Im September 2014 sind es 100 Jahre seitdem der erste europäische Konzentrationslager und faktisch der erste Todeslager in der Geschichte - Thalerhof - seine Arbeit begann. Sein Hauptziel war der Genozid der russischen Bevölkerung mit dem Ziel der Ukrainisierung einer Reihe der Gebiete der Westlichen Rus, die damals Österreichisch-Ungarischem Reich gehörten.

Ukrainismus - das ist eine besondere Ideologie, die nur formell nationalem Patriotismus gleicht und in Wirklichkeit eher der Gegensatz jeder anderen Ideologie dieser Art ist, denn sie ist begründet in der Ablehnung der Ur-Tradition. Und das ist in erster Linie mit der primär fehlenden ethnischen Identität verbunden, auf die sie sich stützen könnte und auf deren Basis sie eine Nation bauen könnte. Während sich in anderen Ländern die nationale Staatlichkeit auf der Basis der schon existierenden historischen Tradition des ethnischen und staatlichen Selbstbewusstseins aufbaute, so mussten die ukrainischen Nationalisten „bei Null anfangen“, das heißt, mit dem Einüben der neuen, früher nicht existierten Selbstbenennung und Selbstbewusstseins der eingeborenen Bevölkerung.

Bild
Genozid der Russen im Todeslager Thalerhof 1914 - 1917
Historisch hat sich so ergeben, dass Ende des 19. Jahrhunderts fast niemand in Galitschina und Bukowina sich für einen Ukrainer hielt - so nannte sich nur ein kleiner Kreis der Personen, die an der „ukrainischen“ politischen Bewegung teilnahmen. Ihre Ideologie in groben Zügen war - das russische Volk der Süd-Westlichen Rus ist ein ganz anderes Volk als das russische Volk, das in Nord-Östlicher Rus lebt, und deswegen braucht es einen anderen Namen und eigenes Bewusstsein. Seit den 1890-er wurden diese Ideen aktiv unterstützt und sogar offen durchgesetzt durch das offizielle Wien, denn sie erlaubten die prorussischen Stimmungen der Ostslawen des Reiches während der Verschlechterung der Beziehungen zu Russland und in Erwartung des großen Krieges zu überwinden.

Auf diese Weise war die ukrainische Bewegung, ohne eigene soziale Basis zu besitzen, seit ihren ersten Schritten in der Politik mit dem Austausch der traditionellen Identität der Bevölkerung beschäftigt, die sie beanspruchte zu vereinnahmen. Und der einzige Weg zur Erschaffung des neuen ukrainischen Volkes ist der Ethnozid der lokalen russischen Bevölkerung. Ukrainismus ist untrennbar vom Rusozid, denn er kann sich nur auf seiner Basis behaupten. Mehr noch, da nicht mal die durchaus harte ethnozide Praxis nicht ausreicht, um die Millionen von Menschen zu zwingen auf den Namen ihrer Vorfahren zu verzichten, braucht man für die Etablierung des ukrainischen Projekts zeitweise auch den direkten Genozid, also die physische Vernichtung der besonders Hartnäckigen. In unserer Zeit sehen wir, wie die Führung, die lange Jahre die ukrainische Ideologie in der Ex-USSR etablierte, zu der offenen Vernichtung der Einwohner von Donbass, die der gewaltsamen Ukrainisierung Widerstand leisten, überging. Der wichtigste Zug der Diskriminierungen, der ihren genozidalen Charakter zeigt ist, dass nicht nur die aktiven politischen und gesellschaftlichen Persönlichkeiten vernichtet werden sollen, sondern die ganze Bevölkerung - mit Kindern, Frauen, Alten. Deswegen soll der massenhafte Beschuss der Wohnbezirke nicht wundern - die Vernichtung der friedlichen Einwohner und ihre Vertreibung aus der Ukraine ist das wichtigste Ziel der durchgeführten militärischen Handlungen.

