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The Myth of Sanity, Martha Stout
Dr. Martha Stouts Buch "The Myth of Sanity"
Übersetzung vom SOTT.net Team)

Vor Kurzem haben wir aus Dr. Marta Stouts Buch The Sociopath Next Door (Der Soziopath von nebenan, AdÜ) zitiert. Dieses Buch sollte eine Pflichtlektüre für jedes normale menschliche Wesen sein. Ebenso empfehlen wir jedem, insbesondere Frauen und Eltern, das Buch Predators: Pedophiles, Rapists, And Other Sex Offenders (Raubtiere: Pädophile, Vergewaltiger und andere Sexualstraftäter, AdÜ) von Dr. Anna C. Salter. Was Sie nicht wissen KANN Sie und ganz besonders Ihre Kinder verletzen. Retten Sie HEUTE ein Leben: Wissen schützt!

Heute möchten wir unsere Leser auf ein weiteres Buch von Dr. Stout mit dem Titel The Myth of Sanity (Der Mythos der geistigen Gesundheit, AdÜ) aufmerksam machen. The Myth of Sanity handelt von Trauma-Überlebenden, einschließlich denjenigen, die durch Psychopathen oder andere pathologische Elemente unserer Realität traumatisiert wurden. Im folgenden finden Sie Auszüge, von denen wir glauben, dass sie als eine Einführung in die weiterführende Literatur, Forschung und sogar Arbeit an sich selbst, mit oder ohne therapeutische Intervention, dienen können. Es scheint, dass die Überlebenden von Traumata dem Rest von uns viel über das LEBEN beibringen können.

Meine Patienten sind beiderlei Geschlechts und kommen aus allen Bereichen des Lebens. Manche sind schlicht. Andere besitzen einen brillianten und vielfältigen Intellekt. Die meisten befinden sind irgendwo dazwischen. Sie kommen mit einer Vielzahl von weitverbreiteten Diagnosen in mein Büro: Depressionen, manisch-depressive Störungen, Angststörungen, Anorexia nervosa, Alkoholismus, Borderline-Störungen, Paranoia. Ihre Geschichten sind scheinbar unterschiedlich. Manche haben Erdbeben überlebt. Ein Mädchen hat, als sie zwei Jahre alt war, aus einem Korb heraus beobachtet (in dem sie von jemandem versteckt wurde), wie ihre kambodschanischen Eltern und neun Geschwister durch einfallende Soldaten erschossen wurden. Viele andere haben chronischen Inzest in der Kindheit überlebt. Wieder andere sind erwachsene Überlebende anderer Arten von körperlichem und psychologischem Mißbrauch, der ihre gesamte Kindheit lang angedauert hat.

Ich habe gelernt, dass sie alle eines gemeinsam haben. Hinter all den unterschiedlichen Formen von erbarmungswürdigen Schmerzen und unterschiedlichen Beschwerden, mit denen sie in die Therapie kommen, steht dieselbe fundamentale Frage: wähle ich das Leben oder den Tod? Sie kommen in die Therapie, um sich selbst dabei zu helfen diese Frage zu beantworten. ...

Die Überlebenden, die ich in meiner Praxis sehe, haben undestillierte Angst erfahren, haben gesehen wie furchterregend das Leben sein kann und in vielen Fällen haben sie gesehen wie schonungslos übel ihre Mitmenschen sein können. ... In dem Kampf mit der Macht ihrer vergangenen Erfahrungen ist sogar die biologische Notwendigkeit des Überlebens kümmerlich.

... Was diese Menschen so außergewöhnlich macht ist ihre Wahl zu leben - nicht einfach nur „nicht zu sterben“, nicht einfach nur zu überleben, sondern zu LEBEN.

Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass diese mutigen Menschen durch das Gewinnen ihrer inneren Kämpfe mehr über das echte Leben, über die wahre Vernunft lernen, als der Rest von uns es sich noch nicht einmal vorstellen kann.

