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Was gerade in Syrien geschieht, fühlt sich an wie einer der letzten Atemzüge im Zeitalter der Militärdiktatoren. Eine alte Herrscher-Clique ist verzweifelt bemüht, sich an der Macht zu klammern. Das Gefühl, das wir im Westen haben ist, dass Assads grausame Militärherrschaft unweigerlich zusammenbrechen wird, und dass die Syrer endlich im demokratischen Zeitalter ankommen werden.

Was immer auch passieren wird, es ist außergewöhnlich, dass wir schon einmal hier gewesen sind. Zwischen 1947 und 1949 wollte eine Gruppe von Idealisten und Realisten der US-Regierung in Syrien intervenieren. Ihr Ziel war es, das syrische Volk von einer korrupten Elite zu befreien und damit echte Demokratie gedeihen zu lassen. Sie taten dies, weil sie überzeugt waren, dass "das syrische Volk natürlich demokratisch" sei und alles, was nötig wäre, um die Demokratie zu verwirklichen und damit "Frieden und Fortschritt" einzuführen, würde schon von selbst auftauchen.

Das Ergebnis war eine Katastrophe, und die Folgen dieser Katastrophe führte dann zum Aufstieg der Assad-Familie.

1968 schrieb ein CIA-Agent namens Miles Copeland ein Buch mit dem Titel The Game of Nations. 1947 war Copeland Teil eines Beratungsteams in Washington, welches eine Antwort auf die Bedrohung des Kommunismus im Mittleren Osten suchte.

In Syrien standen 1947 Wahlen an. Die Amerikaner entschieden sich dafür, sich hier und da ein wenig einzumischen.

Dazu gehörten Warnungen an Grundeigentümer, Arbeitgeber und Polizeichefs. Diese sollten ihre Wähler nicht einzuschüchtern versuchen. Die amerikanischen Ölkonzerne stellten große Plakate auf, die den Leuten sagten, sie sollen "für den Kandidaten ihrer Wahl stimmen." Doch offenbar hatte diese Aktion alle Syrer verwirrt, weil die Plakate nicht erwähnten für welchen Kandidaten sie stimmen sollten. Hunderte von Taxis wurden angeheuert, um die Wähler kostenlos zu den Urnen zu bringen. Zudem brachten die Amerikaner automatische, nicht manipulierbare Wahlmaschinen.

Es kam wie es kommen musste! Die Landbesitzer und andere Eliten ignoriert alle Warnungen und schüchterten jedermann ein. Es gab Schießereien mit Dutzenden von Toten. Die Taxifahrer machten mit verschiedene Kandidaten Geschäfte, damit ihre Passagiere für den "richtigen" stimmten. Die Wahlmaschinen funktionierten nicht richtig oder wurden sabotiert.

Doch am schlimmsten war, dass die meisten der pro-amerikanischen Kandidaten zu anderen fremden Mächten überliefen. Die Amerikaner hatten sich nämlich edel geweigert, diesen Kandidaten Geld zu zahlen. Das taten nun die Russen, die Franzosen und die Briten. Sie kauften sich die Loyalitäten der Kandidaten. Somit war die Idee der Demokratisierung Syriens im Keim erstickt worden.

Die Amerikaner waren aufgeregt. So beschlossen sie, sie müssten noch weiter gehen. Der Chefdiplomat in Damaskus hieß James Keeley. Die Lösung die er vorschlug, war eine Art "Quarantäne" zu schaffen, um das Volk vor verderblichen Kräften zu bewahren.

Und der Weg, um dieses "Quarantäne" zu schaffen, war ein Militärputsch. Nach Copeland glaubte Keeley, dass die USA die gegenwärtig gewählten Führer wieder loswerden und für eine kurze Zeit der Diktatur einführen müsse, um das syrische Volk zu schützen. Damit würde es möglich werden, in wenigen Jahren eine echte unabhängige Demokratie entstehen zu lassen.

Und das ist genau das, was die Amerikaner getan haben. Im Jahr 1949 freundeten sie sich mit dem Leiter der syrischen Armee, Husni al-Za'im, an. Copeland war damals Teil des Political Action Teams. Völlig offen schrieb er darüber was nun folgte:
Das politische Aktions-Team schlug vor, dass Za'im einen Staatsstreich verüben sollte, beriet ihn und sagte ihm, wie man das macht und führte ihn durch die komplizierten Vorbereitungen, indem es für ihn den Grundstein legte... Za'im war 'der American boy'.
Im Gegenzug versprach Za'im den Amerikanern, er würde alle korrupten Politiker ins Gefängnis werfen, das Land reformieren, den neuen israelischen Staat anerkennen und dann eine richtige Demokratie bringen. Alle Amerikaner waren überzeugt, dass dies ein genialer Plan sei.