Der Jahrestag von Thalerhof erinnert unsere Gesellschaft, dass die Politik des Ethnozids der Russen schon sehr lange durchgeführt wird. Die ersten großflächigen Aktionen dieser Art fanden vor hundert Jahren im Österreichisch-Ungarischen Reich statt, und die Vorbereitung darauf lief einige Jahre. Die Welle der Verhaftungen begann 1909. Schon bald wurde die Tätigkeit der meisten russischen Organisationen gestoppt, die russischen Abgeordneten waren aus dem Parlament verjagt und alle, die der prorussischen Sympatien verdächtigt wurden, wurden bei der Polizei registriert. Sich Russisch und Orthodox zu bezeichnen wurde als Staatsverrat interpretiert. Man muss vermerken, dass die Zuneigung zu der alten Identität und Religion nicht immer mit der Moskwophilie einherging, denn sie stammte aus der Treue der einheimischen Tradition und nicht aus der geopolitischen Orientierung. Aber für die Wiener Führung war alleine die Zugehörigkeit zu der mit Russland gleichen Tradition schon gefährlich und wurde daher als verbrecherisch erklärt. Am häufigsten wurde gegen die „Russophile“ die Anklage der Spionage zu Gunsten Russlands erhoben, obwohl es klar war, dass es keine Tausende Spione geben kann. Eine andere, für diese Kampanie typische Beschuldigung war - „Propaganda des orthodoxen Glaubens“. Es wurde eine Reihe öffentlichkeitswirksamer politischer Gerichtsprozesse durchgeführt. Seit dem Anfang des Jahrhunderts lief in allen russischen Gebieten des Imperiums eine massenhafte Rückkehr der Uniaten zu dem orthodoxen Glauben und Wien beschloss sich diesem Prozess mit den härtesten Mitteln zu widersetzen. Das Zeitalter der religiosen Kriege schien schon längst Vergangenheit zu sein, aber in dem Österreichisch-Ungarischen Reich waren die Verfolgungen wegen „falschem Glauben“ noch im XX Jh. die Norm.

Doch wirklich massenhaft wurden die Repressionen erst mit dem Beginn des Krieges. In der ersten Etappe wurden sie nach den Listen durchgeführt, die von der Polizei auf Basis der Berichte über die politisch unzuverlässige Bürger erstellt wurden. Diese Berichte wurden einige Jahre davor von den polnischen und ukrainischen Aktivisten aktiv zugeschickt. In den ersten Kriegstagen wurden nur in Lwow ca. zwei Tausend Russophile verhaftet. Bald befand sich ein wesentlicher Teil der russischen Intelligenz in Gefängnissen. Zu Tausenden wurden auch Bauer verhaftet, obwohl die Vernichtungen der Dorfbevölkerung größtenteils direkt am Ort durchgeführt wurden.

Um solch eine Anzahl der Staatsverrats Verdächtigten in Gewahrsam zu halten, waren die Gefängnisse nicht genug, und es wurde beschlossen die Konzentrationslager zu organisieren. Der erste solche Lager entstand in Thalerhof, unweit der Stadt Graz in Steiermark. Bei dem Bau der Konzentrationslager wurde die Erfahrung der Engländer genutzt, die als erste diese Neuerung während des zweiten Anglo-Buren Krieges zur Jahrhundertwende eingeführt hatten. Der Thalerhof wurde jedoch zum ersten europäischen Konzentrationslager. Bemerkenswert, dass, wie auch in Afrika, die österreichischen Lager weniger für die Kriegsgefangenen oder Verbrecher als für die Isolierung und Vernichtung der Bevölkerung gedacht waren, die verdächtigt wurde Sympatien für den Gegner entwickeln zu können.

Die erste Lieferung der Verhafteten kam am 04.September 1914 nach Thalerhof, am nächsten Tag nach der Besetzung von Lwow durch die russische Armee. Später entstand noch ein Lager für die Russophile - in der Teresienstadt (Terezin) in Nordböhmen. Er befand sich in den besseren Bedingungen - in einer Burg. Viele Insassen von Teresienstadt wurden später nach Thalerhof versetzt, wo es bis zum Winter 1915 nicht mal Baraken gab - die Insassen schliefen auf der Erde.

