Multiple Sklerose: Ernährung beeinflusst die Entstehung und den Verlauf
Nerven, Synapsen
© ag visuell/fotolia.comDie richtige Ernährung kann bei der Behandlung von Multipler Sklerose helfen.
Der Verlauf von Multipler Sklerose (MS) kann durch die Ernährung maßgeblich beeinflusst werden. Langkettige Fettsäuren fördern die Entstehung und Vermehrung von entzündlichen Zellen in der Darmwand, während „kurzkettige Fettsäuren zur Entstehung und Verbreitung von regulatorischen Zellen des Immunsystems“ führen, berichten Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum von ihren aktuellen Studienergebnissen. Ergänzend zu der herkömmlichen Behandlung könnte demnach eine gezielte Umstellung der Ernährung eingesetzt werden, um der chronisch-entzündlichen Autoimmunerkrankung entgegenzuwirken.

Der menschliche Darm mit seiner bakteriellen Besiedlung, dem so genannten Mikrobiom, steht laut Mitteilung der Ruhr-Universität Bochum im Fokus der medizinischen Forschung bei zahlreichen neurologischen Erkrankungen wie beispielsweise der Multiplen Sklerose. Vermehrt seien wissenschaftliche Hinweise zu dem Einfluss des Mikrobioms auf die Krankheitsentstehung und den Krankheitsverlauf entdeckt worden, wobei die Interaktion mit dem Immunsystem eine zentrale Rolle spiele. Diese Interaktion werde durch unterschiedliche Einflussfaktoren bestimmt. Die drastischen Veränderungen der Ernährung in den modernen Industrienationen im Verlauf der letzten Jahrzehnte könnten demnach eine maßgebliche Bedeutung bei dem vermehrten Vorkommen bestimmter Krankheiten spielen. Allerdings lassen sich den aktuellen Ergebnissen der Wissenschaftler zufolge diätische Maßnahme möglicherweise auch zur Behandlung von Erkrankungen wie MS einsetzen.

Langkettige und kurzkettige Fettsäuren

Gemeinsam mit Forschern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen haben die Wissenschaftler der Neurologischen Kliniken der Ruhr-Universität Bochum in einer Kooperationsstudie untersucht, welchen Einfluss Fettsäuren in der Nahrung auf die Entstehung und den Verlauf von autoimmun chronisch-entzündlichen Erkrankungen haben. Sowohl bei Versuchen in Zellkulturschalen als auch im experimentellen Modell habe sich gezeigt, „dass langkettige Fettsäuren wie die Laurinsäure die Entstehung und Vermehrung von entzündlichen Zellen in der Darmwand fördern“, so die Mitteilung der Ruhr-Universität. Im Gegensatz dazu hätten kurzkettige Fettsäuren, allen voran die Propionsäure (oder deren Salz Propionat), zur Entstehung und Verbreitung von regulatorischen Zellen des Immunsystems in der Darmwand beigetragen. Solche regulatorischen Zelle können sowohl überschießende Entzündungsreaktionen als auch autoreaktive Zellen, die körpereigenes Gewebe schädigen, unterdrücken, berichten die Forscher.

Mikrobiom bestimmt die Wirkung der Fettsäuren

Auf einen Zusammenhang zwischen der Wirkung der Fettsäuren und dem vorhandenen Mikrobiom deutete laut Aussage der Wissenschaftler die Tatsache hin, dass die Beobachtungen im Tierexperiment sich nicht bestätigten, sobald der Darm völlig keimfrei war. „Dies spricht für eine direkte Beteiligung des Mikrobioms an der Entfaltung der Fettsäure-Wirkung“, berichtet die Ruhr-Universität. Weitere Untersuchungen hätten gezeigt, „dass die Effekte der Fettsäuren weniger auf die einzelnen Keime des Mikrobioms zurückzuführen sind, sondern eher über Stoffwechselprodukte der Bakterien vermittelt werden.“ Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Immunity veröffentlicht.

Diäten zur Stärkung regulatorischer Zellen

Das Ungleichgewicht zwischen den (geschwächten) regulatorischen und den autoimmun-entzündlichen Immunmechanismen spielt laut Aussage der Forscher eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von MS und anderen Autoimmunerkrankungen. Aus diesem Grund setze die überwiegende Mehrheit zugelassener Therapien gezielt auf eine Schwächung beziehungsweise Blockierung der pro-entzündlichen Komponente des Immunsystems. Allerdings wäre auch eine Stärkung der regulatorischen Komponenten denkbar wie beispielsweise mittels Propionat als Zusatz zu den etablierten Medikamenten, berichten die Wissenschaftler. Dies könnte ihrer Ansicht nach zu einer deutlichen Verbesserung der Therapie beitragen.

(fp)