Vor seinem Berlin-Besuch sorgt Israels Regierungschef Netanjahu mit seiner Holocaust-Wertung für einen Eklat. Die israelische Opposition ist entsetzt, die Bundesregierung widerspricht.
Netanjahu
Jerusalem. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hat Widerspruch und Kritik mit seiner Behauptung ausgelöst, der frühere palästinensische Großmufti von Jerusalem habe Adolf Hitler zur Judenvernichtung angestiftet. Der NS-Diktator habe zunächst nur eine Vertreibung und keinen Massenmord an den Juden geplant, sagte Netanjahu während einer Ansprache vor Delegierten des Internationalen Zionistenkongresses in Jerusalem. Der palästinensische Großmufti von Jerusalem, Amin al-Husseini, habe Hitler aber zur systematischen Vernichtung der Juden gedrängt.

Netanjahu machte seine Äußerungen vor einem Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel sowie US-Außenminister John Kerry. Hintergrund ist die jüngste Gewaltwelle in Nahost. Israels Regierungschef argumentiert, dass nicht die Politik seiner rechtsgerichteten Regierung mit daran schuld sei, sondern Hetze und Aufstachelung der Palästinenserführung.


Kommentar: Wieder einmal das klassische, altbekannte Manöver: Die Schuld den anderen zuschieben. Wie entkoppelt muss man von der Realität sein, um solche Schwachsinnsäußerungen von sich geben?

Mit seinen Erklärungen habe er zeigen wollen, „dass der Vater der palästinensischen Nation schon damals, ohne Staat und ohne sogenannte „Besatzung“, ohne Palästinensergebiete und ohne Siedlungen, mit systematischer Hetze zur Vernichtung der Juden aufrief“, sagte Netanjahu vor seiner Abreise nach Berlin.

„Hitler wollte die Juden zu dem Zeitpunkt nicht vernichten, sondern ausweisen“, sagte Netanjahu laut einer Mitschrift seines Büros während der Rede am Dienstag. „Und Amin al-Husseini ging zu Hitler und sagte: „Wenn Sie sie vertreiben, kommen sie alle hierher.“ „Also, was soll ich mit ihnen tun?“, fragte er (Hitler). Er (Al-Husseini) sagte: „Verbrennt sie.““ Auch der Mufti habe den Juden damals fälschlich vorgeworfen, sie wollten die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg zerstören, sagte Netanjahu in Bezug auf den jüngsten Streit mit der Palästinenserführung.

Palästina wurde damals noch von der britischen Mandatsmacht verwaltet, die eine Einwanderung von Juden streng einschränkte. Im Kampf gegen die Juden hatte Al-Husseini mit Hitler zusammengearbeitet und ihn 1941 in Berlin getroffen.

Die Bundesregierung hat sich daraufhin zu der deutschen Verantwortung für den Holocaust bekannt - und damit indirekt dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu widersprochen. „Wir wissen um die ureigene deutsche Verantwortung an diesem Menschheitsverbrechen. Ich sehe keinen Grund, dass wir unser Geschichtsbild in irgendeiner Weise ändern“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Regierungssprecher Seibert wollte auf Nachfrage nicht auf die Netanjahu-Äußerung eingehen. Er betonte aber, dass die Deutschen die Entstehungsgeschichte des mörderischen Rassenwahns der Nationalsozialisten selbst sehr genau kennen.

Israels Opposition kritisiert Trivialisierung des Holocaust

Israels Präsident Reuven Rivlin sagte während eines Besuchs in Tschechien, Al-Husseini und Hitler hätten sich getroffen, ob es einen kausalen Zusammenhang gebe, könne er aber nicht berurteilen, sagte Rivlin. „Hitler ist derjenige, der unendliches Leid über unsere Nation gebracht hat“, betonte der Präsident.

Israels Oppositionsführer Izchak Herzog rief Netanjahu am Mittwoch dazu auf, seine Äußerungen zurückzuziehen. Es handele sich um eine „gefährliche Verzerrung der Geschichte, die den Holocaust trivialisiert“.

Auch der israelische Holocaust-Forscher Professor Jehuda Bauer sagte, Netanjahu habe mit seinen Worten „die Figur Hitlers verkleinert“. Hitler habe sicherlich „keinen Araber aus dem Nahen Osten gebraucht, der ihm sagte, was er zu tun hat“. Al-Husseini habe mit Hitler kollaboriert. „Aber die Idee, dass Hitler von ihm die Inspiration erhielt, ist vollkommen lächerlich“, sagte er dem israelischen Armeesender.