In der Luftfahrtindustrie zeichnet sich ein Technologiewandel ab, der die Strukturen der gesamten Branche verändern könnte. Seit Jahrzehnten bauen Airbus und Boeing in ihren Endmontagehallen die von den Zulieferfirmen hergestellten Teile zum fertigen Modell zusammen. Fehlt ein einziges Bauteil oder fällt ein Zulieferer aus, kann dies die gesamte Auslieferung blockieren. Airbus und Boeing haben aktuell vor allem deshalb Rekordauftragsbestände und jahrelange Lieferfristen, weil die Zulieferer derzeit nicht mehr produzieren können.

Doch die extreme Abhängigkeit von den Lieferanten könnte sich mit dem rasanten Fortschritt des industriellen 3-D-Drucks ändern. Vereinfacht ausgedrückt entstehen dabei Bauteile, indem sie Schicht für Schicht aus Plastik- oder Metallpulver gedruckt und speziell gehärtet werden. Fachleute sprechen vom "Additive Layer Manufacturing". Es gibt bereits gedruckte Titanteile mit 1,5 Meter Länge. Der britische Luftfahrtkonzern BAE Systems hat schon Kleinteile für den Kampfjet Tornado gedruckt. Im europäischen Merlin-Projekt erforschen Triebwerkshersteller wie Rolls-Royce und MTU die Produktion gedruckter Antriebsschaufeln.

Für Manfred Hader, Luftfahrtexperte beim Beratungsunternehmen Roland Berger, sind dies die Vorboten einer Umwälzung, deren strategische Dimension von vielen noch nicht erkannt wird. "Das kann die Aufgabenteilung in der Branche zwischen Hersteller und Lieferanten neu ordnen", sagt er in einem Gespräch mit der "Welt".

Auch die aktuelle, jährliche Branchenstudie zur Luftfahrt- und Rüstungsindustrie von Roland Berger zeigt die Bedeutung von Innovationen für die Branche. 26 Prozent der gut 100 befragten Top-Manager aus 70 Firmen stuften "neue Technologien" und 24 Prozent neue Geschäftsmodelle als wichtigste Industrietrends bis 2020 ein. Erstmals seit Jahren stehen bei der Befragung die Themen Marketingstrategie und weltweite Vermarktung bei den Top-Entscheidern an vorderster Stelle - nicht nur simpel die Produktion.

Für den Experten Hader zeigt dies, wie tiefgreifend sich die Strukturen ändern. "Innovation heißt nicht einfach nur neue Produkte. Es sind vielmehr auch neue Technologien, der Ausbau der Fertigung, andere Geschäftsmodelle oder die Gewinnung neuer Kunden auf neuen Märkten." Die Roland-Berger-Studie weist dabei auf die wachsende Bedeutung der aufstrebenden Länder außerhalb Europas und den USA hin. 20 Prozent der Innovationen der Branche werden in den kommenden Jahren aus den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) stammen. In China stehen nach Branchenberichten bereits riesige 3-D-Druckanlagen.

In der ingenieurgetriebenen Branche gehe es künftig nicht allein um Technik, sagt Experte Hader. "Nichts ist einfacher, als eine Blaupause zu kopieren. Nichts ist aber schwieriger, als zu wissen, wie man eine Zeichnung in ein Produkt umsetzt und es erfolgreich verkauft." Daher würden strategische Entscheidungen, etwa über das künftige Geschäftsmodell zur Absicherung der Marktstellung an Bedeutung gewinnen.

So wird in der Luftfahrtbranche darauf verwiesen, dass der US-Konzern General Electric, der auch weltgrößter Triebwerkshersteller ist, sich in die 3-D-Druckmaschinenhersteller Morris Technology und Rapid Quality Manufactoring eingekauft hat, um sich den Zugang zu den Maschinen zu sichern. In ein paar Jahrzehnten werde es möglich sein, ganze Triebwerke zu drucken, heißt es bei General Electric. Boeing und Airbus beschäftigten sich selbst intensiv mit dem 3-D-Druckverfahren und haben bereits eigene Druckmaschinen aufgebaut. "Die Strukturen der Branche kommen auf den Prüfstand", sagt Hader.