Am 7. Januar 2015 führte der iranische Sender Islamic Republic of Iran Broadcasting (IRIB) um 11.19 Uhr ein Interview mit KOPP-Autor Gerhard Wisnewski über den »Krieg der Kulturen«. Als die beiden Gesprächspartner etwa zehn Minuten später auflegten, geschah das Attentat auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris. Vor diesem Hintergrund sind die in diesem Interview getroffenen Aussagen besonders interessant. Deshalb dokumentieren wir es hier...

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IRIB: Herr Wisnewski, am 11. September 2001 hielt die Welt den Atem an. Wenige Ereignisse haben die Welt so erschüttert wie jene am 11. September 2001. Seitdem beobachten wir, dass ein Krieg den nächsten jagt und ein Konflikt den nächsten jagt. Fast das Ganze spielt sich leider Gottes in unserer Region, also in der Nahostregion, ab. Wie würden Sie die Welt nach dem 11. September 2001 beschreiben?

Wisnewski: Ja, das heißt, die Welt nach dem 11. September 2001 ist ja eigentlich das Ergebnis einer Prophezeiung, oder eigentlich: genauer müsste man sagen, einer Planung gewesen. Oder sie ist heute immer noch das Resultat einer Planung, nämlich von einigen Politik- und Strategie-Experten rund um das Pentagon, das National Security Council in den USA und rund um die so genannten Neokons, die den »Krieg der Kulturen« schon geplant haben etwa Anfang der 90er Jahre als Ablösung für den Ost-West-Konflikt - denn es war ja ganz klar, der Ost-West-Konflikt hatte für den Westen auch ganz große Vorteile: für die Rüstungsindustrie, für die Politiker, sie konnten das Volk unter Spannung halten.

Also, sie brauchten einfach einen Feind, und daher hat man statt des Ost-West-Konflikts Anfang der 90er Jahre den so genannten »Krieg der Kulturen« geplant. Wobei immer gesagt wird, ja, dieser »Krieg der Kulturen« oder der »Clash of Civilizations«, sei ja nicht geplant, sondern vorausgesagt worden von diesem berühmten Politikprofessor Samuel Huntington, der dieses Buch geschrieben hat, Clash of Civilizations, 1996. Und das Ganze hatte er aber schon drei Jahre vorher konzipiert, in einer Zeitschrift namens Foreign Affairs in den USA - den Clash of Civilizations.

Aber: Dieser Huntington war nicht nur ein, oder überhaupt nicht ein Prophet, sondern eigentlich ein Planer, ein strategischer Planer, ein politischer Planer und ein Kriegsplaner. Man findet ihn zum Beispiel als Koordinator des Weißen Hauses für Sicherheitsplanung in der Regierung Carter, also er ist ein klarer Planer gewesen und nicht irgendein Politikwissenschaftler. Das, was jetzt aufblüht bei Ihnen, im Nahen Osten, weltweit, aber sogar auch bei uns in Deutschland mit diesen ganzen Anti-Islam-Protesten, das was hier aufblüht ist die Saat, die Herr Huntington schon vor 20 Jahren gesät hat.

IRIB: Herr Wisnewski, Sie sagten einige Male in Ihren Ausführungen, dass man Krieg brauchte! Wozu brauchte man überhaupt Krieg, oder wozu braucht man immer noch Krieg?

Wisnewski: Also, der Krieg ist eigentlich das Lebenselixier für die globalen Eliten, die uns beherrschen - einmal aus finanziellen Gründen, also aufgrund der vielen Hundert Milliarden, die ein Krieg kostet, die Rüstung kostet. Der Krieg ist weiterhin nötig, um die Bevölkerung zu kontrollieren. Spannungen nach außen, Spannungen mit außenpolitischen Feinden, sind nötig, um die Bevölkerung zu kontrollieren, indem man der Bevölkerung klar macht, dass sie die politischen Eliten benötigt, sonst würde sie wehrlos den Feinden ausgeliefert sein. Und natürlich: Das allerwichtigste Motiv ist die »Expansion«. Auf westlicher Seite geht es jedenfalls um die Ausweitung der angloamerikanischen Weltherrschaft, und dieser Krieg wird nach Meinung dieser Leute erst zu Ende sein, wenn diese Weltherrschaft vollendet ist.


Kommentar: Strategie der Spannung:
Viele der älteren Europäer sollten mit der “Strategie der Spannung“ in Europa während des Kalten Kriegs vertraut sein. Die Strategie der Spannung wurde von amerikanischen und europäischen Agenten der Regierung eingesetzt und zielte darauf ab, die öffentliche Meinung zu spalten, zu manipulieren und zu kontrollieren, und zwar mittels Angst, Propaganda, Desinformation, psychologischer Kriegsführung, agents provocateurs, sowie Terroranschlägen unter falscher Flagge.

