Mindestens 25 Menschen sind in Kiew getötet worden und an die 1000 Personen wurden verletzt, als die ukrainische Hauptstadt die bisher gewalttätigsten Ausschreitungen erlebte. Die Randalierer griffen die Polizei an, besetzten Gebäude und zündeten Fahrzeuge sowie Autoreifen an. Unter den Toten befinden sich auch neun Polizisten, die alle an Schusswunden starben.
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Der ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch wandte sich in einem Appell an die Bevölkerung seines Landes, der auf seiner Internetseite veröffentlicht wurde. »Hier handelt es sich um einen offenkundigen Rechtsbruch. Die Straftäter müssen vor Gericht gestellt werden, das dann über das Strafmaß entscheiden wird. Hier geht es nicht um Willkür meinerseits; es ist vielmehr meine Pflicht, die Verfassung zu schützen - und den Frieden im Land wiederherzustellen und zu erhalten, den Frieden für die Bürger und Gerechtigkeit für jedermann«, heißt es dort.

Die Führer der Opposition sollten sich umgehend von den radikalen Kräften distanzieren, die das Blutbad und die Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften provoziert hätten, forderte Janukowytsch. »Wenn sie sich nicht [länger an die Absprachen] gebunden fühlen, sollten sie offen erklären, dass sie die radikalen Kräfte unterstützen. Dann wird man sie entsprechend behandeln«, sagte der Präsident.

Er warf den Oppositionsführern vor, die Macht ohne Wahlen ergreifen zu wollen. Das aber verstoße gegen die Verfassung. »Ich habe den Oppositionsführern immer wieder gesagt, es wird in Kürze zu Wahlen kommen. Wenn die Menschen Ihnen vertrauen, werden Sie an die Macht gewählt werden. Wenn sie Ihnen nicht vertrauen, dann wird dies nicht geschehen. Aber dies muss auf legalem Weg in Übereinstimmung mit der Verfassung geschehen«, erklärte Janukowytsch.


In einem Telefongespräch mit Janukowytsch hatte der amerikanische Vizepräsident Joe Biden angesichts dieser Gewalteskalation in der ukrainischen Hauptstadt seiner »großen Sorge« Ausdruck verliehen. Biden drängte Janukowytsch zu einem Höchstmaß an Zurückhaltung. Der Präsident solle die Sicherheitskräfte zurückziehen, die den Randalierern in der Kiewer Innenstadt gegenüberstünden. Das Weiße Haus verurteilte zwar die Gewalt in der Ukraine, aber Biden hielt daran fest, es liege nun in der besonderen Verantwortung der Regierung, die Spannungenabzubauen. Der US-Vizepräsident setzte sich »für einen sofortigen Dialog mit den Oppositionsführern ein, um den legitimen Beschwerden der Demonstranten nachzugehen und ernsthafte Vorschläge für eine politische Reform zu erörtern«.


Kommentar: Interessant diese Worte aus dem Mund des US Vizepräsident Joe Biden zu hören, der offensichtlich ein Kriegshetzer ohne jegliches Gewissen oder Empathie ist:

Aber es gelang dem ukrainischen Präsidenten Janukowytsch und den Oppositionsführern nicht, sich bei einem eilig einberufenen Treffen zu einigen. Der Nachrichtenagentur RIA Novosti zitierte den Vorsitzenden der Partei Udar, Witali Klitschko, mit den Worten: »Janukowytsch erklärte, es gebe nur eine Möglichkeit... die Räumung des Maidan. Jeder solle sich nach Hause begeben.« Gegenüber dem unabhängigen Fernsehsender Hromadske sagte Klitschko nach dem Treffen mit dem Präsidenten, dieser habe einen Abbruch des Polizeieinsatzes abgelehnt. Es ist unklar, ob die Gespräche mit den beiden anderen Oppositionsführern weitergingen.