Die aufrichtige, gezielte Sebstbeobachtung eines traumatisierten Lebens erzeugt eine dermaßen starke Hitze, dass alle gewöhnlichen Versöhnungen, Sebsttäuschungen und Abwehr wegbrennen.“Was ist der Sinn dieses Lebens?“ wird zu einer sehr persönlichen Frage und verlangt nach einer Antwort. Manche Menschen, die ich kannte, sind so heftig niedergebrannt, dass sie alles aufgegeben haben, ihre Jobs gekündigt und sogar temporäre Armut erlebt haben, weil die Beantwortung dieser Frage mehr Energie verbraucht hat als durch eine Einzelperson aufgebracht werden kann. Es ist etwas Elektrisches, etwas ein wenig Wildes in ihren Augen.

Paradoxerweise jedoch - und denoch, glaube ich, aus den selben Gründen - zeigen genau diese Menschen einen unwiderstehlichen Sinn für Humor, einen ironischen Blickwinkel auf das Leben, der auf das Höfliche und Zurückhaltende verzichtet hat und der dazu neigt, an den Kern der Dinge zu gelangen. Und auch wenn das seltsam klingen mag lache ich aus diesem Grund sehr oft laut wenn ich Zeit mit meinen Patienten verbringe.

Viele traumatisierte Patienten sind unbeteiligt und objektiv, wenn sie über außergewöhnliche Ereignisse reden... Wenn ich den Erzählungen einer persönlichen Geschichte zuhöre, so ist es anstelle der offensichtlichen „Symptome“ viel häufiger so eine Faulkner'sche Untertreibung vom etwas manchmal Makabren, zusammen mit dem brennenden Licht in den Augen und dem raffinierten Humor, was mich dazu veranlasst ein extremes Trauma in der Vergangenheit der Person zu vermuten.
Ich bin beeindruckt von der Ironie, dass diese schwer traumatisierten Patienten - Menschen, die mit lebenden Alpträumen zurechtgekommen sind, Menschen, die den Tod wählen könnten, ohne dass man ihnen daraus einen Vorwurf machen könnte - oft aus einer erfolgreichen Behandlung hervorgehen, indem sie ihr Leben auf eine Weise gestalten, die freier als die meisten durchschnittlichen Leben von dem ist, was Freud vor einem Jahrhundert als "alltägliche Misere/tägliches Leid" bezeichnete. Sie werden wahre Hüter des Vertrauens und sie sind die leidenschaftlichsten lebendigsten Menschen, die ich kenne.

Oder vielleicht ist es mehr Not als Ironie. Mehrmals haben die Trauma-Überlebenden mir erzählt, dass der Kampf sich nur um des Überlebens willen einfach nicht lohnen würde. Und das ist genau das, was der Rest von uns tut: wir wählen weder zu sterben, noch zu leben, sondern wir fahren einfach damit fort, zu überleben. Wir wählen weder die Nichtexistenz noch vollkommenes Gewahrsein. Wir mühen uns weiter ab, in so etwas wie einem nebeligen, kognitiven Mittelland, das wir als vernünftig bezeichnen und wo wir die Existenz dieses Schleiers fast niemals anerkennen.

Was mich meine Patienten über die Jahre hinweg gelehrt haben ist, dass es sich bei diesem Kompromiss mit der Realität und ihren Traumen überhaupt nicht um Vernunft handelt. Es ist eine Form von Wahnsinn, die unsere Existenz benebelt. Wir verlieren Teile unserer Gedanken in der Gegenwart, wir sabotieren die Nähe und den Komfort in unseren Beziehungen und wir verlegen wichtige Teile unserer selbst.

Alle von uns sind irgendwann im Leben in gewissem Maß psychologischem Trauma ausgesetzt, und dennoch sind die meisten von uns sich der trübseligen Räume in unseren Gehirnen, die durch traumatische Erfahrungen erschaffen wurden, nicht bewusst, da wir sie größtenteils nur indirekt erfahren. Selten denken wir über die traumatische Ereignisse in unserem Leben nach, ganz zu schweigen von den furchterregenden Entbehrungen und Kämpfen auf Leben und Tod, die vielen Menschen zeitlich so nah waren, wie uns unsere Urgroßmütter oder sogar unsere Großmütter.

