Die Polizei von Chicago betreibt seit Jahren einen geheimen Ort für spezielle Verhöre. Vermeintliche Gauner oder Terroristen, die sie dorthin verschleppt, verschwinden für die Außenwelt: Keine Protokolle, keine Spuren, keine Anrufe beim Anwalt. Die Verschleppten lösen sich einfach in Luft auf - bis sie irgendwann wieder auf der Straße oder in offiziellen Polizei-Revieren registriert werden.

Secret Police Interrogation Site Homan Square Chicago
© Kopp Online
Das Geheim-Quartier, ein ehemaliger Speicher im Stadtteil »Homan Square« im Westen von Chicago, wird in den kommenden Wochen weltweit traurige Berühmtheit erlangen, wenn die hiesigen Leitmedien sich erst einmal bequemen, darüber zu berichten. Dann wird klar werden, in welchem Ausmaß unter Barack Obama das Rechtssystem in den USA weiter ausgehöhlt und mit Füßen getreten wurde.

Vor dem geheimen Verhör-Block in Chicago stehen militärische Fahrzeuge. Drinnen wird beliebig Gewalt angewendet, um den Festgesetzten - die bei längeren Aufenthalten auch in Käfigen gehalten werden - ein Geständnis zu entwinden. Meist soll es sich um arme Amerikaner mit dunkler Hautfarbe handeln.

Was wir hier haben, ist Guantanamo 2.0, diesmal in den USA selbst. Und der Bürgermeister der Stadt, Rahm Emanuel, ist ehemaliger Stabschef von Barack Obama.

Der britische Guardian hat die geheime Verhör-Zentrale für westliche Leser ans Licht gebracht.»Wenn Du da drin landest«, verriet einer derjenigen, die gesetzlos dorthin verfrachtet wurden - ein Mann namens Brian Jacob Church - »dann weiß niemand, was Dir zugestoßen ist.«

Church ist der einzige »Ehemalige«, der den Mut hatte, dem Guardian von seinen Erfahrungen im Homan Square zu berichten. Offizielle Unterlagen gibt es über den - jetzt nicht mehr so - geheimen Block der Polizei von Chicago nicht. Wer drinnen ist, hat ist für Freunde, Familie und Anwälte schlicht verschwunden.

Dem Guardian ist es gelungen, in einer Untersuchung über geheime und kriminelle Machenschaften der örtlichen Polizei neben dem Augenzeugenbericht von Church auch einige Angaben von diversen Anwälten zu bekommen, deren Klienten vorübergehend im Homan Square festgehalten wurden.

Diese Anwälte und Church, der hier gefesselt fast einen Tag lang zubrachte, haben der Zeitung berichtet, dass den Insassen im Homan Square systematisch die Grundrechte entzogen werden, dass es über Aufenthalte an diesem Ort keine Einträge in die einschlägigen Datenbanken der Polizei gibt und dass brutal zugeschlagen wird.

Insassen sind selbst bei intensiver Suche für die Außenwelt nicht aufzufinden. Die Zeugen des Guardian berichten von Verhören mit Jugendlichen, die erst 15 waren, und von einem leblosen Mann, der später starb. Brian Jacob Church gehörte einer Gruppe von Aktivisten mit dem Namen »Nato Three« an. Er landete 2012 nach einer Razzia in der Geheim-Baracke.

Ihn erinnerte der Ort während seines Verhörs an geheime CIA-Quartiere im Nahen Osten, wie er sie aus Filmen kennt. Der Guardian zitiert die Anwältin Julia Bartmes mit der Aussage, es sei
»ein offenes Geheimnis unter Anwälten, die Klienten oft in Polizeistationen besuchen müssen, dass jemand, den man nicht mehr finden kann, sehr wahrscheinlich am Homan Square gelandet ist.«
Anfragen der britischen Zeitung zu dem geheimen Verhör-Komplex hat die Polizei von Chicago - wen wundert es - zunächst nicht beantwortet. Erst als die Zeitung mehrmals nachgehakt hatte, kam eine Reaktion. In diesem Ort ereigne sich nichts »Ungehöriges.«

Als Church verhaftet wurde, fand das in US-Medien zwar ein breites Echo. Aber 12 Stunden lang war damals niemand in der Lage, seinen Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Das erzählte seine Anwältin Sarah Gelsomino, dem Guardian.

Erst nach einer Beschwerde im Büro von Bürgermeister Rahm Emanuel erhielt ein Anwalt Zugang. Doch die anderen Anwälte, die das britische Blatt interviewte, gaben an, dass sie zwischen 2009 und 2013 am Eingang zu dem Komplex stets abgewiesen wurden.

Laut der Schutzvereinigung »Chicago´s First Defense Legal Aid« wurde der Name eines Verdächtigen, der im Januar 2013 in der Verhör-Baracke landete, zuvor in der zentralen Verhaftungs-Datei von Chicago geändert, bevor man ihn zum Homan Square brachte.

Der Mann wurde später nach Angaben seiner Anwältin mit Kopfverletzungen in ein Krankenhaus gebracht. Er schickte der Frau ein Bild von seiner Verletzung. Die Anwältin hatte ihren Mandanten kurz vor der Verschleppung in einem Polizei-Revier gesehen - mit unversehrtem Kopf.

Wer im Archiv der lokalen Zeitung »Chicago Tribune« nach Berichten über den Homan Square sucht, findet eine Meldung vom Februar 2013.Damals starb ein 44 Jahre alter Mann während des Polizei-Gewahrsams am Homan Square. Er sei leblos in einem Verhör-Raum entdeckt worden, hieß es dazu. Ärzte diagnostizierten später eine Überdosis Heroin. Der Tod des Mannes wurde offiziell als »Unfall« eingestuft.