraft genau gemessen... Der experimentelle Erfolg bedeutet, dass ein Einsatz im Weltraum eines Tages möglich sein könnte«, erklärte ESA-Spezialist Laurent Pambaguian in einer Pressemitteilung.

Die Wissenschaftler sind unter anderem deshalb an dieser die Fähigkeit des Geckos nachahmenden Technologie so interessiert, weil sich herkömmliche adhäsive Methoden wie Klebebänder, Klettverschlüsse oder Magneten nicht für den Einsatz im Weltraum eignen und das Raumschiff sogar beschädigen oder beeinflussen könnten, wie Henrey anmerkt. Abigaille ist darüber hinaus weitaus beweglicher als bisherige Roboter mit Rädern, da jedes ihrer sechs Beine vier Freiheitsgrade besitzt und sich leicht in alle horizontalen und vertikalen Positionen bewegen lässt. Jetzt soll der Roboter auch gründlich unter Bedingungen der Schwerelosigkeit getestet werden.

»Es ist sehr aufwendig und kostspielig, Hardware auf den jeweils neuesten Stand zu bringen, wenn sie sich einmal im Weltraum befindet. Es wäre daher sinnvoll, zunächst einen nicht spezialisierten Roboter hinzuschicken. Dieser könnte dann über Software-Aktualisierungen an verschiedenste Aufgaben angepasst werden, an die man vielleicht beim Beginn des Projekts noch nicht gedacht hatte«, meinte Henrey.