Und dennoch fühlen wir uns wie verrückt und ein bißchen dumm, wenn wir uns ab und zu an eine einfache Sache nicht erinnern können, an die wir uns hätten erinnern sollen... Und wir spüren unseren Wahnsinn und ein manchmal fast verzweifeltes Gefühl nicht die Herren unseres Lebens zu sein - in den Missverständissen und Zerwürfnissen in unseren am höchsten geschätzten Beziehungen, in den immer wieder selben emotional verwirrten Argumenten, die seit Jahren andauern. Die Konflikten zerstören niemals vollständig die Liebe, die wir fühlen, aber sie sind auch nie ganz zu Ende. Und als eine Gesellschaft fühlen wir uns inkompetent und immer hilfloser wenn wir über die generelle Misserfolgsquote von Ehen nachdenken, von denen mehr als die Hälfte in die Brüche gehen.

Viel zu viele von uns gehen wie auf Eiern um unsere Lebenspartner herum, die theoretisch gesehen eben jene Menschen sind, die wir am besten kennen sollten. Wir tun das, da wir uns nie sicher sind, wann dieser Liebhaber oder jener Ehegatte gekränkt sein wird oder verstummen wird oder in einen undurchschaubaren Zorn geraten wird, weil etwas passiert ist oder weil wir irgendetwas gesagt haben, und sie werden zu kühlen Fremden, zu einer völlig anderen Person, die wir - ganz ehrlich - überhaupt nicht kennen.

[Wir treffen Entscheidungen, um Dinge zu tun], aber wenn wir wirklich versuchen über die Durchführung unserer Beschlüsse nachzusinnen, werden unsere Gedanken von uns weggejagt wie erschrockenes Reh von einer offenen Wiese, und im nächsten Moment ist unser Verstand irgendwo anders - der steigende Benzinpreis, eine Notiz bei der Arbeit, ein Fleck auf dem Teppich.

Viele von uns finden es schwierig, und manchmal unmöglich, in einem „Modus“ zu verweilen, konstant und wiedererkennbar zu sein, sogar uns selbst gegenüber.

Eines der universellsten Beispiele dafür ist die Erfahrung von der Rückkehr „nach Hause“ zu den eigenen Eltern. Nach einem Familienbesuch ist die häufigste Erkenntnis, die manchmal privat ist und manchmal mit Freunden geteilt wird: „Ich verwandle mich in eine andere Person. Ich kann nichts dafür. Das passiert einfach. Plötzlich bin ich wieder [ein Kind].“

Wir sind vollständige Erwachsene, können uns sogar als ziemlich fortgeschritten betrachten. Wir verstehen, wie wir uns verhalten sollten, wissen, was wir unseren Eltern sagen wollen. Wir haben Pläne. Doch sobald wir dorthin gelangen, können wir das nicht zu Ende führen - denn plötzlich SIND WIR NICHT MEHR RICHTIG DA. Hilfsbedürftige, außer Kontrolle geratene Kinder haben unsere Körper übernommen und handeln an unserer Stelle. Und wir sind nicht imstande unser „wahres“ Selbst zurückzubekommen bevor wir unser „Zuhause“ verlassen haben.

Am schlimmsten ist es vielleicht, dass wir im Laufe der Zeit oft fühlen, dass wir wie betäubt werden, dass wir etwas verloren haben - irgendein Teil der Lebenskraft, die früher da war. Ohne viel darüber miteinander zu reden entwickeln wir eine Nostalgie uns selbst gegenüber. Wir versuchen uns an die Überschwänglichkeit und sogar die Freude zu erinnern, die wir zu fühlen pflegten. Aber wir können es nicht.

