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© AFPGriechenlands Finanzminister Varoufakis.
Die Staatspleite rückt näher. Die Griechen ziehen ihr Geld von den Banken ab. Warum es am Ende doch noch zu einer Katastrophe für den Euro kommen könnte - mit teuren Folgen für die Geber-Länder.

Grexit, Graccident oder doch der Grimbo? Die Begriffe werden immer kreativer, aber das löst nicht das Problem: Der griechische Staat ist pleite - und das schon seit mindestens fünf Jahren. Der Schuldenstand beträgt inzwischen erschreckende 177 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP). Doch die EU lässt das Land aus Angst vor den Konsequenzen nicht in die Staatspleite rutschen. Man wurschtelt sich mit Rettungsschirmen und Notfall-Liquiditätshilfen für die Banken (ELA) weiter durch. Der Chefvolkswirt der Citigroup , Wilhelm Buiter, nennt ein mögliches Szenario daher den Grimbo - zusammengesetzt aus Greece und Limbo, auf Deutsch Limbus.

Das Wort bezeichnet in der katholischen Theologie den Vorhof zur Hölle. Hierher verschlägt es gequälte Seelen, denen der Zutritt zum Himmel verwehrt ist, die aber auch nicht in der Hölle landen. Für Griechenland hieße das: Es gibt kein neues Geld, aber den Euro-Raum verlassen müsste das Land auch nicht. Ein Schrecken ohne Ende statt ein Ende mit Schrecken. Aber woher kommt diese Furcht vor dem Euro-Austritt Griechenlands?

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© Citi Research, IWF, BloombergFass ohne Boden.
Ist die Ansteckungsgefahr größer als gedacht?

Bei kurzfristigen Anleihen mit zwei Jahren Laufzeit muss Griechenland derzeit einen Zins von über 20 Prozent bezahlen, etwa doppelt so viel wie für zehnjährige Papiere. Die Märkte rechnen offensichtlich mit einer Pleite. Das Risiko einer Kettenreaktion wird aber offenbar als relativ gering eingeschätzt. Während der Spread zehnjähriger griechischer Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen bei 11,22 Prozentpunkten liegt, zahlen andere Peripherieländer im Vergleich zu deutschen Anleihen einen historisch niedrigen Risikoaufschlag. Die Rendite zehnjähriger spanischer Anleihen liegt beispielsweise derzeit bei nur noch 1,28 Prozent.

Doch diese vermeintliche Sicherheit ist trügerisch, warnt die UBS . Die größte Sprengkraft für die Euro-Zone liegt nämlich gar nicht in den Anleihenmärkten, sondern in einem Vertrauensverlust bei den Bankkunden und einem möglichen Sturm auf die Banken - jeder will dann an sein Geld. Jede Währungsunion, die im vergangenen Jahrhundert gescheitert ist, hat dieses Schicksal ereilt, weil die Menschen das Vertrauen in das Bankensystem verloren und ihr Vermögen abgezogen haben, so die Experten.

Warnung aus Kanada

Zur Katastrophe könnte es also kommen, falls Bürger in den Peripheriestaaten nach einem Grexit zu der Erkenntnis gelangen: Unter dem Kopfkissen ist mein Geld sicherer als auf der Bank, denn vielleicht ist mein Land ja doch das nächste, das den Euro verlässt. Ein Beispiel ist das Referendum über die Unabhängigkeit in Quebec. Die Daten der kanadischen Banken beweisen: Kurz vor der Abstimmung über einen möglichen Quexit kam es zu deutlichen Kapitalabflüssen aus dem Banksystem.

Auch in Griechenland ist die Kapitalflucht derzeit in vollem Gang. Die Regierung denkt über ein Referendum nach, um den Druck auf die Europäer zu erhöhen. Ein gefährliches Spiel, denn die Menschen haben Angst vor einem Austritt. Die bisher größten Kapitalabflüsse korrelieren mit einem erhöhten Ausschlag des Wortes „Grexit“ bei Google Trends. Das Problem: Wenn die Menschen auch nur ein Prozent Wahrscheinlichkeit sehen, dass ihr Vermögen demnächst in eine gefühlt wertlose Währung umgetauscht wird, hilft keine noch so energische verbale Intervention aus Brüssel oder Berlin. Die Leute werden versuchen, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. So kann eine rationale Entscheidung Einzelner eine ganze Volkswirtschaft ins Wanken bringen.

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© Fotis Plegas GDie National Bank of Greece (NBG) (Archivfoto).
Griechen bringen ihr Geld in Sicherheit

Die Bürger Griechenlands trauen ihrem Staat schon längst nicht mehr und schaffen ihr Geld in Sicherheit. Sie horten Bares unter dem Kopfkissen oder bringen es ganz außer Landes. Vor allem die reichen Griechen überweisen ihr Vermögen ins Ausland, solange sie noch können. Mehrere griechische Zeitungen berichten, pro Woche flössen bis zu 700 Millionen Euro ab. Insgesamt haben die Bankeinlagen bereits um 130 Milliarden Euro abgenommen. EZB-Präsident Mario Draghi hat nach dem Treffen der EU-Finanzminister in Riga die Lage der griechischen Banken als labil bezeichnet.

Und die EZB leistet noch fleißig Fluchthilfe. Athens Banken werden derzeit mit sogenannten ELA-Notkrediten von 75,5 Milliarden Euro über Wasser gehalten. Und die Verbindlichkeiten der griechischen Zentralbank gegenüber der EZB im Rahmen des Target-2-Zahlungssystems stiegen Ende März auf 96,43 Milliarden Euro. Die Forderungen der Bundesbank sind seit Januar dagegen um 17 Milliarden auf rund 532 Milliarden Euro geklettert. Das ist derzeit kein Problem - aber was passiert, wenn Griechenland den Euro-Raum verlässt? Wer kommt dann für die ELA-Kredite und die Verbindlichkeiten der Zentralbank auf? Die Bundesbank müsste wohl einen Großteil der Target-2-Forderungen abschreiben. Damit stünde am Ende wieder einmal der deutsche Steuerzahler dafür gerade.

Als Anfang 2013 in Zypern eine ähnliche Situation herrschte, zog die Europäische Zentralbank die Reißleine und schränkte die Notkredite ein. Die zyprische Regierung musste daraufhin Kapitalverkehrskontrollen einführen, um die Kapitalflucht zu stoppen. Kunden konnten nur noch maximal 300 Euro am Tag abheben. Doch Athen tut bisher nichts, um die Kapitalflucht zu stoppen.