Bis 23:00 Uhr Ortszeit waren nach offiziellen Angaben bereits elf Todesopfer zu beklagen. »Bis 23:00 Uhr Ortszeit hatten sich 221 Menschen in medizinische Obhut begeben, 114 von ihnen mussten im Krankenhaus bleiben. Es gab elf Todesfälle«, hieß es in einer Erklärung des ukrainischen Gesundheitsministeriums.

Das ukrainische Innenministerium berichtete, sieben Polizeibeamte seien während der Zusammenstöße an Schussverletzungen gestorben. Zwei weitere Polizisten wurden später getötet und ein weiterer schwer verwundet, als eine Einheit der Verkehrspolizei in Kiew angegriffen wurde. Er starb später, als er sich noch in den Händen der Angreifer befand. Zudem mussten, so das Ministerium weiter, 135 Polizisten in nahegelegenen Krankenhäusern behandelt werden. 35 von ihnen befinden sich in einem kritischen Zustand.

Die Krankenhäuser der Hauptstadt sind dem Ansturm der Verletzten nicht mehr gewachsen, berichtete TNS. Es kommt zu langen Wartezeiten vor den Operationssälen. Die Menschen kommen mit unterschiedlichsten Verletzungen. So wurde von mindestens zwei Amputationen, herausgedrückten Augäpfeln und Verletzungen an den äußeren Gliedmaßen berichtet.

Immer noch halten Tausende von Menschen den Unabhängigkeitsplatz (Maidan) im Zentrum der Hauptstadt besetzt, während staatliche Sicherheitskräfte dabei sind, die Menge zu zerstreuen. Wie auf Twitter zu lesen war, haben sich die Straßenkämpfe im Umfeld des Maidan massiv verstärkt. Die Bereitschaftspolizei ist Berichten zufolge in die Offensive gegangen und setzt Blendgranaten und Tränengas ein. Die Demonstranten ihrerseits bewerfen die Polizisten mit Molotow-Cocktails. Auch Schüsse sind zu hören.

Aus Videomaterial ist zu sehen, wie Demonstranten einen gepanzerten Mannschaftswagen mit zahllosen Molotow-Cocktails bewerfen und in Brand setzen. Später hieß es, das Feuer sei gelöscht und das Fahrzeug wieder einsatzbereit. Die Polizei rief die Demonstranten mit Lautsprechern auf, den Maidan zu verlassen. Sprecher der Demonstranten fordern die Regierung auf, ihre »Hunde«, gemeint sind die Sicherheitskräfte, zurückzupfeifen, und rufen Parolen wie »Ruhm der Ukraine« und »Tod den Feinden«.

In einer Stellungnahme erklärte das russische Außenministerium, die jüngsten Eskalationen in Kiew seien »die unmittelbare Folge einer Politik der heimlichen Begünstigung« seitens einiger westlicher Politiker. Das Ministerium forderte die Randalier auf, »den offenen Rechtsbruch und die Verletzung des gesunden Menschenverstandes« aufzugeben. Seit Ausbruch der Krise hätten westliche Politiker und europäische Institutionen »zu dem aggressiven Vorgehen der radikalen Kräfte in der Ukraine geschwiegen und dies damit noch ermuntert«.

Zuvor hatte eine Gruppe der gewaltbereiten, mit Knüppel bewaffneten Regierungsgegner die kanadische Botschaft in Kiew gestürmt, wie die Pressestelle des Innenministeriums berichtete. Die unerkannten Randalierer drangen, wie es hieß, in die Botschaft ein, verwüsteten dort einen Teil der Einrichtung und griffen das Botschaftspersonal an.