Auf mysteriöse Weise, und bevor wir begreifen was da geschieht, verwandelt sich unser Leben aus Orten der Phantasie und Hoffnung in „To Do“-Listen, in den alltäglichen Kampf, die Dinge einfach nur durchzustehen. Oft können wir uns nur einen langen Weg von ermüdenden Hürden vorstellen, der uns dorthin führt, wo wir uns gar nicht mehr sicher sind, ob wir da überhaupt noch hin gehen wollen.

Anstatt Träume zu haben, schützen wir uns lediglich nur noch selbst. Wir verwenden unsere kurze und wertvolle Lebenskraft für das Praktizieren von Schadensbegrenzung.

Und all das wegen traumatischen Ereignissen, die vor langer Zeit geschehen und ZU ENDE gegangen sind und die für uns tatsächlich überhaupt keine gegenwärtige Gefahr mehr darstellen.

Wie geschieht das? Wie können Schrecken aus der Kindheit und Jugend, die vor Jahren bereits hätten beendet sein sollen, jahrelang fortbestehen und uns verrückt machen und uns - jetzt, in der Gegenwart - von uns selbst entfremden?

Die Antwort liegt paradoxerweise in der absolut NORMALEN Funktion des Verstandes, die als Dissoziation bekannt ist und die eine universelle, menschliche Reaktion auf extreme Angst oder Schmerz darstellt.

Glücklicherweise erlaubt uns die Dissoziation in traumatischen Situationen emotionale Gehalte von unserem Wachbewusstsein zu trennen. Auf diese Weise haben wir, abgetrennt von unseren Gefühlen, eine gute Chance die Qual zu überleben oder das zu tun, was wir tun müssen: einen kritischen Moment durchzustehen, in dem unsere Emotionen uns nur im Weg stehen würden.

Die Dissoziation dient dazu, dass eine Person ein kontinuierliches traumatisches Ereignis so erlebt als ob er/sie ein Beobachter wäre. Diese Trennung der Emotionen von Gedanken und Handlungen - die Beobachterperspektive - kann ihn/sie davor bewahren, vollkommen überfordert zu sein.

Eine gemäßigte dissoziative Reaktion - z.B. nach einem Autounfall - wird typischer Weise ausgedrückt als: „Ich fühlte mich, als ob ich mich selbst beobachtete als ich das durchlebte. Ich hatte nicht einmal Angst.“

Die Dissoziation ist während eines Traumas extrem anpassungsfähig; sie ist eine Überlebensfunktion.

Das Problem tritt erst später zutage: noch lange nachdem die Qual zu Ende ist, kann die Tendenz von sich selbst abgekoppelt zu sein erhalten bleiben.

Unsere alten Ängste und Schrecken trainieren uns dazu dissoziativ zu sein und uns durch kurze psychologische Auszeiten von der Realität ein Gefühl der Sicherheit zu verschaffen, wenn die Realität zu furchterregend oder schmerzhaft ist. Doch können uns diese mentalen Auszeiten auch später begegnen, sogar dann wenn wir sie nicht brauchen oder wollen oder sie als solche erkennen. Indem wir durch alte Traumata „trainiert“ und daran „gewöhnt“ wurden, dissoziert zu sein, entfernen wir uns von uns selbst. Auch die uns nahestehenden Personen entfernen sich auf diese Weise von sich selbst und diese nicht erkannten psychologischen Abwesenheiten richten in unserem Leben Schaden an.

So ist es nicht überraschend, dass die Überlebenden von extremen psychologischen Traumata an extremen dissoziativen Reaktionen leiden.

Meinen Trauma-Patienten zuzuhören hat mir nicht nur erlaubt, die Dissoziation selbst zu verstehen, sondern auch wie man sie überwinden kann. Dadurch fing ich an an die Möglichkeit zu glauben, dass wir alle im Kontakt mit der Realität bleiben und wirklich GESUND werden können. Wenn Trauma-Überlebende lernen können die Realität ihrer Erinnerungen gegenwärtig zu halten, wenn sie sich der Hingabe daran verschreiben ihr Leben auf bewusste und sinngebende Weise zu leben, dann können das auch Menschen tun, die keine solche extremen Traumata durchlebt haben.

