Ein Asteroid mit einem Durchmesser von 100 Meter könnte beim Einschlag ganze Städte auslöschen. Das wollen die USA verhindern und prüfen zur Abwehr den Einsatz von Atomwaffen - Forscher warnen davor.
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© NASA/JPL-Caltech
Einige amerikanische Nuklearsprengköpfe, die eigentlich im kommenden Jahr zerlegt werden sollten, dürfen nun doch noch eine Zeit lang verweilen. Der Grund: Sie könnten zum Einsatz kommen, wenn eines Tages ein gefährlicher Asteroid auf die Erde zurasen sollte.

Diesen Plan versteckte die US-Regierung weit hinten in einem 67-seitigen Rechenschaftsbericht zur Nationalen Behörde für Nukleare Sicherheit (NNSA), die das Atomwaffenarsenal verwaltet. Die Sprengkopfkomponenten, in denen angereichertes Uran enthalten ist, sollen aufbewahrt werden, bis man ihre Einsatzmöglichkeiten "in der Planetenverteidigung gegen Asteroiden" auswerten könne, steht in dem Bericht vom April. Ein Sprecher der NNSA wollte sich dazu nicht äußern.

Regierungsvertreter und Weltraumforscher sagen, dass uns noch kein "Armageddon" droht, wie es der Kinohit von 1998 befürchten ließ. Darin sprengte Bruce Willis einen riesigen Asteroiden, der Kurs auf die Erde genommen hatte, mit einer Atombombe in die Luft.


Zwar bewegen sich Hunderte Asteroiden mit einem Durchmesser von etwa einem Kilometer (der Größe, die laut einem Bericht des National Research Council von 2010 "globale Zerstörung" anrichten könnte) dicht am Umlaufkreis der Erde vorbei, doch keiner davon dürfte in den nächsten 100 Jahren zum Problem werden.


Kommentar: Das sind die Asteroiden, die observiert werden können, doch mit den viel kleineren Himmelskörpern schaut es anders aus, wie es zum Beispiel Tscheljabinsk in Russland zeigte.


Weniger als fünf Prozent der Objekte katalogisiert

Doch obwohl keine dieser Riesen-Asteroiden auf dem Radar sind, kommen auch geschätzte 100.000 kleinere Exemplare von etwa 50 Metern an der Erde vorbei, sagt Lindley Johnson, Programmmanager bei der Nasa, der dafür verantwortlich ist, solche "erdnahen Objekte" zu finden. Bisher sind geschätzt weniger als fünf Prozent dieser Objekte katalogisiert worden, sagt er.

Wenn ein Asteroid von 100 Metern Durchmesser die US-Hauptstadt Washington träfe, könnte das Stadtzentrum komplett zerstört werden, sagt Johnson.

Ein zehn Kilometer breiter Asteroid oder Komet, der vor 65 Millionen Jahren nahe der Yucatán-Halbinsel eingeschlagen ist, gilt unter Forschern als Grund für das Aussterben der Dinosaurier.

Anfang vergangenen Jahres explodierte am Himmel über dem russischen Tscheljabinsk ein Asteroid. Das Objekt, das auf eine Größe von fast 20 Metern geschätzt wurde und die Wucht von etwa 400.000 Tonnen TNT hatte, verletzte mehrere Hundert Menschen, vor allem durch kaputte Glasscherben und andere Trümmer.

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Nuklearwaffen könnten wieder zum Einsatz kommen

Regierungsvertreter und Wissenschaftler suchen ebenfalls nach Möglichkeiten, den Planeten zu verteidigen. Deshalb könnten Nuklearwaffen jetzt wieder zum Einsatz kommen. Mit diesen Sprengköpfen bewaffnete Raketen könnten ins All geschickt werden, um dort durch eine Explosion den Kurs des Asteroiden zu ändern, bevor er die Erde erreichen kann. Forscher warnen jedoch, dass in bestimmten Situationen radioaktive Trümmer nach einer Explosion wieder zum Problem für die Erde werden könnten. "Es ist immer umstritten, wenn man über Atomwaffen spricht", sagt Nasa-Mitarbeiter Johnson. Bis in die 70er-Jahre wurden zum Beispiel unterirdisch Atomwaffen gezündet, um die Erdgasproduktion anzuregen.

In einer Zeit, da die Atomwaffenvorräte durch Abrüstungsverträge und andere Faktoren schrumpfen, könnte die Planetenverteidigung "eine Entschuldigung sein, das Atomwaffenarsenal aufrecht zu erhalten", sagt Jay Melosh, Professor an der Purdue University. Er glaubt, dass es bessere, nichtnukleare Verteidigungsmöglichkeiten für die Erde gibt.


Kommentar: Ja, Wissen und Aufklärung der Bevölkerung.


Zum Beispiel könnte man die Schubdüsen und die Gravitationskraft eines großen Weltraumfahrzeugs nutzen, um die Flugbahn eines Asteroiden zu ändern. Außerdem könnte ein Objekt mit großer Geschwindigkeit auf einen Asteroiden geschossen werden, um das gleiche Ergebnis zu erzielen.

Einige Personen argumentieren jedoch, dass eine solche Vorgehensweise nur dann funktioniere, wenn der Asteroid klein genug ist und früh genug erkannt wird. Bei größeren Objekten und kürzeren Reaktionszeiten sei eine nukleare Explosion "die einzige Möglichkeit", sagt Bong Wie, Professor und Direktor des Zentrums für Asteroidenabwehrforschung an der Iowa State University.

Dieser Artikel ist zuerst erschienen unter dem Titel "Atomwaffen: USA bereiten sich auf Asteroidenbedrohung vor" beim "Wall Street Journal Deutschland".

wsj.de