"Setz dich auf meinen Schoß": Sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz sind weit verbreitet. Doch die Wenigsten wissen um ihre Rechte.

sexuelle belästigung
Mehr als 1000 sozialversicherungspflichtige Frauen und Männer befragte das Duisburger Sozialwissenschaftliche Umfragezentrum im Auftrag der ADB. Die Studie zeigt vor allem eines: Der Handlungsbedarf ist groß. Das fängt mit einer schlichten Frage an: Was ist sexuelle Belästigung?

"Das größte Manko ist Information", sagt die Leiterin der ADB, Christine Lüders. Oft klaffen Erlebtes und die rechtliche Begriffsdefinition weit auseinander. Laut Antidiskriminierungsgesetz fallen darunter alle unerwünschten Handlungen sexueller Natur. Auch Aufforderungen zu solchen Handlungen gehören dazu. Jeder zweite Befragte hat so eine Belästigungssituation schon einmal selbst am Arbeitsplatz erlebt. Dazu kommt es hauptsächlich im Büro, aber auch im Fahrstuhl oder auf dem Betriebsfest.

Doch nur jede sechste Frau und jeder 14. Mann stuft das Erlebte als "sexuelle Belästigung" ein. Erst auf Nachfrage nach bestimmten Sachverhalten wurde das den meisten Betroffenen klar. "Ein Klaps auf den Po kommt vor, genau wie Sprüche wie ’Heute ist der Ausschnitt aber besonders tief’", sagt Lüders. "Dabei hat das am Arbeitsplatz nichts zu suchen."

40 Prozent der Männer sehen laut Umfrage anzügliche Bemerkungen nicht als Belästigung an, 13 Prozent empfinden Aufforderungen wie "Setz dich auf meinen Schoß" nicht als sexuell belästigend.


Kommentar: Da ist die Frage, um was es sich für Männer dort handelt, da sie scheinbar kein Schamgefühl besitzen, solche Aufforderungen zu stellen. Könnte es sich dabei um Psychopathen handeln? Oder sind viele Männer schon so weit abgestumpft - durch Filme wie Shades of Grey -, dass sie es selber nicht mehr merken, d.h. das voranschreiten einer Ponerisation?


Die Studie offenbart ein weiteres Manko. Viele Betroffene wissen nicht, welche Rechte sie haben: Muss mich mein Arbeitgeber vor Belästigung schützen? Dass dies der Fall ist, wissen nur 19 Prozent der Befragten. "Genauso fatal, wie die Angst, etwas gegen Belästigung am Arbeitsplatz zu unternehmen - wenn es sich zum Beispiel um den Vorgesetzten handelt - ist, dass die wenigsten Opfer wissen, an wen sie sich wenden können", sagt Lüders.

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Erschreckend ist, dass 60 Prozent der befragten Vorgesetzten und Betriebsräte keine Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung im Unternehmen kennen - und nur bei der Hälfte der Betriebe gibt es eine Beschwerdestelle. Das belegt eine zusätzliche Stichprobe, bei der 667 Personalverantwortliche und Betriebsräte befragt wurden. Wie sollen Betroffene also mit einer Belästigung umgehen, wenn das nicht einmal Vorgesetzte und Betriebsrat wissen?

"Es ist eine schwierige Rechtspraxis, da es meistens keine Beweise gibt, und Aussage gegen Aussage steht", erklärt Reiner Geis, Geschäftsführer bei Verdi Südbaden, den problematischen Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. "Dabei ist eine hohe Sensibilität der Vorgesetzten gefragt." In der Regel würden Fälle so gelöst: Täter und Opfer werden getrennt - das heißt also: Versetzung statt Kündigung. Gerade auch, um nur dem Verdacht vorzubeugen, dass der Sache nicht nachgegangen werde, so Geis.


Kommentar: Wie viele Vorgesetzte begehen eine sexuelle Belästigung?


Reagiert wird in gemeldeten Fällen also meistens: Vorgesetzte gaben an, in der Hälfte der Fälle mit beiden Konfliktparteien gesprochen zu haben. Bei mehr als einem Drittel wurde eine Abmahnung oder Versetzung durchgesetzt. Die Umfrage zeigt zudem, dass mehr Frauen durch Vorgesetzte einer höheren Hierarchiestufe belästigt werden. Dass immer noch mehr Männer in Führungspositionen sind als Frauen, kann dafür nicht der alleinige Grund sein. Christine Lüders vermutet eine höhere Dunkelziffer.


Kommentar: Dabei ist Wissen über Psychopathie wichtig, denn Psychopathen befinden sich sehr häufig in Führungspositionen.


Auch Geis sieht das Problem im Abhängigkeitsverhältnis von Betroffenen und Verursachern: "Viele trauen sich aus Scham und Angst schlichtweg nicht, einen Fall aktenkundig zu machen." Als Verursacher benennen beide Geschlechter am häufigsten Männer. 75 Prozent der Männer haben schon Belästigungssituationen beobachtet, in denen Männer Täter waren. Männer selbst werden häufiger verbal oder visuell belästigt: Sie bekommen von Kollegen oft ungefragt Mails mit sexuellem Inhalt gezeigt. Frauen erleben eher physische Belästigungen am Arbeitsplatz. Ein Fünftel berichtet von unerwünschten Berührungen.

Die Umfrage zeigt, dass Maßnahmen, falls es sie gibt, noch nicht genug wahrgenommen werden. Fast alle Befragten wünschen sich mehr Schulungen für Vorgesetzten und Betriebsräte zu dem Thema. 77 Prozent fordern eine Verschärfung der beruflichen Konsequenzen für Verursacher. Die ADB reagiert mit einer Expertenkommission. Vorsitzende sind die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Jutta Allmendinger, und der ehemalige Berliner Bürgermeister, Klaus Wowereit. Die Kommission soll laut Lüders bis Ende des Jahres konkrete Maßnahmen wie Gesetzesänderungen vorschlagen.