Die mentale Realität - [wie sie darauf programmiert wurden, die Welt wahrzunehmen] - von Überlebenden von extremen Traumata ist voll von Gewalt und Verletzung, natürlichen Dämonen und unnatürlichen Handlungen. Ich frage mich täglich, wie diese Leute den Mut dazu finden weiter zu leben. Solche Individuen leben in einer Welt, in der jemandem zu vertrauen KEINE Option ist. Darüber hinaus wird die eigene Fantasie zu einem Stalker, dem man nicht entrinnen kann. Wann immer ein Mensch mit solch einer inneren Landschaft derart todmüde wird, dass sie/er in seiner Wachsamkeit nachlässt und seine Abwehrmechanismen ein wenig herunterfahren, dann öffnet sich eine andere Tür zu Erinnerungen, die genau die Dinge freilegen, die sie/er nicht ertragen können. Diese „Dinge“ sind für jeden unterschiedlich, doch sie schweben immer an der aüßeren Grenze des Terrors.

In seiner Wachsamkeit nachzulassen ist zugleich das was der Trauma-Überlebende am schmerzlichsten ersehnt und was er gleichzeitig auf wachsamste Weise vermeidet. Es ist ein Universum aus Angst und Erschöpfung - insbesondere Erschöpfung - und die Menschen versuchen fast alles, egal wie irrational, um es aufhören zu lassen. ...

Doch nach der Genesung, nachdem sie sich dazu entschieden haben weiter zu leben, beginnen oft genau diese Menschen ein wahres Leben zu leben - leidenschaftlich, auf eine Art, wie viele andere Menschen es nie schaffen. Überlebende verkörpern Extreme der menschlichen Erfahrungen, so dass alltägliche Miseren ihnen fremd sind.

Erstens ist ihr Schmerz viel schlimmer als unsere alltägliche Misere; um so viel schlimmer, dass es für die meisten Menschen nicht nachvollziehbar wäre. Und später, nach der Genesung, ist das alltägliche Übel einfach nicht akzeptabel. Das Leben muss eine leidenschaftliche, bewusste Reise sein, da es ansonsten der Bemühungen zum Überleben nicht wert wäre.

Überlebende stellen unvermeidlich ganz bestimmte Fragen. Kümmert sich irgendjemand wirklich um andere? Ist Liebe nur ein Wort? Ist es auf diesem Planeten möglich auch nur irgendetwas unter Kontrolle zu haben? Ist es in Ordnung, wenn man nicht alles unter Kontrolle hat? Birgt das menschliches Leben, mit seinem Schmerz und seiner Verletzlichkeit, etwas Lohnenswertes?

Diese Fragen werden nicht philosophisch gestellt, nicht aus dem relativ unbeteiligten Blickwinkel, den wir anderen manchmal genießen, sondern vielmehr aus der Position der intensiven und alltäglichen persönlichen Relevanz heraus.

Am lehrreichsten in all dem ist vielleicht die wiedererlangte enge Beziehung eines Traumaüberlebenden mit etwas, das für viele Menschen die entferntesten philosophischen Konzepte darstellen: Wahrheitsbewusstsein. Dieses Bewusstsein ist lebensbringend. Dass Dissoziation und Benommenheit tödlich sind, ist eine Lektion, die der genesene Überlebende bis in die Knochen hinein gelernt hat. Es ist die Lektion, die den missionarischen Funken zündet. Sie stellt das Vertrauen wieder her und macht das Leben zu einer durchführbaren Option. Und obwohl die Wende ironisch erscheinen mag, ist es genau diese Lektion, die viele von uns nicht tief genug gelernt haben, um authentisch zu leben zu können.

Stellen Sie sich vor, Sie sind in Ihrem Haus - nein - Sie sind in Ihrem Haus eingesperrt und können nicht hinaus. Es ist mitten im Winter. Der zugewehte Schnee steht höher als Ihre Fenster und blockiert das Licht von sowohl Mond und Sonne. Um das Haus herum raunt Tag und Nacht der Wind.

