Kasparow bei Schachturnier
© ReutersDer ehemalige Schachmeister Garri Kasparow (R) während eines Tuniers in Valencia, Spanien, September 2009.
Moderne westlich gesinnte russische Liberale wie Garri Kasparow wollen die herkömmliche Meinungsfreiheit, die man aus der Verfassung kennt, offenbar zu einer Freiheit veredeln, nur noch das "Richtige" zu sagen. Gegenüber Le Figaro eröffnet er einen Blick in ungeahnte Abgründe.
Nehmen Sie den Sender Russia Today, der ein wichtiges Propagandawerkzeug geworden ist, und nicht aufhört, falsche Informationen zu verbreiten. Fangen Sie damit an, ihn zu verbieten und damit diese Propaganda auszulöschen. Das wird ein guter Anfang sein.
Diese markigen Worte stammen von Garri Kasparow, dem ehemaligen Schachweltmeister und erbitterten Gegner des Kremls. Die französische Zeitschrift Le Figaro hat sie letzte Woche publiziert, nachdem sie ihn bereits vor fünf Jahren in ihren Spalten zu Wort kommen ließ: Damals kündigte der Schachstratege an, dass die Position des russischen Präsidenten auf dem besten Wege sei, merklich schwächer zu werden.

Dieses Mal muss man Herrn Kasparow für seine Offenheit danken. Selbst unter den verbissensten Gegnern Moskaus haben es nur wenige gewagt, ganz offen schlicht und ergreifend ein Verbot von RT zu fordern. Nun kann man in verschiedener Art und Weise auf diesen Wagemut reagieren.

Man kann sich über eine so offen vorgebrachte freiheitsfeindliche Versuchung legitimerweise empören. Man kann auch auf das amüsante Paradox hinweisen, dass ein in so liebenswürdiges Projekt in Sachen Pressefreiheit ausgerechnet von einem selbst ernannten Kämpfer für die "Menschenrechte" verkündigt wurde.

Man kann auch darüber lächeln, wie ein Herold des westlichen Lagers die "falschen Nachrichten" ganz im Sinne der aktuellen Hysterie anprangert, die Russland dunkelster Methoden der "Desinformation" zeiht. Doch gerade, was das betrifft, brauchen die führenden westlichen Politiker, Institutionen und Medien ihre überragende Kompetenz und Leistungsstärke gar nicht erst unter Beweis zu stellen.

Vom ersten Irak-Krieg 1991 bis zur offenen Strategie eines Sturzes des syrischen Präsidenten, die 2011 in Kraft trat, kann man die von den verantwortlichen Politikern und den ihnen angeschlossenen Medien geförderten Interventionen und Lügen gar nicht mehr zählen. Im Jahr 1999 gab der Sprecher einer NATO, die damals am Krieg gegen Jugoslawien beteiligt war, mit zynischer Arglosigkeit den seither berühmten Satz von sich:
Die Meinung formt man.
Man kann aber vor allem auf die Geisteshaltung achten, die seit einigen Wochen die globalisierten Eliten ergriffen hat - und die bei einigen ihrer Infanteristen offenbar auch zum vollständigen Verlust des Realitätssinns führen kann. Insbesondere seit Donald Trump gewählt wurde, scheinen sie einen scharfen Wind der Veränderung zu spüren, der durch ihr neoliberales Puppenhaus bläst. Jeder Tag birgt ein neues Quantum an Erklärungen, aus denen nicht nur Beunruhigung, sondern fast schon beginnende Panik spricht. Neben vielen anderen rutschte jüngst Manuel Valls, als er kürzlich über seine Angst vor der sich abzeichnenden "Allianz zwischen Trump und Putin" sprach, heraus:
Das ist das Ende der Welt.
Schließlich kann man aber auch über die Mahnung von Herrn Kasparow nachsinnen, die im Zusammenhang mit seinem Aufruf zum Verbot von RT mit den Worten abschloss: "Das wird ein guter Anfang sein."

Nur hat unser geschätzter Kollege vom Figaro leider nicht die Neugierde besessen, den Schachmeister zu fragen, was auf diesen "guten Anfang" denn folgen könnte. Ein gefährlicher Zug?

Oder aber der Anpfiff zum Endspiel für die liberale Weltordnung?