medikamet placebo
© Normann Hochheimer/CHROMORANGEDer Glaube an eine Wirkung löst im Körper Prozesse aus - die Gehirnchemie wird verändert und Botenstoffe werden ausgeschüttet
Ein schwer kranker Patient in der Notaufnahme: Er zittert und schwitzt stark, sein Puls rast und der Blutdruck ist extrem niedrig. Mit Tabletten gegen Depressionen wollte er sich das Leben nehmen. Die Ärzte versuchen herauszufinden, welcher Wirkstoff die starken Symptome verursacht. Dabei stellt sich heraus, dass der Patient an einer Medikamentenstudie teilgenommen hat. Er war in der Placebogruppe - seine Tabletten enthielten also gar keinen Wirkstoff.

Ein eindrucksvolles Beispiel für die Macht von negativen Erwartungen bei der Medikamentenwirkung. In diesem Fall hat sich dieser Patient mit dem Medikament vermeintlich überdosiert, um sich umzubringen. So hat er tatsächlich einen Kreislaufkollaps entwickelt - allein durch den Einfluss von Erwartung. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Nocebo-Effekt.

Wirkung über die Psyche, aber keine Einbildung

Genauso wirken Placebos - nur andersherum, denn es wird eine heilende Wirkung des Medikaments erwartet. Pillen, Spritzen oder Salben wirken, obwohl kein Wirkstoff enthalten ist. Der Glaube an ihre Wirksamkeit wird Placebo-Effekt genannt. Wenn Placebos in einer passenden Behandlungssituation richtig eingesetzt werden, kann der Placebo-Effekt gut genutzt werden. Er wirkt über die Psyche, aber es ist keine Einbildung.

Dem Placebo-Effekt auf der Spur

Die Placeboforschung ist dem Effekt auf der Spur - im Gehirn. Hier entstehen Botenstoffe, die die Wirkung von Medikamenten vermitteln. Sie wirken in den Gehirnregionen, in denen zum Beispiel Schmerzen wahrgenommen und verarbeitet werden. Am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf wird erforscht, wie der Placebo-Effekt in der Schmerztherapie wirkt: Freiwillige bekommen ein angeblich schmerzstillendes Gel auf den Arm. Dann verabreichen ihnen die Forscher Hitzereize. Die Probanden müssen angeben wie stark sie den Schmerz empfinden. Das Ergebnis: Die Salbe hat den Schmerz gelindert, obwohl sie gar keinen Wirkstoff enthielt. Durch die Erwartung einer Wirkung wurden körpereigene Opioide ausgeschüttet, die so ähnlich wie Morphium wirken.

Um zu klären, auf welcher Ebene die Placebowirkung stattfindet, führen die Forscher das Experiment noch mal im Gehirnscanner durch. Die funktionale Magnetresonanztomographie (MRT) zeigt an, was im Gehirn gerade passiert. Und tatsächlich sind bei einem Placebo die Bereiche aktiviert, die auch bei einem echten Schmerzmittel die Linderung der Schmerzen vermitteln.

Botenstoffe werden ausgeschüttet

Das ist für die Forscher der Beweis des Placebo-Effektes. Der Glaube an eine Wirkung löst im Körper Prozesse aus, die Gehirnchemie wird verändert und Botenstoffe werden ausgeschüttet. Diese Veränderungen werden über das Nervensystem an den Körper weitergeleitet, die Wirkung tritt ein. Das Gehirn funktioniert wie eine körpereigene Apotheke. Es verwandelt Gefühle, Gedanken und Erwartungen in chemische Wirkstoffe.

Allerdings kann auch das Gegenteil eintreten: Beim Nocebo-Effekt wird das Misstrauen immer größer, bis wirklich Beschwerden oder Schmerzen auftreten. Darum sind, laut Experten, Medikamenten-Beipackzettel ein Problem. Sie machen Patienten krank, indem sie gerade die Nebenwirkungen vermehrt hervorrufen, die darin aufgelistet sind.

Arzt kann als Verstärker wirken

Wichtig ist deshalb vor allem die Aufklärung des Patienten über den Nutzen eines Medikaments. Der Arzt kann ein Placebo-Verstärker sein. Der Arzt sollte beispielsweise, anstatt Wirkungen wie die der Akupunktur skeptisch zu beurteilen, den Patienten bestärken, falls dieser der Therapie generell positiv gegenübersteht. Experten fordern zudem mehr honorierte Gesprächszeit - insbesondere für Hausärzte, die den meisten Patientenkontakt haben - um den Glauben an ein Medikament zu stärken.