Nun stellen Sie sich vor, dass, obwohl Sie eine Menge an elektrischen Lampen und eine sehr gute Zentralheizung haben, Sie sind fast immer im Dunkeln und frieren, weil etwas mit dem altmodischen Sicherungskasten aus dem Keller nicht in Ordnung ist.

Innerhalb diesem von Spinnweben bedeckten, harmlos aussehenden Kasten brennen die Sicherungen immer wieder aus und wegen dieser kleinen Störung fällt die Stromversorgung im Haus ständig aus. Sie haben so viele von diesen geschmolzenen Sicherungen ersetzt, dass nun ihre kleine Taschen mit neuen Sicherungen leer geworden ist; es gibt keine mehr. Sie stoßen frustriert einen Seufzer aus und betrachten ihren gefrorenen Atem im Licht der Taschenlampe. Ihr Haus, das so behaglich sein könnte, ist so kalt wie eine Grabkammer.

Aller Warscheinlichkeit nach ist etwas an diesem antiquierten Sicherungskasten sonderbar; er hat eine Art unnötige Anspannung entwickelt und reagiert nicht wirklich auf irgendeine gefährliche, elektrische Überlastung. Sollten Sie etwas Geld in die Hand nehmen und die ausgebrannten Sicherungen austauschen? Das würde das Problem des Stromausfalls lösen. Keine Kurzschlüsse mehr, nicht mit den Kupfermünzen, die jetzt drin sind. Doch die Nutzung der Münzen ruiniert die Schutzfunktion des Sicherungskastens. Was wenn die Verkabelung im Haus tatsächlich irgendwie überlastet ist? Das könnte einen Brand verursachen, wahrscheinlich wird das auch schließlich passieren. ... Sie können sich schon fast den Rauch in Ihren Nasenlöchern vorstellen.

Gehen Sie nun also zurück nach oben und sitzen endlos im dunklen Wohnzimmer herum, besiegt, benommen von der Kälte, obwohl Sie sich unter alle Decken im Haus verkrochen haben? Kein Licht zum Lesen, keine Musik, nur das Pfeifen und das Klappern des Eiswinds draußen? Oder würden Sie im Versuch sich menschlicher zu fühlen, die Dinge warm und gemütlich machen? Ist es vernünftig mit dem Unglück und dem heulenden Schmerz zu spekulieren? Wenn Sie den Strom wieder einschalten, würden Sie nicht in jeder wachen Minute den nicht-existierenden Rauch riechen? Wie würden Sie jemals riskieren ins Bett zu gehen?

Sabotieren Sie den Sicherungskasten?

Ich glaube, dass die meisten von uns nicht wissen können, was wir in so einer Situation, die eine scheinbar ausweglose Entscheidung erfordert, tun würden. Dennoch weiß ich, dass jeder, der sich von einem psychologischen Trauma erholen will, genau diese Art von Dilemma konfrontieren muss. Und solche Dilemmas sind viel entsetzlicher, da die Umstände nicht annähernd so lösbar sind als würde man in einem Haus eingesperrt sein. Vielmehr beinhalten sie eine einsame, unverschließbare Gefangenschaft innerhalb der Grenzen des eigenen Verstandes.

Die Person, die an schweren traumatischen Störungen leidet, muss zwischen Überleben in einer ärmlichen Misere von Benommenheit und Frustration und einer Gelegenheit, die sie zu einem besseren Leben führen könnte, entscheiden. Doch das klingt nach einer offenen Einladung zum entsetzlichen Horror, der darauf wartet sie lebendig zu verschlingen. Und so wie es sich einem echten Helden gebührt, muss er/sie sich entscheiden das Risiko einzugehen.