Eine andere größere Gruppe von etwa 1000 Randalierern versuchte ein Gebäude der Bezirkspolizeizentrale in Kiew zu stürmen und setzte dabei Sprengstoff ein. Die Randalierer kaperten zwei Straßenbahnen, um die Straße zu blockieren, und versuchten mit einem Lastwagen, den Polizeikordon zu durchbrechen. Zudem zerstörten sie einen Krankenwagen und brachen in verschiedene Bürogebäude der Hauptstadt ein.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte, die ukrainischen Sicherheitskräfte seien jetzt verpflichtet, die Lage zu deeskalieren und UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte die ukrainische Regierung und die Opposition gleichermaßen auf, sich zurückzuhalten und einen »ernsthaften Dialog« aufzunehmen. RIA Novosti zufolge erklärte Bans Sprecher, Martin Nesirky: »Der Generalsekretär ist angesichts der heutigen Berichte im Zusammenhang mit dem Wiederaufflammen der Gewalt und dem Verlust von Menschenleben extrem besorgt.«

Unterdessen erklärte die Präsidentenberaterin Hanna Herman gegenüber dem Radiosender Radio Free Europe/Radio Liberty, Gespräche zwischen Regierung und Opposition seien erst dann möglich, wenn wieder Frieden hergestellt sei. »Verhandlungen können nur dann stattfinden, wenn das gewalttätige Vorgehen aufhört, wenn die Opposition die bewaffneten Kräfte von der Straße entfernt und im Land wieder Ruhe eingekehrt ist«, sagte sie.

Parallel zur Eskalation in Kiew hat sich die Gewalt auch auf die Westukraine ausgebreitet. In der Stadt Lemberg besetzten einige Hundert junge Randalierer das Gebäude der Regionalverwaltung und stürmten, wie die Nachrichtenagentur Interfax berichtete, die Hauptverwaltung für Innere Angelegenheiten.

Auch ein Militärstützpunkt wurde von den Regierungsgegnern besetzt, wie die ukrainische Nachrichten-Internetseite UA-RU.info meldete. Die Protestler verständigten sich mit dem Militär darauf, dass die Soldaten den Stützpunkt ohne Waffen verlassen sollten. Die Waffenlager wurden versiegelt. Die Unterkünfte der Soldaten brannten nieder. Während des Angriffs wurden 30 Soldaten verletzt, fünf von ihnen mussten stationär im Krankenhaus behandelt werden, hieß es aus örtlichen Polizeikreisen.

In der westukrainischen Stadt Ternopil umzingelten etwa 300 Randalierer das Gebäude der Stadtverwaltung, berichtete UNIAN. Sie warfen Pflastersteine in die Fenster der Polizeiwache und forderten die Polizisten auf, das Gebäude zu verlassen. Als die Polizisten begannen, das Gebäude durch den Hinterausgang zu verlassen, warfen die Randalierer weiterhin mit Steinen und jagten sie die Straße entlang. Drei Rauchbomben und Blendgranaten wurden dabei eingesetzt.

Die südukrainische Autonome Republik der Krim hat unterdessen Präsident Wiktor Janukowytsch aufgefordert, »entschlossen vorzugehen und Notstandsmaßnahmen zu ergreifen«, um die Ausschreitungen zu beenden und die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen. »Die friedliche Krim ist über die jüngste Eskalation der Gewalt im Zentrum Kiews extrem besorgt. Das Blutvergießen in den Straßen der Hauptstadt zeigt, dass die Opposition die zahlreichen Zugeständnisse der Regierung als Zeichen ihrer Schwäche betrachtet und das Amnestiegesetz als Ruhepause vor dem nächsten Versuch einer gewaltsamen Machtübernahme benutzt hat«, erklärte der Oberste Rat der Krim in einer Stellungnahme am Dienstag.

Nach seiner Auffassung, so heißt es in der Erklärung des Gremiums weiter, sei die von »extremistischen« Gruppen wie der rechtsgerichteten Oppositionsgruppe Rechter Sektor (PravyiSektor)und der allukrainischen Partei Svoboda (»Freiheit«) ausgerufene allgemeine Mobilmachung nichts anderes als der Beginn eines Bürgerkrieges in der Ukraine.