Im Konzentrationslager wurden Tausende der Einwohner von Galizien, Bukowina, Pokarpatskaja Rus und Lemkowschtschina untergebracht, die der prorussischen Sympatien verdächtigt wurden. Es gab sogar Fälle, wenn ganze Dörfer verhaftet wurden. Unter den Insassen waren viele Frauen und Kinder. Die Gesamtanzahl der Insassen in der Zeit vom 4.September 1914 bis zum 10.Mai 1917 gemäß den Mindestschätzungen betrug über 20 Tausend Menschen, einige Tausend davon starben. Die Insassen wurden ständig geschlagen und gefoltert, es wurden regelmäßig Hinrichtungen durchgeführt. Im Lager wurde eine Reihe neuer Hinrichtungsarten entwickelt (wie, zum Beispiel, eine Art Aufhängen an dem Pfosten), die danach dann öfters in solchen Einrichtungen im Laufe des nächsten Weltkrieges genutzt wurden. Die Menschen starben massenhaft wegen der herrschenden furchtbaren unhygienischen Bedingungen. Im Winter 1914-1915 passiert die Typhus-Epidemie. Die Erschaffung der Epidemien für die Vernichtung der Insassen wurde schon bald auch für polnische Konzentrationslager für die Gefangene Rotgardisten, aber die Erfahrungen von Thalerhof waren die ersten.

Ende 1915 haben die deutschen Streitkräfte das Ostgalizien zurückerobert. Nach dem Rückzug der russischen Streitkräfte verschärften sich die Repressionen. Massen von Galizien-Einwohner flüchteten nach Russland. Die Massenflucht über die Grenze war für Wien von Vorteil, denn damit wurde das Hauptziel - die Bereinigung Galiziens vom prorussischen Element - erreicht. Die Grenze zwischen „Ukrainer“ und „Russophil“ zog sich oft zwischen Brüder oder Generationen der selben Familie und die Repressionen betrafen auf eine oder andere Weise fast die ganze ostslawische Bevökerung der Region. Insgesamt wurden 30 bis 40 Tausend Russophile in die Lager verschickt und die Gesamtzahl der Repressierten betrug nach den Daten des Thalerhof-Almanachs über 120 Tausend Menschen. In der ländlichen Gegend hat die österreichische Armee jedoch nicht selten ganze Dörfer vernichtet, und diese Opfer sind nicht bei den Repressierten berücksichtigt.

Thalerhof-Lager wurde am 10.Mai 1917 geschlossen, schon bei dem neuen Kaiser. Karl I schrieb in seinem Reskript, dass seine Insassen nicht schuldig waren, sondern genau dafür verhaftet wurden, um nicht schuldig zu werden. Als Ergebnis dieser Genozid-Kampanie halbierte sich der Anteil der Ostslawen in Lwow und die ukrainische Bewegung, die den Hass zu allem russischen schürte, verwandelte sich aus einer marginalen in eine herrschende Erscheinung.

In der Zwischenkriegszeit war in Lwow das Thalerhofkomitee tätig, das aus den ehemaligen Insassen der österreichischen Konzentrationslager bestand. Sein Ziel war die Kriegsverbrechen zu dokumentieren und das Gedenken an Genozid zu festigen. Das Komitee schaffte vier Ausgaben des Thalerhof Almanachs, in dem die Erzählungen und Erinnerungen der Zeugen der Tragödie veröffentlicht wurden. 1928 wurde in Lwow das Thalerhof Museum gegründet. Am Tag der Lagereröffnung feierte die russische Gemeinde in Lwow die Thalerhof-Gedenktage.

Später, während der Sowjetmacht waren solche Veranstaltungen nicht mehr möglich. In Polen in der Zeit zwischen den Kriegen, als die Spaltung unter den Ostslawen für die Machthabenden von Vorteil war, war das Verhältnis der Menschen, die russisches bzw. ukrainisches Selbstbewusstsein besassen, ungefähr ausgeglichen, davon zeugen die Volkszählungen von 1931. Die kommunistische Regierung hat jedoch der „altrussischen Bewegung“ einen endgültigen und vernichtenden Schlag zugefügt. Es wurden alle russophilen Organisationen geschlossen, die meisten Aktivisten der russophilen Richtung wurden entweder repressiert oder waren gezwungen ins Ausland zu fliehen. Nach der Umsiedlung der meisten Polen hinter die Grenze zu Polnischer Volksrepublik, schuf die Kommunistische Partei und die UdSSR fast rein ukrainische Galizien - so eine, von der nicht mal die radikalen ukrainischen Nationalisten der vorigen Jahrzehnte zu träumen wagten.

