Internet mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten demnächst in der EU? Der Europäische Rat hat das Prinzip aus dem Gesetzentwurf gestrichen, wonach jedem Service im Internet prinzipiell die gleiche Geschwindigkeit zur Übertragung von Daten zur Verfügung steht.
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In der EU bahnt sich ein Streit über die Frage der Netzneutralität an. Die Vertretung der EU-Mitgliedstaaten, der Europäische Rat, hat das Prinzip aus dem Gesetzentwurf gestrichen, wonach jedem Service im Internet prinzipiell die gleiche Geschwindigkeit zur Übertragung von Daten zur Verfügung steht.

In dem Gesetzentwurf der lettischen Ratspräsidentschaft für die Regulierung des Telekommunikationsmarktes (TSM), der SPIEGEL ONLINE vorliegt, ist das Wort Netzneutralität vollständig getilgt. Es geht dabei um ein Gesetzespaket, mit dem - neben der Frage der Netzneutralität - unter anderem die Roaming-Gebühren in Europa abgeschafft werden sollen.

Das Vorhaben wurde noch von der alten EU-Kommission auf den Weg gebracht, die damit auch die Netzneutralität einschränken wollte: Wer mit großen Datenpaketen unterwegs ist, sollte für eine Art digitale Überholspur mehr bezahlen. Das Europaparlament hat einen Gegenvorschlag entworfen, in dem Netzneutralität festgeschrieben ist. Darüber verhandeln die Abgeordneten mit dem Europäischen Rat als Vertretung der 28 EU-Mitgliedstaaten. Im Vorschlag der lettischen Ratspräsidentschaft ist nun nicht nur das Wort „Netzneutralität“ komplett getilgt, auch deren präzise Definition ist den Streichungen zum Opfer gefallen. Den Providern wird darüber hinaus sogar explizit die Möglichkeit eingeräumt, Sonderdienste anzubieten und Filter zu installieren.

Europaabgeordneten sind deshalb empört. Petra Kammerevert (SPD) hält den Entwurf für „nicht akzeptabel“. Im Gesetz müsse eine klare Verpflichtung zur Netzneutralität verankert werden, sonst werde ihre Fraktion nicht zustimmen.

Auch die deutsche Piraten-Abgeordnete Julia Reda kritisiert das Vorgehen der Mitgliedstaaten: „Gerade in einer Zeit, in der sich die Leute Sorgen über die Beschneidung ihrer Freiheit machen und viel Misstrauen gegenüber der EU herrscht, ist das der falsche Weg.“

Michel Reimon (Grüne) kündigt Widerstand an: „Wenn die Berichterstatterin bei der Netzneutralität nachgibt, werde ich das Ergebnis auf allen Ebenen bis zur Abstimmung im Plenum bekämpfen." Im Zweifelsfall werde man das Thema bis zum Monatsende verzögern - dann endet die lettische Ratspräsidentschaft.