Die Theorie kam mit Anschuldigungen auf, die Regierung der USA habe zusammen mit der griechischen Militärdiktatur von 1967-1974 rechtsradikale Terroristengruppen in Italien und der Türkei - wo der Kommunismus immer beliebter wurde - unterstützt, um unter der Bevölkerung Panik zu verbreiten, die dann wiederum nach stärkeren und diktatorischeren Regierungen rufen würde. Es gibt keinerlei Grund anzunehmen oder zu glauben, dass die heutigen Regierungen weniger daran interessiert sind als damals, die Menschen durch Angst und Terror zu kontrollieren.


IRIB:
Herr Wisnewski, Sie haben noch etwas gesagt: Was sich in Deutschland derzeit abspielt, das heißt die Anti-Islam-Demonstrationen, hat auch damit zu tun. Wie wollen Sie dieses Verhältnis herstellen [die Verbindung zwischen Huntington und den Anti-Islam-Protesten in Deutschland].

Wisnewski: Ja, Huntington hat ja ganz klar gesagt, der Ost-West-Konflikt wird abgelöst durch einen Konflikt der Zivilisationen und Religionen, was man sich ja damals gar nicht vorstellen konnte. Mitte der 90er Jahre gab es in Europa praktisch keine Spannungen zwischen den Religionen, und das Ganze erschien vollkommen aus der Luft gegriffen. Aber genau das, was heute passiert, hat er vorhergesagt: den Konflikt zwischen den Religionen, der ja mittelalterlich erscheint.

Man darf ja nicht vergessen: Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts, der wissenschaftlichen und technischen Aufklärung. Plötzlich kam da so ein Professor daher und behauptete, wir würden sozusagen wieder mittelalterliche Religionskonflikte bekommen. Und tatsächlich flammen die nun hier auf in Deutschland. In den letzten Tagen und Wochen gab es hier verstärkt Demonstrationen gegen den Islam, und auf der anderen Seite auch Gegendemonstrationen. Da kann ich nur sagen: Da erfüllt sich eigentlich das Programm dieser strategischen Planer rund um Samuel Huntington.

IRIB: Und wen sehen Sie da als Hintermänner?

Wisnewski: Huntington hat sozusagen nur das Programm aufgestellt oder die Pseudotheorie geliefert und das wissenschaftlich verbrämt - diesen kommenden so genannten Krieg oder Clash der Zivilisationen. Besorgt wird das Geschäft ja von Praktikern, von Technikern wie beispielsweise in den Geheimdiensten, wo also Bombenanschläge fabriziert werden der einen gegen die andere Seite und so der Hass zwischen den einzelnen Kulturen geschürt wird.

Wir kennen ja diese Anschläge mit ungewissem Hintergrund, mit fragwürdigen Bekennerbriefen, die auf niemanden letztlich zurückführen. Da geht ganz viel auf das Konto der westlichen Geheimdienste, und das sind natürlich sozusagen die Handwerker oder Praktiker, die das dann in die Tat umsetzen und die so viel Hass schüren wollen, bis sozusagen irgendwann der Motor von selber läuft und der Krieg der Kulturen anspringt und von selber in Gang bleibt.

IRIB: Herr Wisnewski, das riecht aber nach einer Verschwörungstheorie.

Wisnewski: Ja, was ist denn eine »Verschwörungstheorie«? Das frage ich mich schon immer, was dieser Vorwurf bedeutet. Früher waren das ganz normale journalistische Recherchen, heute nennt man das »Verschwörungstheorien«. Wir dürfen ja eins nicht vergessen: Die Geheimdienste sind ja nichts weiter als große Verschwörerorganisationen, die vom Staat und vom Bürger auch noch bezahlt werden.

Niemand zieht sie zur Rechenschaft für ihr Tun, und was glauben Sie, was weltweit Millionen von Geheimdienstmitarbeitern im Untergrund tun? Das sind ja im Grunde genommen schon industrielle Verschwörungen, die wir hier vor uns haben - eine Verschwörungsindustrie. Und wer näher darüber nachdenkt, muss ja auch zu dem Schluss kommen, dass das ganz klar Realität ist, denn ich glaube nicht, dass diese paar Millionen Geheimdienstspezialisten nur Däumchen drehen.

IRIB: Herr Wisnewski, spielt hier auch Energie und Öl eine Rolle in dieser Überlegung?

