Jahrzehntelang war es nur ein Gerücht: Waggons mit Schätzen der Nazis sollen irgendwo in Polen vergraben sein. Nun wurde mit Geo-Radarbildern ein Zug geortet. Sogar Experten staunen.
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© dpaEin alter Mienenschacht bei Walbrzych. Liegt hier in der Nähe der legendäre Nazi-Zug?
Seit etwa zwei Wochen ist die westpolnische Kleinstadt Walbrzych in Aufregung: Zwei Männer wollen auf dem Gebiet des einstigen Waldenburg einen Zug aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs gefunden haben. Sofort wurde spekuliert: Ist es der sagenumwobene Goldzug der Nazis, der 1945 auf dem Weg von Breslau nach Walbrzych verschollen sein soll? Angeblich schafften die Nazis damals riesige Schätze, vor allem Gold und Kunst in Waggons, um die Kostbarkeiten vor der herannahenden Roten Armee in Sicherheit zu bringen. Sie kamen nie an ihrem Bestimmungsort an.

In Walbrzych wird die Legende des verschollenen Zuges von Generation zu Generation weitergegeben. Und immer wieder kommt sie hoch, weil irgendjemand behauptet, irgendetwas gefunden zu haben. Roman Wojcik, ein Einwohner der Stadt sagt zum Beispiel: "Wissen Sie, die Geschichte gibt es schon seit 50 Jahren. Ich habe sie schon so oft gehört. Ich bin skeptisch, ob sie ihn diesmal wirklich gefunden haben." Viele glaubten, dass es auch diesmal wieder so sei. Aber plötzlich scheint es, als ginge es um mehr als ein Gerücht.

Am Donnerstag meldete sich Polens oberster Denkmalschützer Piotr Zuchowski mit einem sensationellen Befund: "Ich habe Geo-Radarbilder in guter Qualität gesehen", erklärte er am Freitagnachmittag bei einer Pressekonferenz im Kulturministerium in Warschau. Es sei zu "99 Prozent sicher", dass es den Zug wirklich gibt.

Einer der Männer, die den Zug einst versteckten, soll dessen Standort auf dem Sterbebett verraten haben. Was genau die Waggons enthalten, darüber gibt es bisher keine Angaben. Dennoch fordern die Entdecker schon 10 Prozent Finderlohn. Ob sie jemals etwas bekommen, ist ebenso ungewiss wie das Meiste an der Nachricht von ihrer Entdeckung. Unstrittig ist bisher nur, dass der Zug und dessen Inhalt Eigentum des polnischen Staates sind.

Gold, Gemälde - oder Bomben?

Der Zug habe eine Länge von 100 Metern und sei gepanzert, sagte Denkmalschützer Zuchowski bei der Pressekonferenz. Und: "Panzerzüge wurden in dieser Zeit benutzt, um außergewöhnlich wertvolle Dinge zu transportieren", sagte Zuchowski. Gleichzeitig bremst er die Euphorie: "Der Zug kann Wertgegenstände enthalten, aber genauso können es gefährliche Materialien oder Dokumente sein."

Die Entdecker sind bis heute nicht in der Öffentlichkeit aufgetreten. Nur Jaroslaw Chmielewski, der Anwalt der beiden gibt über sie Auskunft: "Sie sind sehr kompetent, gebildet. Sie arbeiten in Polen und zahlen hier Steuern. Sie haben ein großes historisches Wissen." Es soll sich um einen Deutschen und einen Polen handeln.

Schon seit Tagen wird in Walbrzych über den genauen Standort des Zuges spekuliert. Diverse Experten und Hobbyschatzsucher vermuten ihn nahe der Bahnstrecke von Breslau nach Walbrzych zwischen dem 61. und 65. Kilometer. Dort soll es früher Tunnel gegeben haben, in denen der Zug versteckt worden sein könnte.

Das scheint plausibel, denn ganz in der Nähe dieses Streckenabschnitts liegt Schloss Fürstenstein. Hitler hatte große Pläne für diesen Ort. Es gibt ein Dokument mit der Überschrift "Raumbedarf Schloss Fürstenstein" in dem unter anderem ein Arbeitszimmer und ein Schlafzimmer für Hitler geplant sind. Auch für seine Minister waren Zimmer vorgesehen. Deshalb wird angenommen, dass der Fürstenstein ein weiteres Führerhauptquartier werden sollte.

