Internationale Investoren haben im vergangenen Jahr rund 200 Projekte in Russland gestartet - ein Rekord seit 2010. Das geht aus einem Bericht der Consultingfirma „Ernst & Young“ hervor. Deutschland ist bei Investitionen in Russland führend, wie das russische Wirtschaftsblatt „RBC Daily“ berichtet.
Wirtschaft, Wolkenkratzer
© Sputnik/ Ilya Gorbunov
Ausländische Anleger haben ihre Investitionen in Russland im Jahr 2015 kräftig hochgefahren. 201 Investmentprojekte haben die Investoren aus dem Ausland im letzten Jahr in Russland auf die Beine gestellt. Verglichen mit 125 Projekten in 2014 ist das ein Zuwachs von 61 Prozent und damit die höchste Wachstumsrate bei der Top-10 der Länder mit den meisten ausländischen Direktinvestitionen, heißt es im EY-Bericht.

So viel hatten die internationalen Geldgeber zuletzt im Jahr 2010 in die russische Wirtschaft investiert, wie aus dem heute beim Sankt Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum präsentierten EY-Report zur „Investitionsattraktivität der Länder Europas“ hervorgeht.

Bei der Zahl der angelockten Auslandsinvestments waren im vergangenen Jahr Großbritannien mit 1065, die Bundesrepublik mit 946 und Frankreich mit 598 Projekten führend. Russland nimmt den achten Platz in der Rangliste ein.

Die Top-5 der in Russland 2015 aktiven internationalen Geldgeber bilden Deutschland mit 36, die Vereinigten Staaten mit 29, Frankreich mit 20, sowie Italien und China mit je zwölf Projekten. Bei der Anzahl der geschaffenen Arbeitsplätze führen die USA mit nahezu 3.000 neuen Stellen, Deutschland mit über 2.000, Japan mit 1.500, China mit 1.350 und Polen mit 950 Jobs. Insgesamt haben westeuropäische Anleger in 106 russische Projekte investiert. Das sei eine Rekordzahl seit 2005, betonen die EY-Analysten.

Nach Angaben der russischen Zentralbank sind die ausländischen Direktinvestitionen in Russland im letzten Jahr um 78 Prozent gefallen. Investitionen aus dem fernen Ausland fielen gar kräftiger - um 80,3 Prozent. Die Investitionen aus den USA gingen um 71 Prozent, aus Frankreich um 26, aus Italien um 54 und aus China um 55 Prozent zurück.

Freunde aus Deutschland

Die deutschen Direktinvestitionen in Russland hingegen wuchsen im vergangenen Jahr nach Zentralbankangaben um das Vierfache - von rund 320 Millionen auf 1,29 Milliarden Euro. Die Zahl deutscher Projekte in Russland stieg von elf in 2014 auf 36 im Jahr 2015. Mit der Anzahl der Projekte wuchs auch ihre Belegschaft: von 350 im vorletzten Jahr auf 2.000 Mitarbeiter in 2015.

Die deutschen Unternehmen passten sich schwierigen Situationen schnell an, erklärt Matthias Schepp, Vorsitzender der deutsch-russischen Außenhandelskammer, die deutsche Führungsposition.

„Ohne die wegen des Konflikts zwischen Russland und dem Westen bei den Geschäftsleuten entstandene Verunsicherung wäre das Investitionsvolumen sogar noch höher ausgefallen,“ betont er. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Pläne für 2015 zwei bis drei Jahre davor ausgearbeitet worden seien, sagt er. Überhaupt sei der gegenwärtige Augenblick - trotz der politischen Risiken - keine schlechte Zeit für den ausländischen Investor, denn der Erwerb der Aktiva sei fast um die Hälfte günstiger, erklärt der Wirtschaftsfachmann.

Im Falle deutscher Firmen spiele es zudem eine Rolle, dass sie die Lokalisation ihrer Produktion in Gang gesetzt hätten, lange bevor die Lokalisation zu einem Modewort geworden sei, betont Matthias Schepp. Dadurch habe eine Reihe von Unternehmen sich gegenwärtig neue Exportmöglichkeiten erschlossen. Continental etwa exportiere seine Reifen aus russischer Herstellung nach Westeuropa, Skandinavien und China und kompensiere somit die Flaute auf dem russischen Markt, wo der Absatz von Neufahrzeugen gefallen sei.

Russlands attraktivster Sektor ist für die Auslandsinvestoren laut dem Bericht der Unternehmensberater die Industrie: 171 der 201 Projekte und 96 Prozent aller Arbeitsplätze entstanden in diesem Bereich. Konkretere Angaben zu den realisierten Vorhaben habe EY nicht gemacht, schreibt RBC.

Zu den für ausländische Geldgeber attraktiven Bereichen gehöre auch Forschung und Entwicklung, weil „russische Ingenieure und IT-Spezialisten im weltweiten Vergleich günstiger geworden sind“, sagt Oleg Schibanow, Professor für Finanzwesen an der Moskauer New Economic School. Neue, auf den russischen Binnenmarkt ausgerichtete Produktion sei hingegen „eine große Frage“, so der Finanzprofessor.

Das Niveau russischer Fachkräfte ist relativ hoch und es gibt westliche Firmen, darunter auch deutsche, die etwa aus Indien abgewandert sind, um ihre Software hier zu entwickeln. Dieser Trend hält seit Jahren an, aber jetzt ist dies noch günstiger geworden“ erklärt Schepp.