Wisnewski: Ja, auf jeden Fall. Denn das Ziel Islam beispielsweise ist ja sehr wichtig aus verschiedenen Gründen: aus religiösen Gründen, aus kulturellen Gründen. Man möchte diese Kultur weg haben, die sehr stark auf konservativen Werten beharrt wie der Familie. Und zum anderen möchte man natürlich auch an die Ressourcen heran, die sich in islamischen Ländern befinden, wie beispielsweise die Öl-Ressourcen. Das heißt: Es ist ja immer so, dass solche strategischen Entwicklungen und solche strategischen Pläne multifunktional sind; man versucht immer, möglichst viele Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.

IRIB: Herr Wisnewski, welche Schlussfolgerungen sind überhaupt möglich?

Wisnewski: Ja - das ist ganz wichtig für uns zu wissen, damit wir hier nicht auf den falschen Zug aufspringen und uns benutzen lassen für irgendwelche Geostrategien von dubiosen geostrategischen Planern wie Huntington, den Neokons in den USA und so weiter. Man sollte sich schon überlegen, auch als Bürger hier in Deutschland, aber auch anderswo: Wem schließt man sich an und warum? Wer steckt dahinter? Wessen Geschäft besorgt eine bestimmte Bewegung überhaupt? Ist das wirklich so verlockend, wie es auf den ersten Blick aussieht, werden da wirklich meine Ängste und Sorgen aufgegriffen und ausgedrückt? Oder werde ich nicht doch nur zum willigen Werkzeug irgendeiner Geostrategie gemacht? Deswegen ist das schon sehr wichtig für jeden einzelnen Bürger, sich kurz zu überlegen, warum und wieso und wofür er auf die Straße geht.

IRIB: Wohin sollen diese Gedanken letzten Endes führen?

Wisnewski: Ich glaube - wenn Sie jetzt auf die Planungen von Huntington und anderen anspielen - , der Clash of Civilizations soll wirklich zum Religionskrieg und auch zum politischen Krieg ausarten, zwischen den westlichen Staaten beispielsweise und den islamischen Ländern. Sie wissen ja, dass schon ganz viele westliche Planer mit den Hufen scharren, bis sie endlich den Iran angreifen können.

Man möchte diesen Konflikt weiter hochkochen; hier in Deutschland beobachten wir das zur Zeit, wie er hochkocht, und es wird dann möglicherweise zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen und zu chaotischen Verhältnissen. Möglicherweise werden die Gesellschaften dabei auseinander brechen und aufgespalten werden und erst mal im Chaos versinken. Wir haben diese Beispiele ja auch schon beobachtet in Nordafrika, wo solche Revolutionen - wenn es denn dazu ausartet - , wo die dann enden: In einem »failed state« - in einem chaotischen Staat, wo kein Recht und kein Gesetz mehr herrschen. Denn natürlich kann ab einem bestimmten Punkt solcher Konflikte die Stabilität des Staates bedroht sein.

IRIB: Herr Wisnewski, als letzte Frage: Welche Möglichkeiten gibt es überhaupt, diesem Trend entgegenzuwirken?

Wisnewski: Also, ich glaube, die wichtigste Möglichkeit ist immer, nach den Verursachern zu fragen. Wir haben ja hier jetzt in Deutschland - von vielen wird das jedenfalls so wahrgenommen - eine so genannte Migrationskrise. Das heißt, eine Krise, die ausgelöst wird durch ganz viele Migranten, also Einwanderer, Asylsuchende und ähnliche, die nach Deutschland kommen, und das Wichtigste ist wirklich, nach dem Verursacherprinzip vorzugehen: Nicht auf diese einzelnen Menschen loszugehen oder sie zu kritisieren, sondern wirklich zu fragen: Wer hat denn diese Migrationskrise überhaupt ausgelöst, wer schickt diese Leute auf die Reise, wer redet ihnen ein, dass es hier das Paradies auf Erden gibt, wer bringt sie nach Deutschland und übrigens auch in viele andere europäische Länder.

Nach den Verursachern dieser Migrationskrise muss man mal fragen, denn auch die besorgen ja wieder das Geschäft des Clash of Civilizations. Wenn eine Gesellschaft beispielsweise von sehr vielen Einwanderern und Asylsuchenden aufgesucht wird, dann muss es ja zwangsläufig zu Konflikten kommen. Und daher ist das die interessante Frage: Wer sind die Verursacher dieser Migrationskrise?

IRIB: Vielen Dank, Herr Wisnewski, für diese Einschätzung.

Wisnewski: Gerne, Herr Shahrokny.