Hitlers geheimes "Projekt Riese"

Unter dem Schloss gibt es ein Tunnelsystem, dass die Nazis dort von Zwangsarbeitern haben bauen lassen. Der erforschte Teil hat eine Fläche von 3000 Quadratmetern. Doch Magdalena Woch von der Tourismus-Abteilung des Schlosses betont: "Wir haben noch nicht alles erforscht." Es sei sehr gut möglich, dass es noch versteckte Gänge und Tunnel gebe.

Schon lange wird gemutmaßt, unter dem Schloss könne auch ein Zugsystem in den Fels gebaut worden seine. Gleise wurden bisher zwar nicht gefunden, aber die Gänge sind teilweise so groß, als seien sie für ein Bahnsystem vorgesehen gewesen.

Und es gibt Gerüchte, dass einst ein Tunnel von der oberirdischen Bahnstrecke Breslau-Waldenburg bis in die Gänge unter dem Schloss geführt habe. Möglicherweise wurde diese Verbindung nie fertig gestellt. Doch die Deutschen könnten den Zug auch in eine rohe Tunnelröhre umgeleitet haben, um ihn vor der herannahenden Roten Armee zu verstecken. Dann könnten die Eingänge gesprengt worden sein, möglicherweise sogar der ganze Tunnel, um die Spuren zu beseitigen.

Genaueres über den Fundort wollte Zuchowski nicht sagen und er warnte Hobby-Schatzsucher davor, auf eigene Faust nach dem Zug zu suchen — dieser könne vermint sein. Bisher gibt es jedoch keine Berichte darüber, dass die Nazis ihre Schätze etwa durch Minen gesichert hätten. Doch selbst wenn nicht: Vielleicht transportierte der Zug Waffen und Munition, die schließlich ebenfalls Sprengstoffe enthalten können.


Kommentar: Oder am Ende ist es überhaupt gar kein Zug.


Biotop für Hobby-Historiker und Schatzsucher

Es ist aber fraglich, ob Hobby-Schatzsucher überhaupt so einfach zu dem riesigen Fund vordringen könnten. Durch eine Sprengung wäre dieser wahrscheinlich tief unter Felsen und Erde begraben. Das würde auch erklären, wie es möglich ist, dass der Zug 70 Jahre lang nicht gefunden wurde.

Die Tageszeitung Gazeta Wyborcza zitierte schon vor einigen Tagen anonym einen Mann, der behauptet, die Entdecker zu kennen. Er sagt: "In dem Zug gibt es keine Diamanten, nur Gold und Wolfram. Diese Leute haben ihn mit Hilfe eines Geo-Radars bei Walbrzych gefunden. Sie haben einige Jahre daran gearbeitet. Am tiefsten Punkt sind die Wagons 70 Meter unter der Erde. Wahrscheinlich sind sie vermint."

70 Meter wird keiner der Schatzsucher tief graben. Trotzdem ist der Goldrausch ausgebrochen in Walbrzych. Das Geheimnis, das so lange um den Ort und sein Schloss herrscht, hat hier eine ganz eigene Szene mit einer hohen Dichte von Hobby-Historikern und Schatzsuchern entstehen lassen.

Gibt es noch einen zweiten Zug?

Die Stadt ist voller Geschichten, die genährt werden durch die Überbleibsel der Deutschen: Die geheimnisvollen Tunnel von Schloss Fürstenstein und die Stollen des sogenannten Projekts Riese, ein komplexes System, dass die Nazis ganz in der Nähe, im Eulengebirge schufen.

Und selbst wenn es für die meisten Schatzsucher jetzt zu spät sein dürfte, um den legendären Zug noch zu finden: Der Goldrausch in Walbrzych könnte gerade erst begonnen haben. Denn im Ort erzählt man sich, dass es zwei Züge gegeben haben soll. Das Wissen darüber ist ähnlich vage wie über den aktuellen Fund - aber eben dieser könnte belegen, dass an den Geschichten der Großväter, an Mythen und Gerüchten eben manchmal doch etwas dran ist.

Doch um Gewissheit zu haben, muss der Zug nun erst einmal ausgegraben werden. Einen Zeitplan gibt es dafür noch nicht. Noch eine Weile darf also spekuliert werden.