Trauma verursacht Veränderungen im Gehirn selbst. Wie der veraltete Sicherungskasten beherbergt das psychologisch traumatisierte Gehirn unerklärliche Überspanntheiten, was dazu führt, dass das Gehirn überreagiert - genauer gesagt, fehl-reagiert - auf die aktuellen Realitäten des Lebens. Diese neurologischen Fehlreaktionen werden errichtet, weil Trauma einen tiefgreifenden Effekt auf die Sekretion von solchen Stresshormonen wie Noradrenalin hat und somit unterschiedliche das Gedächtnis betreffende Gehirnareale, insbesondere die Amygdala und den Hippocampus, beeinflusst. ...

Wenn die Amygdala eine überwältigende emotionale Wichtigkeit registriert, so führt das tatsächlich zu einer Reduzierung der hippokampalen Aktivierung, so dass einiges vom traumatischen Input weder durch den Hippocampus auf sinnvolle Weise geordnet, noch mit anderen Erinnerungen integriert werden. Das Ergebnis ist, dass Teile der traumatischen Erinnerungen nicht mehr als Teile eines geschlossenen Ganzen, sondern als isolierte sensorische Bilder und körperliche Empfindungen gespeichert werden, die weder zeitlich noch situativ lokalisiert, noch in andere Ereignisse integriert sind.

Einem Trauma ausgesetzt zu sein kann temporär die Region der linken Gehirnhälfte abschalten. Die linke Gehirnhälfte übersetzt Erfahrungen in Sprache und mit ihrer Hilfe berichten wir anderen von unseren Erfahrungen und SOGAR UNS SELBST.

Eine steigende Anzahl an Forschungen deutet darauf hin, dass das Gehirn auf diese Weise traumatische Erinnerungen anders als normale Erinnerungen aufzeichnet.

Solche Erinnerungsfragmente sind wortlos, ortlos und ewig; und lange nachdem die Erinnerungen an das ursprüngliche Trauma verblasst sind, können die Aufzeichnungen des Gehirns nur aus isolierten und völlig anonymen Stückchen von Emotion, Bild und Empfindung bestehen, die in der Person wie eine kaputte Alarmanlage widerhallen.

Noch schlimmer ist, dass wenn die betroffene Person später im Leben in Situationen gerät, die dem Trauma vage ähneln - vielleicht einfach, weil sie erschreckend, angstbesetzt oder emotional erregend sind - wird auf die durch die Amygdala vermittelten Erinnerungsspuren viel schneller zugegriffen als auf die vollständigeren, weniger schrillen Erinnerungen, die durch den Hippocampus und die Großhirnrinde bereits integriert und modifiziert wurden. Auch wenn konsolidierte und aktualisierte Erinnerungen hilfreicher in der Gegenwart sein würden, sind die Erinnerungen der Amygdala zugänglicher und die „Erinnerung“ an das Trauma kann zu unpassenden Zeiten auftauchen, auch wenn kein Risiko besteht, dass solchen Alarm rechtfertigen würde.

Als Reaktion auf relativ gewöhnlichen Stress kann die vor langer Zeit traumatisierte Person sich wirklich so fühlen, als ob die Gefahr wieder unmittelbar bevorsteht, und von Emotionen, körperlichen Empfindungen und vielleicht sogar von den Bildern, Geräuschen und Gerüchen überschüttet werden, die einst mit der großen Bedrohung einher gingen.

Im nächsten Moment wird dann die seit langem tief verwurzelte dissoziative Reaktion auf den Fehl-Notfall ausgelöst, um die Person vom unerträglichen Trauma aus der Vergangenheit zu schützen. Das kann Empfindungen von Bewegung in einem unbehaglichen dunstigen Traum erschaffen oder die Person kann für eine Weile 'sich selbst verlassen'. Das Handeln wird dabei fortgesetzt, aber unbewusst.

