Großmütter sind unverzichtbarer Beziehungskitt. Sie helfen gestressten Eltern nicht nur als Babysitter. Eine Studie zeigt, dass vermutlich erst sie lange Paarbeziehungen ermöglicht haben.
Oma und Baby, Großmutter Baby
© CorbisUnverzichtbar: Großmutters Unterstützung der Famlie
Was jedem jungen Elternpaar mit der Geburt des ersten Kindes klar wird, haben jetzt auch Forscher mit Hilfe von Computersimulationen dingfest gemacht: Die Oma ist die Stütze der Partnerschaft. Sie habe möglicherweise eine entscheidende Rolle dafür gespielt, dass der Mensch überhaupt so ausdauernd in Paarbeziehungen lebe, berichten Wissenschaftler im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences.

Hinter diesem Phänomen soll der sogenannte Großmutter-Effekt stehen. Er liefert eine Erklärung, warum Frauen nach Ende ihrer fruchtbaren Zeit noch so lange leben. Aus biologischer Sicht macht das zunächst keinen Sinn. Doch die Unterstützung der Großmütter bei der Versorgung kleiner Kinder war immens wichtig und erhöhte deren Überlebenschancen massiv. In der Folge setzten sich während der Evolution die Gene von Familien durch, in denen die Omas besonders lange lebten.

Erhöhte Lebenserwartung

Die These der Forscher lautete: Helfende Omas haben Männer dazu gebracht, sich fest an eine Frau zu binden. Um sie zu überprüfen, simulierten die Anthropologen gemeinsam mit Statistikern und Mathematikern die Entwicklung einer Gemeinschaft mit und ohne den Einsatz von Großeltern.

Das Ergebnis: Über 30.000 bis 300.000 Jahre hinweg sorgte der Großmutter-Effekt für einen immer größeren Männerüberschuss. Kamen anfangs noch 77 zeugungsfähige Männer auf 100 gebärfähige Frauen, waren es am Ende 156. Der immer größere Überschuss hängt mit der erhöhten Lebenserwartung der Frauen zusammen. Sie können zwar ab einem gewissen Alter keine Kinder mehr bekommen und fallen damit als potenzielle Mütter aus. Männer hingegen können auch in höherem Alter noch Vater werden. Wie sollten sie mit dieser veränderten Situation umgehen?

Die Simulation zeigte, dass eine feste Paarbindung Männern deutlich höhere Aussichten auf viele Nachkommen verschaffte als wechselnde One-Night-Stands. "Der männliche Überhang im Geschlechterverhältnis machte eine Partnerbindung für Männer zu einer besseren Strategie als die Suche nach zusätzlichen Partnerinnen", sagt Kristen Hawkes von der University of Utah in Salt Lake City. Es habe einfach zu viele andere Typen als Konkurrenten gegeben. "Es sieht so aus, als ob der Großmutter-Einsatz für die Entstehung der Paarbindung ausschlaggebend war", erklärt sie.

Zu viele Männer

Manche Anthropologen allerdings vertreten eine andere Erklärung - die Jäger-These: Danach hat sich die Paarbindung vor allem dadurch entwickelt, dass jagende Männer die Frau und gemeinsame Nachkommen verlässlich versorgen konnten. Hawkes hält dagegen: "Der Schlüssel, warum Mamas schneller weitere Babys bekommen können, ist nicht Daddy, der den Schinken nach Hause bringt, sondern Oma, die beim Füttern der abgestillten Kinder hilft."

Ihre Großmutter-Hypothese hatten Hawkes und ihre Kollegen nach Feldforschungen vor fast 20 Jahren beim Volk der Hazda im Norden Tansanias entwickelt. Bei den als Jäger und Sammler lebenden Hazda halfen die Omas tatkräftig mit, die bereits abgestillten Kleinkinder mit ausgegrabenen Wurzeln und Knollen zu ernähren. Die Kinder konnten noch nicht selbst nach Nahrung graben, ihre Mütter aber hatten oft schon einen neuen Säugling an der Brust.

Rolle von Opas?

In einer weiteren Studie 2012 verglich Hawkes dann in Hochrechnungen den Großmutter-Effekt der Hazdas mit den Lebensspannen großer Menschenaffen. Selbst wenn man Hirngröße oder Jagdverhalten herausrechnete, wurde der Effekt sichtbar: Stellen die Großmütter keine wichtige Hilfe dar, sterben die weiblichen Mitglieder der Gruppe meist schon wenige Jahre nach Ende ihrer Fortpflanzungsfähigkeit.

Die menschliche Lebensspanne hingegen habe sich im Verlauf von nur 24.000 bis 60.000 Jahren um 25 bis 49 Lebensjahre verlängert, so die Forscherin. Der Grund liegt für sie auf der Hand: "Länger lebende Großmütter helfen mehr." Einen Großvater-Effekt hingegen konnten die Forscher noch nicht ausfindig machen.

khü/dpa