In Stillfried an der March wurden zahlreiche bronzezeitliche Erdlöcher mit ungewöhnlichem Inhalt gefunden© picturedesk / erich lessingDie Siedlung Stillfried an der March im östlichen Niederösterreich dürfte – an der Bernsteinstraße gelegen – ein regionales Wirtschaftszentrum der Bronzezeit gewesen sein, wovon dort gefundene Bronzeschätze zeugen
Wien - Der Ort ist strategisch gut gewählt: Von der Anhöhe aus hat man gen Osten eine erstklassige Sicht über die March mitsamt ihren Auwäldern, ansonsten prägt fruchtbares Ackerland das Umfeld. Der Fluss ist heute kanalisiert, Bahnlinie und Bundesstraße trennen seinen Verlauf vom Hügel. Die Felder indes gab es wahrscheinlich auch schon vor 2800 Jahren. Damals, gegen Ende der Bronzezeit, dürfte Stillfried eine wichtige Siedlung gewesen sein - und eine wohlhabende dazu.
Den Kern des Ortes bildete vermutlich die 1874 entdeckte und seit 1969 erforschte, rund 23 Hektar umfassende Wallanlage. Sie war womöglich der Sitz eines lokalen Herrschers und scheint gleichzeitig als Kultplatz gedient zu haben. Das gemeine Volk dagegen lebte offenbar außerhalb. "Die eigentlichen Wohnbereiche hat man noch nicht gefunden", wie Michaela Lochner vom Institut für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien berichtet. Überreste von Werkstätten fehlen bisher ebenfalls.
Dass es solche gegeben hat, gilt allerdings als sicher. Stillfried war gewiss ein regionales Wirtschaftszentrum, sagt Lochner. Der Siedlungsplatz lag direkt an der Bernsteinstraße und kannte somit rege Handelstätigkeit.
Zusammen mit dem Warenverkehr kam auch ein kultureller Austausch zustande. Eine Bronzetasse zum Beispiel, "Typ Stillfried", wurde wohl vor Ort hergestellt, aber die Gestaltung weißt deutliche Ähnlichkeiten mit Gefäßen aus Italien auf. War der Handwerker einst dort in der Lehre? Vielleicht. Das Stück selbst muss ziemlich wertvoll gewesen sein, meint Lochner. Ihre Kollegen fanden die Tasse als Beigabe in einem Grab - ein Hinweis auf den Wohlstand des Verstorbenen.
Noch interessanter sind jedoch die mindestens 100 seltsamen Löcher, die man im westlichen Teil der Wallanlage entdeckte. Ihr durchschnittliches Fassungsvermögen beträgt etwa vier Kubikmeter. Die Gruben ähneln im Querschnitt überdimensionierten Erlenmeyerkolben, die bronzezeitliche Bewohner Stillfrieds haben sie sorgfältig im festen Lössboden des Plateaus ausgehoben. Vermutlich dienten diese Kammern als unterirdische Getreidespeicher. Die recht engen Öffnungen könnten mit Stroh und Lehm versiegelt worden sein, sagt Michaela Lochner. Sehr ähnliche Formen der Getreidelagerung waren auch anderswo in Europa lange Zeit üblich, bis in die Neuzeit hinein.
Kommentar: