Forscher entschlüsseln Hirnregionen, die uns gegenüber Vertrauten freigiebiger machen. Universität Bonn beteiligt
zusammenhalt,nächstenliebe,hilfe,großzügigkeit
Wenn man einen Menschen schätzt, zeigt man sich ihm meist großzügiger und ist eher bereit zu teilen, als gegenüber Unbekannten. Ein Wissenschaftlerteam der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat unter Beteiligung der Bonner Universität und Züricher Forschern nun die Hirnregionen identifiziert, die zu dieser Variabilität in großzügigem Verhalten führen. Die Ergebnisse können sich sowohl auf ökonomische Theorien als auch auf das Verständnis von sozialen Verhalten auswirken. Die Studie wird nun in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) vorgestellt.

Die Fähigkeit zu teilen ist eine wichtige Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft. So kommt es zum Beispiel auch in der Ökonomie darauf an, die Interessen der anderen Marktteilnehmer bei Entscheidungen mit einzubeziehen. Wir verhalten uns aber nicht allen Menschen gegenüber gleichermaßen großzügig. Einer nahestehenden Person gegenüber sind wir meist freigiebiger als einem Unbekannten. Dieses Phänomen bezeichnet man auch als „soziale Distanz“.

Wie die soziale Distanz mit der Fähigkeit zu teilen zusammenhängt und welche Gehirnregionen dabei eine Rolle spielen, wurde nun in einer Studie untersucht, die die Arbeitsgruppe Vergleichende Psychologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zusammen mit dem Center for Economics and Neuroscience (CENs) der Universität Bonn und der Universität Zürich durchführte.

Die Forscher beobachteten mit einem funktionellen Magnetresonanztomographen (fMRT) am Life&Brain Zentrum in Bonn die Hirnaktivität von Testpersonen, während diese im Rahmen eines Spielszenarios ökonomische Aufgaben lösten. Die Probanden (die aktiven Spieler) sollten zwischen einer egoistischen, allein für sie profitablen Option, und einer großzügigen Option wählen. Bei letzterer kommt auch einem gedachten Spielpartner ein Geldbetrag zu. Entsprechend erhält der Spieler selbst dann weniger Geld. Dabei sollten sie sich die Spieler vorstellen, dass ihr Spielpartner ihnen in einem Fall nahe steht, in anderen Fällen aber immer weiter sozial entfernt ist. „Dabei zeigte sich, dass die Teilnehmer viel eher bereit sind, ihren Egoismus zu überwinden und zu teilen, je näher sie dem Spielpartner emotional stehen“, so die Erstautorin der Studie, Tina Strombach aus der Düsseldorfer Arbeitsgruppe Vergleichende Psychologie.

Die begleitenden Hirnscans ergaben, dass bei der Entscheidungsfindung zwei Bereiche im Gehirn widerstreiten: Der eine ist der Ventromediale präfrontale Cortex, der im Stirnlappen der Großhirnrinde sitzt und zum Belohnungssystem gehört. Er stellt also quasi die egoistische Komponente dar. Ihm gegenüber steht die Temporoparietale Junction im hinteren Bereich des Gehirns. Sie wird mit der Empathiefähigkeit in Verbindung gebracht und ist für die Unterscheidung von „selbst“ und „fremd“ wichtig. „Beide Gehirnregionen arbeiten als Gegenspieler“, erläutert Prof. Dr. Tobias Kalenscher aus Düsseldorf: „Sie tarieren aus, wie egoistisch oder großzügig wir uns abhängig von der sozialen Distanz verhalten“. Prof. Dr. Bernd Weber vom CENs der Universität Bonn ergänzt: „Die Temporoparietale Junction hält die egoistischen Bestrebungen der ventromedialen präfrontalen Cortex in Schach und ermöglicht somit altruistisches Verhalten.“

Eine Besonderheit der Studie, die nun in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) veröffentlicht wurde, ist ihr interdisziplinärer Ansatz. Die Kombination auf ökonomischen und neuropsychologischen Fragestellungen nennt sich Neuroökonomie. Neben den Düsseldorfer Psychologen und den Bonner Neurowissenschaftlern waren der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Peter Kenning und der Züricher Prof. Dr. Philippe Tobler beteiligt, die insbesondere zum Aufbau der ökonomischen Aufgabenstellung beitrugen.

Die Ergebnisse der Studie haben Implikationen sowohl für die Wirtschaftswissenschaften als auch für die Soziologie. Durch die im menschlichen Gehirn angelegten Verhaltensmuster in Bezug auf die soziale Distanz müssen hier weitere Faktoren für die Beurteilung von Verhalten in unterschiedlichen sozialen Kontexten berücksichtigt werden.

Quelle: Universität Bonn