Privatsender in Deutschland
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Die Medienlandschaft in Deutschland gilt unter vielen Beobachtern immer noch als objektiv und unabhängig. Doch ein analytischer Blick auf die großen deutschen Medien legt deren Interessenverstrickungen und Abhängigkeiten offen. In einer fünfteiligen Serie bringt RT Deutsch nun Licht ins Dunkel. Im vierten Teil widmen wir uns den privaten TV-Sendern und ihren Mutterkonzernen. Zahlreiche Querverweise, weiterführende Links und Videos ermöglichen ein vertiefendes Studium der Materie.
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Kommentar: Die anderen Teile finden Sie hier: Teil 1, Teil 2, Teil 3 und Teil 5.


Teil 4: Private TV-Sender

Besitzer: Größtenteils ProSiebenSat.1-Media SE und Bertelsmann

Sitz: deutschlandweit

Politische Ausrichtung: Die privaten deutschen TV-Sender produzieren vor allem kommerziell ausgerichtete Unterhaltungssendungen. Ihr Nachrichtenangebot speist sich meist aus partnerschaftlich verbundenen Produktionsfirmen und ist eng mit dem Axel Springer-Verlag (BILD) und Spiegel TV vernetzt. Großen Einfluss auf politische Debatten haben die privaten TV-Sender in Deutschland nicht. Sie dienen eher der Verbreitung von konsumorientierten Inhalten, vermischt mit auf Schlagzeilen reduzierte News, vorwiegend aus den Bereichen Glamour und Boulevard. Anhand des deutschen Privatfernsehens lassen sich jedoch die Verstrickungen des medial-politisch-industriellen Komplexes in Deutschland besonders deutlich veranschaulichen.

Wissenswertes: Den Markt privater TV-Sender teilen sich in Deutschland im Großen und Ganzen Bertelsmann und die ProSiebenSat.1-Media SE.

ProSiebenSat.1 betreibt die TV-Sender ProSieben, SAT.1, kabel eins, Sat.1 Gold, ProSieben Maxx und sixx. Darüber hinaus vermarktet der Konzern mit seiner Tochtergesellschaft Studio 71 auch Youtube-Sendungen wie etwa LeFloid.

2014 erwirtschaftete der Konzern einen Umsatz von 2,876 Milliarden Euro und einen Gewinn von 418,9 Millionen Euro. Das Institut für Medien- und Kommunikationspolitik bietet einen kurzen Abriss der äußerst verworrenen Geschichte der Besitzverhältnisse des Unternehmens, die bis auf den 2011 verstorbenen Medienmogul Leo Kirch zurückgeht.

Der Kieler Professor Dr. Rainer Mausfeld geht in seinem Vortrag „Warum schweigen die Lämmer? - Techniken des Meinungs- und Empörungsmanagements" der Frage nach, welche Rolle die mediale Dauerberieselung aus massenpsychologischer Sicht spielt:


Inhaltlich hat der Axel Springer-Verlag großen Einfluss auf das Nachrichtenangebot im privaten Fernsehen. Ende 2013 kaufte der Axel Springer-Konzern den Nachrichtensender N24, der bis 2010 zu ProSiebenSat1 gehörte.

In der Zwischenzeit gehörte N24 einem Konsortium, zu dem auch Stefan Aust, der frühere Chefredakteur des Spiegels und jetzige Herausgeber der Axel Springer-Tageszeitung Die Welt, gehörte.

Neben seinem eigenen Programm ist N24 weiterhin der Nachrichtenlieferant für ProSieben, Sat.1 und kabel eins. Zwischenzeitlich hielt Axel Springer darüber hinaus 12 Prozent der Anteile von ProSiebenSat.1. Im Juli 2015 wurde eine Fusion der beiden Medienkonzerne aus kartellrechtlichen Gründen zum wiederholten Male abgesagt.

Die RTL-Gruppe (RTL, RTL II, VOX, n-tv und weitere) gehört zu 75 Prozent dem Bertelsmann-Konzern, der auch 25 Prozent des Spiegels hält.

Bertelsmann ist der größte Medienkonzern Europas und war 2014 mit einem Umsatz von 16,675 Milliarden Euro und einem Gewinn von 573 Millionen Euro das neuntgrößte Medienunternehmen der Welt. Der im Vergleich zum Umsatz niedrige Gewinn erklärt sich auch dadurch, dass der Konzern einen Teil seiner Überschüsse in die Bertelsmann Stiftung überführt. Hierdurch minimiert der Konzern seine Steuerpflicht und kann seine äußerst einflussreiche Stiftung praktisch auf Kosten der Öffentlichkeit betreiben.

Die Fernsehproduktionsfirma Spiegel TV produziert mit rund 200 Mitarbeitern verschiedene TV-Formate für die Bertelsmann-Sender RTL und VOX, aber auch für Sat.1. Der Output liegt bei knapp 20 Sendestunden pro Woche.

Bertelsmann hält auch zahlreiche Radiosender, Musik-Labels, Rechteverwerter und Buchverlage. Auch den weltweit größten Verlag für Bücher in englischer Sprache Random House.

Kontroversen: Der Bertelsmann-Konzern wird von der Familie Mohn dominiert (Liz Mohn, Dr. Brigitte Mohn, Christoph Mohn). In der Führungsspitze des Unternehmens sind überdies Personen vertreten, die auch bei den Konzernen BMW, Nestlé, E.ON, Volkswagen, Daimler und Henkel Führungspositionen innehaben. Die enge Verstrickung des deutschen Medienmainstreams mit Interessen des Großkapitals wird hier besonders offensichtlich.

Liz Mohns Karriere ist nicht unähnlich dem Lebenslauf der heutigen Springer-Mehrheitseignerin Friede Springer. Wie diese, so war auch Liz Mohn zunächst Geliebte des Firmengründers und stieg so von der Telefonistin zusammen mit ihren Kindern zur Haupteigentümerin bei Bertelsmann auf.


Genau wie Friede Springer gilt auch Liz Mohn als persönliche Freundin von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Über die Bertelsmann-Stiftung nimmt der Konzern immer wieder umfangreich Einfluss auf die deutsche Politik, Gesellschaft und die Wissenschaft. Dabei setzt sich die Stiftung vor allem für eine unternehmerfreundliche Politik und transatlantische Treue ein und finanziert gezielt Forschungsprojekte mit diesem Ziel. Eine führende Rolle übernimmt die Bertelsmann-Stiftung auch bei der zunehmenden Privatisierung des Gesundheitssystems in Deutschland. Auch lieferte die Bertelsmann-Stiftung die Inspiration für die Agenda 2010, mit der ein rigider Abbau der sozialen Sicherungssysteme verbunden wird.


Hermann Ploppa, Autor des Buches "Die Macher hinter den Kulissen: Wie transatlantische Netzwerke heimlich die Demokratie unterwandern" erläutert im Gespräch mit KenFM die Elitenverstrickungen in Deutschlands Medien und Politik:


Weiterführende Literaturtipps:

- Dirk C. Fleck: Die vierte Macht: Spitzenjournalisten zu ihrer Verantwortung in Krisenzeiten

- Uwe Krüger: Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-­Journalisten - eine kritische Netzwerkanalyse