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© Pedro Saura via Science / bris.ac.uk Handabbilder in der Höhle "El Castillo".
Bristol (USA) - Britische Forscher haben eine Neudatierung von Abbildungen in nordspanischen Bilderhöhlen durchgeführt und dabei festgestellt, dass einige der Handnegative und symbolischen Darstellungen mindestens 40.800 Jahre alt sind und damit die älteste bislang bekannte Form der Höhlenkunst in Europa überhaupt. Die Entdeckung stellt bislang gehegte Vorstellungen darüber, wie, wann und durch wen Kunst entstanden ist, in Frage.

Damit datieren die Darstellungen nicht nur rund 10.000 Jahre früher als bislang angenommen, sondern werfen auch die Frage auf, ob sie tatsächlich von den ersten anatomisch modernen Menschen Europas oder sogar von Neandertalern hinterlassen wurden.

Insgesamt 50 Abbildungen in 11 Höhlen, darunter in den als UNSECO-Welterbe geschützten Bilderhöhlen von Altamira, El Castillo und Tito Bustillo, wurde von dem Team aus britischen, spanischen und portugiesischen Wissenschaftlern um Dr. Alistair Pike von der University of Bristol untersucht.

Da traditionelle Datierungsmethoden wie etwa die C-14-Methode nicht anwendbar sind, wenn keine organischen Pigmente vorliegen, datierten die Wissenschaftler die Entstehung kleinster Kalziumkarbonat-Stalaktiten auf den Abbildungen und größerer bemalter Stalaktiten, in dem sie den radioaktiven Zerfall von Uranium darin datieren. Anhand dieser Untersuchung ergab sich ein Mindestalter der Kunstwerke.

Die Handabbilder und Scheiben auf den Wänden, beispielsweise in der Höhle von El Castillo wurden durch das Aufblasen von Farbe auf die Wand erstellt und erweisen sich mit einem Alter von mindesten 48.800 als die älteste Höhlenkunst Europas - datieren sie doch 5-10.000 Jahre vor den Werken in den berühmte französischen Bilderhöhlen.

In der Altamira-Höhle entdeckten die Forscher eine keulenförmige Darstellung mit einem Alter von mindestens 35.600 Jahren. Somit belegt der Fund, dass die dortige Kunsttätigkeit rund 10.000 Jahre früher begonnen wurde als bislang gedacht und das die Höhle damit insgesamt über 20.000 Jahre lang bemalt wurde.

"Die bisherigen Beweise dafür, dass moderne Menschen im nördlichen Spanien gelebt haben, datieren 41.5000 Jahre zurück", erläutert Dr. Pike. "Unsere Ergebnisse zeigen nun jedoch, dass die Kunst in den Höhlen deutlich älter ist. Das bedeutet entweder, dass moderne Menschen in dieser Region wesentlich früher angekommen waren als bislang bekannt und Kunst schon damals Teil ihrer Kultur war - oder, dass deren Kunstwerke erst in Konkurrenz mit den Neandertalern entstanden, die nun datierten Werke in Wirklichkeit also Neandertaler-Kunst sind."

Die Herstellung von Kunst wird von Wissenschaftlern als ein Meilenstein der Entwicklung der modernen Wahrnehmung und des symbolischen Verhaltens des Menschen betrachtet und gilt sogar als wichtiger Schritt hin zur Entwicklung der Sprache.

"Zwar gibt es bereits noch ältere Ausformungen von Kunst in Form von kopfförmigen Tonperlen gravierten Muschelschalen und Pigmenten in Afrika, die 70-100.000 Jahre alt sind, aber die weltweit ältesten Höhlenmalereien gibt es offenbar in Europa", so Pike.

Die Entstehung von Kunst führen die Wissenschaftler auf den Konkurrenzkampf um Ressourcen der frühen modernen Menschen mit den Neandertalern zurück, aus dem heraus sich eine gesteigerte Form kultureller Innovation und Gruppenbildung unter den frühen Menschen ergeben hat.

"Alternativ", so Pike, "das legen die Neudatierungen in Spanien nahe, könnte der Neandertaler schon vor der Ankunft des modernen Menschen die Kunst sozusagen erfunden haben. Das wäre eine fantastische Entdeckung, würde dies doch bedeuten, dass die Handbilder in den Höhlen jene von Neandertalern wären. Wir benötigen aber noch weitere Beispiele, um diese Theorie genauer überprüfen zu können."

Auch der Bilderhöhlenexperte Dr. Paul Pettitt von der University of Sheffield misst der Entdeckung große Bedeutung bei: "Bislang war unser Wissen über das Zeitalter der Höhlenkunst noch bestenfalls skizzenhaft. Jetzt ist es gelungen, die früheste europäische Höhlenkunst um Jahrtausende vorzudatieren - vorzudatieren in die Zeit der letzten Neandertaler und der ersten frühen modernen Menschen. Diese ersten Bilder zeigen keine Tiere. Dies legt nahe, dass die erste Form der Kunst non-figurativer Art war und das könnte wiederum wichtige Auswirkungen auf die Art und weise gehabt haben, wir Kunst sich entwickelt hat."