Die meisten von uns bemerken diese Erfahrungen nicht besonders. Sie sind mehr oder weniger unsichtbar für uns, während wir unserem Alltag nachgehen. Und so verstehen wir nicht wie viel des täglichen Lebens tatsächlich in der Vergangenheit verbracht wird - als Reaktion auf die dunkelsten Momente, die wir erlebt hatten. Genauso wenig wissen wir wie „sumpfig“ und kraftsaugend einige unserer Erinerrungen wirklich sind. Da der Sumpf unseres geteilten Bewusstseins im Laufe des Lebens immer tiefer wird, gewinnen solche schützenden mentalen Reaktionen gewaltig an GEWOHNHEITSKRAFT. Diese übergeübten Muskeln können uns wegtragen, auch wenn KEINE traumatischen Erinerrungsfragmente hervorgerufen wurden. Manchmal kann Dissoziation passieren wenn wir einfach verwirrt, frustriert oder nervös sind, ob wir uns unserer Abwesenheit bewusst sind oder nicht.

Typischerweise werden nur die Menschen mit den verzweifelsten Traumageschichten jemals dazu angetrieben ihre Abwesenheiten von der Gegenwart zu entdecken und vielleicht zu ändern.

Aufgrund unserer neurologischen Schaltung erfordert die Konfrontation vergangener Traumata alle diese Schrecken mental nochmal zu durchleben - in ihrer ursprünglichen Intensität, und sich zu fühlen ob der schlimmste Alptraum Wirklichkeit geworden ist und die Schrecken zurück sind.

All die autoritären Warnungen des Gehirns vor der Anwesenheit der Erinnerungen und der schmerzhaften Emotionen, all die defekten Sicherungen müssen absichtlich ignoriert werden, und in den Fällen von extremem oder chronischem Traumata ist dieser Prozess nicht weniger als heldenhaft.

Es hilft, wenn man einen sehr guten Grund dafür hat das zu probieren, so wie eine erstickende Depression oder irgendwelche andere dämonische psychologische Qual. Vielleicht ist es einer der Gründe, warum viele Philosophen und Theologen über Jahrhunderte hinweg einen solch starken Zusammenhang zwischen unerträglichem irdischem Leid und spiritueller Erleuchtung beobachtet haben. Dies ist eine zeitlose Beziehung, die von Psychologen rätselhafter Weise übersehen wurde.

Alle menschlichen Wesen haben die Fähigkeit psychologisch zu dissoziieren, auch wenn die meisten von uns sich dessen unbewusst sind und „außerkörperliche“ Episoden als jenseits der Grenzen unserer täglichen Erfahrungen betrachten. Tatsächlich hat jeder dissoziative Erfahrungen und die meisten von solchen Ereignissen sind ziemlich ordninär. Zum Beispiel sind viele Menschen völlig dissoziiert wenn sie sich einen Film anschauen. Sie versetzen sich im Grunde in eine Trance und identifizieren sich mit einer Figur aus dem Film. Am Ende des Films kann die Person dann bemerken, dass sie Popcorn verschüttet hat und sie wird sich plötzlich an alle Details ihres eigenen „realen Lebens“ erinnern.

Was hier geschehen ist ist, dass der Filmeschauer für eine kleine Weile einen Teil von sich selbst, der auf die alltägliche Realität fokussiert ist, von seinem imaginären Teil getrennt hat, so dass der imaginäre Teil die Führung übernimmt. Er/sie trennt [dissoziiert] einen Teil von sich selbst von einem anderen ab.

Einfach erklärt kann unter bestimmten Umständen, die von angenehmer oder unangenehmer Ablenkung bis hin zu Faszination, Angst, Schmerz, und Horror reichen, ein menschliches Wesen seiner eigenen direkten Erfahrung gegenüber psychologisch abwesend sein. Wir können irgendwoanders gehen. Der Teil des Bewusstseins, den wir fast immer als „Ich“ betrachten, kann für einige Augenblicke, Stunden oder sogar noch länger, einfach nicht da sein.

Die physiologischen Muster und die primären Verhaltensergebnisse von Ablenkung, Flucht, dissoziiertem Zustand und Trance sind nahezu identisch, unabhängig von der Methode. Die Unterschiede zwischen ihnen ergeben sich scheinbar nicht so sehr aus dem, wie das Bewusstsein als eine Form geteilt wird, sondern daraus, wie oft und wie lange man gezwungen ist die Teilung des Bewusstseins aufrechtzuerhalten.