Der ehemalige Gestapo-Chef der französischen Stadt Lyon, Klaus Barbie, hat während seines Aufenthalts im bolivianischen Exil enge Beziehungen zur Drogenmafia unterhalten und den blutigen „Kokainputsch“ von General Luis García Meza 1980 unterstützt. Zu diesem Ergebnis kommt der bolivianische Journalist Boris Miranda in seinem kürzlich in der Zeitschrift „Nueva Sociedad“ erschienenen Essay. Mit der paramilitärischen Gruppe „Los Novios de la Muerte“ (Die Bräutigame des Todes) habe Barbie ab Ende der siebziger Jahre die Geschäfte der bolivianischen Mafia geschützt und zur Machtübernahme Mezas beigetragen.

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© C1.STATICFLICKR.COM LIZENZ: CC BY-ND 2.0Klaus Barbie 1987 in Lyon vor Gericht. Verurteilt zu lebenslanger Haft wegen Verbrechen gegen die Menschheit
In den Jahren 1942 bis 1944 leitete Barbie die Lyoner Gestapo. Dort ermordete der als besonders sadistisch berüchtigte Folterer auch den Anführer der französischen Résistance, Jean Moulin, und ließ 44 jüdische Kinder eines Heims verhaften und deportieren - unter vielen anderen.

Nach Kriegsende arbeitete der „Schlächter von Lyon“ ab 1947 für den Geheimdienst des US-Militärs, der ihn entgegen des Auslieferungsgesuchs der Franzosen auf der sogennanten „Rattenlinie“ 1951 nach Südamerika schleuste, wie ein Bericht des US-Justizministeriums belegt.


Kommentar: Er war bei weitem nicht der einzige hochrangige Nazi, der nach dem zweiten Weltkrieg für die US-Regierung gearbeitet hat:

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© C1.STATICFLICKR.COM LIZENZ: CC BY-ND 2.0Barbies bolivianischer Militärausweis als Oberstleutnant ad honorem, unter dem Namen Klaus Altmann Hansen, etwa 1980
Seit 2011 ist bekannt, dass Barbie im Exil Zugang zu geheimdienstlichen Informationen der USA und der Bundespublik Deutschland hatte. Auch ist er für das Jahr 1966 auf der Gehaltsliste des Bundesnachrichtendienstes (BND) zu finden. Zu diesem Zeitpunkt hatte Barbie bereits mit anderen NS-Verbechern ein Netzwerk für illegale Rüstungsimporte aus Europa etabliert, um rechte Diktaturen in Lateinamerika mit Waffen zu versorgen, wie die von Hugo Banzer Suárez (1971 - 1978) und Luis García Meza (1980 - 1981) in Bolivien.

Laut Boris Miranda, der sich auf eigene Interviews mit ausgewählten Zeitzeugen beruht, formierten sich die gefürchteten „Novios de la Muerte“ aus Neonazis, NS-Flüchtlingen und anderen Militärs um Klaus Barbie Ende der 1970er Jahre. In dieser Zeit habe sich die Oberschicht an den internationalen Krediten Boliviens bereichert und Landbesitz im Osten des Landes anhäufen können, wo der Großteil des illegalen Koka angebaut wurde. Ab etwa 1978 gehörte die Gruppe von Barbie, die vorort in Santa Cruz der Terrorist Joachim Fiebelkorn anführte, zur bewaffneten Speerspitze des Kartells um Drogenbaron Roberto Suárez. Dessen Ehefrau, Ayda Levy, berichtet in ihrem Buch „El Rey de la Cocaína“ (Der König des Kokains) von gemeinsamen Reisen ihres Mannes mit Klaus Altmann alias Barbie, unter anderem nach Medellín, Kolumbien, der Heimat des Drogenhändlers Pablo Escobar. Ihr Sohn, Gary Suárez, bestätigte gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa): „Barbie hatte eine sehr enge Verbindung zu meinem Vater Und mein Vater zu Escobar.“

Barbie stellte sich unter Hugo Banzer auch als Ausbilder und Berater der Sicherheitskräfte in den Dienst des Innenministeriums. Ein Amt, das er nach dem „Kokainputsch“ vom 17. Juli 1980 wieder bekleiden sollte, diesmal unter Innenminister Luis Arce Gómez, dem Cousin von Roberto Suárez. Aus Ayda Levys Ausführungen geht hervor, dass der Drogenbaron vor und nach dem Putsch engsten Kontakt zu Luis García Meza pflegte und allein den Putsch mit fünf Millionen US-Dollar finanzierte.

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© ARCHIVOS.BOLIVIA.INDYMEDIA.ORGUndatierte Aufnahme der „Novios de la Muerte“. Untertitelt: „Die Bräutigame des Todes. Paramilitärische Gruppe“
Die Aussagen eines Mitglieds der „Novios de la Muerte“, die 1982 in der italienischen Zeitschrift Panorama veröffentlicht wurden, bietet weitere Details. Demnach habe Barbie die Gruppe vor dem Staatsstreich aufgesucht und mitgeteilt: „Der Zeitpunkt ist gekommen. Es ist nötig, die Regierung zu stürzen bevor sich Bolivien in ein großes Kuba verwandelt. Zusammen mit den anderen ausländischen Kameraden erledigen wir einen Dienst der Sicherheit.“ Die Gruppe habe daraufhin begonnen, gewerkschaftliche Demonstrationen zu besuchen, um „Subversive“ auszumachen, sie zu „bedrohen oder zu züchtigen“. Der Hauptauftrag habe darin bestanden, das Zentrum der Stadt Santa Cruz einzunehmen und „aufständische Kräfte zu zerschlagen“. Am Tag des Putsches seien sie zu „wichtigen, aber nicht sehr blutigen Aktionen geschickt“ worden.

Barbie wurde nach dem Ende der Diktaturen 1983 in Bolivien verhaftet und nach Frankreich ausgeliefert. Dort wurde er 1987 vor Gericht gestellt. Ihm wurde unter anderem die Deportation von 842 Menschen vorgeworfen. Er wurde wegen Verbrechen gegen die Menschheit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und starb 1991 im Gefängnis von Lyon.

Dieser Artikel ist zuerst auf amerika21.de erschienen. Er wird im Rahmen einer Content-Partnerschaft auf rtdeutsch.com publiziert.