Jetzt befindet sich an der Stelle des Konzentrationslagers der Flughafen Graz-Thalerhof, und seine Oberfläche ist fast so geglättet wie das historische Gedächtnis der Galizianer. Noch 1934 wurde in Lwow auf dem Friedhof Lytschakow ein bescheidenes Denkmal den Opfern von Thalerhof aufgestellt, das man jetzt noch sehen kann. Aber die heutigen Lwower gehen nicht mehr hin. Sogar die Absolventen der hiesigen historischen Fakultät sind überrascht, wenn sie über Thalerhof hören. Er ist aus dem Gedächtnis der Einwohner ausgelöscht. Die totale Ukrainisierung, die während der Sowjetmacht passierte, ließ keinen Platz für dieses Gedächtnis, denn dieses Gedächtnis an sich wäre eine Bombe unter dem ukrainischen nationalen Projekt.

Man muss doch an dieser Stelle gerechtigkeitshalber einen Beschluss der Obersten Rada der Ukraine erwähnen, der im Oktober 2004, im Vorfeld der „Orangen Revolution“ verabschiedet wurde - „Über den 90-jähriges Jubiläum der Tragödie im Konzentrationslager Thalerhof“, in dem recht ehrlich geschrieben wurde: „Dann verübte die Führung des Österreichisch-Ungarischen Reiches die Repressionen gegen die Bürger des Reiches, die sich als Rusine und als Teil des einheitlichen russischen Volkes empfunden haben“. Laut diesem Dokument wurde die Durchführung der Veranstaltungen geplant, um das Gedenken an die Opfer des Terrors zu verewigen. Die weiteren Ereignisse öffneten jedoch eine andere Seite in der Geschichte der modernen Ukraine, in der sie sich schon gar nicht mehr mit den unbequemen Daten ihrer Geschichte auseinander setzt. Das 100-jährige Jubiliäum war der Ukraine keine, nicht mal formale und offizielle Aussagen, wert.

In Russland ist das Gedenken an den ersten europäischen Konzentrationslager, der dazu bestimmt war die Menschen, die dem russischen Selbstbewusstsein und orthodoxen Glauben treu blieben, durch Folter und Töten umzuerziehen, nur für einen kleinen Teil der informierten Gemeinde aktuell. Die Bemühungen der wenigen Aktivisten die Bürger Russlands über die Geschichte dieser Tragödie aufzuklären und ihre Jahrestage zu gedenken haben bis jetzt kaum erwartete Ergebnisse erzielt.

Es gilt, dass es insgesamt ca. 60 Tausend Tote während des damals durchgeführten Terrors gab, wobei niemand bis jetzt die genauen Zahlen nennen kann. Es muss aber anerkannt werden, dass dieser Genozid durchaus erfolgreich war, was man an seinen Ergebnissen sieht. Der Russophilie, Orthodoxie und traditionellen Identität in Galizien und teilweise in den Nachbarsgebieten wurde ein vernichtender Schlag zugefügt. Leider zeugt die Geschichte für die heutigen Aktivisten der ukrainischen Bewegung nur über die Effektivität solcher Maßnahmen.

Die Ereignisse im Südosten zeigen, dass auch in unserer Zeit der Ukrainismus sich auf den neuen Territorien etablieren kann und zwar genau so - durch die Vernichtung der „besonders Widerstandsfähigen“. Und zum 100 Jahrestag von Thalerhof sehen wir, wie eine in Ideen und in Methoden ähnliche Kampanie in einer anderen Region der Ukraine durchgeführt wird, jetzt an ihrem entgegengesetzten Ende. Und wenn sie erfolgreich sein wird, dann wird sich in einigen Jahrzehnten kaum jemand daran erinnern, dass man mal in Donbass russisch gesprochen hat.