Der Coup war im März 1949 erfolgreich. Es war das erste Nachkriegs-Putsch im Nahen Osten überhaupt. Dieser große Erfolg wurde von den Amerikanern als "Öffnung der Tür zu Frieden und Fortschritt" gefeiert.

Die Freude war nur sehr kurzer Dauer. Za'im wollte auf einmal nichts mehr von Demokratie wissen und erwies sich als ein gewalttätiger Tyrann. Er wurde so schlimm, dass fünf Monate später eine Gruppe von Untergebenen sein Haus umzingelte und ihn mit Maschinengewehren in Stücke schoss. Wieder war eine Demokratisierung in Amerikas Gnaden gescheitert.

In den 1950er Jahren, als das parlamentarische System wiederhergestellt war, waren die Amerikaner bei den Politikern und den meisten Syrern so unbeliebt, dass sich das Land der Sowjetunion zuneigte, um wirtschaftliche Hilfe und Freundschaft zu bekommen. Gründe dafür waren die Interventionen der Amerikaner aber auch deren Unterstützung Israels.

Danach wuchs in Syrien die Baath-Partei heran. Baath heißt so viel wie Wiedergeburt. 1958 wurden Ägypten und Syrien als Vereinte Arabische Republik, angeführt von Gamal Abdel Nasser, verschmolzen.

Aufgrund weiteren Chaos in Syrien schlossen sich fünf junge Baath-Aktivisten zusammen und probten den Aufstand. Sie schufen ein geheimes Komitee innerhalb der Armee. Einer Verschwörer war Hafez-al-Assad.

Die Baath-Partei wurde sehr populär, gerade weil sie den Menschen versprach, sie aus der Hand ausländischer Interventionen und Kontrollen zu befreien. Aber in seltsamen Irrungen und Wirrungen der Machtkämpfe im Nahen Osten gelang es der Baath im Irak die Macht durch einen Staatsstreich, welcher zum großen Teil von der CIA organisiert und finanziert war, zu übernehmen. Und einer der Trumpfkarten der CIA in diesem Coup war ein bescheidenes Mitglied der Verschwörung namens Saddam Hussein.

Der Grund warum sich die Amerikaner beteiligten war einfach. General Qassim hing von den irakischen Kommunisten ab, um an der Macht zu bleiben. Die Baath-Partei hasste die Kommunisten, weil sie im internationalen Marxismus ihren größten Rivalen sah, um ihren Traum von der Einheit der arabischen Welt zu verwirklichen. Und die CIA wollte Im Irak die Kommunisten loswerden. Also, Bingo - warum nicht einfach der Baath-Partei helfen?

Viele Syrer begrüßten die Machtübernahme der Baath-Partei im eigenen Land, um endlich das Chaos und die Gewalt der letzten 20 Jahre loszuwerden. Sie hießen eine stabiles Regime Assads willkommen, da sie alle anderen Alternativen fürchteten.

Doch leider blieb es nicht friedlich in Syrien. 1982 bombardierte die Armee die Stadt Hama, weil Mitglieder der Muslimbrüder die Stadt zum Zentrum des Widerstandes gegen das Regime ausbauten. Beim Massaker von Hama starben etwa 30.000 Menschen. Neben der Bombardierung der Stadt hatte die Armee ganze Gebäude mit Bulldozern einebnen lassen, um die Feinde des Regimes auszumerzen.

Doch diese Aktionen waren nicht erfolgreich. Auch heute ist Hama wieder ein bedeutendes Zentrum im Widerstand gegen das Regime des Sohnes Assads.

Mit einer erschreckenden Naivität betrachtet der Westen die Aufstände im heutigen Syrien. Der Westen hat seine eigene Rolle, die zur heutigen Situation in Syrien geführt hat, längst vergessen.

In den späten 1940er Jahren wollten die USA die Syrer zu einer echten Demokratie führen, wodurch es zu einer Katastrophe kam. Während der Westen sich seiner Rolle nicht mehr bewusst ist, haben die Syrer bestimmt nicht vergessen, wem sie diese Situation zu verdanken haben.

Eine Demokratie, die dem Westen freundlich gesinnt ist, wird wohl kaum in Syrien einziehen.