Erinnern Sie sich an die alten Bilder von langen Schlangen aus der Zeit der Großen Depression? Damals gab es zwei Arten von Schlangen, diejenigen, in denen man für Brot und andere Lebensmittel anstand, und diejenigen, die sich an den Eingangstüren der Banken sammelten. Heutzutage sieht man in der Öffentlichkeit praktisch keine langen Schlangen vor den Essensausgaben mehr, aber glauben Sie mir, es gibt sie in jedem einzelnen Bundesstaat, und sie sind oft sehr lang.

Berlin, Bankenkrach, Andrang bei der Sparkasse 13. Juli 1931
© Pahl, Georg / Wikimedia CommonsMassenandrang bei der Berliner Sparkasse nach Schließung der Banken, 13. Juli 1931
Fast 50 Millionen Menschen in den USA sind in ihrem Überleben auf das Lebensmittelhilfsprogramm SNAP (Supplemental Nutrition Assistance Program), EBT-Karten, (das Electronic-Benefit-Transfer-System (ETB-System) stellt Lebensmittelhilfe und auch finanzielle Unterstützung über aufladbare elektronische Geldkarten bereit) oder wie immer diese Unterstützung in den verschiedenen Bundesstaaten auch genannt wird, angewiesen.

Können Sie sich vorstellen, wieviel »Vertrauen« es einflößen würde, wenn man jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit an langen Schlangen von Menschen vorbeikäme, die auf ein Frühstück warten? Oder wenn man dann nach getaner Arbeit zu Hause das Fernsehgerät einschaltet, nur um dann wieder lange Schlangen von Menschen zu sehen, die diesmal für eine Abendmahlzeit anstehen?

Mir sind diese Bilder vertraut, denn einige Journalisten draußen auf den Straßen, die uns die »guten« Neuigkeiten zur Arbeitslosigkeit, der Inflation oder dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) berichten, tun dies oft mit einer Menschenschlange im Hintergrund, die auf eine Mahlzeit warten. Was ich damit sagen will? »Falsche« Wirtschaftsnachrichten wären schlechter zu »verkaufen« und noch schwieriger zu »verdauen«.

Zur Zeit der Großen Depression in den 1930er-Jahren gab es auch die erwähnte zweite Art von Schlangen vor den Banken. Vielen Banken »ging das Geld aus«, oder sie hatten sich verspekuliert und gingen unter. Ähnliche Dinge trugen sich auch 2008 und 2009 in den USA zu ... doch auch diesmal waren keine Schlangen zu sehen. Aber es kam sozusagen zu »elektronischen Runs« verschiedenster Art, von denen wir nichts mitbekamen ... dennoch gab es sie.

Als Folge wurden zahlreiche Banken, Wertpapierhändler und Hypothekenbanken gemeinsam umgekrempelt oder fusionierten miteinander. Ihr Bankrott sollte so gut wie möglich vor der Öffentlichkeit vertuscht werden, weil man befürchtete, dass sich sonst eine allgemeine Panik ausbreiten könnte. Das aber darf in einem System, das allein auf »Vertrauen« aufgebaut und von ihm zusammengehalten wird, einfach nicht passieren.

Ich erwähne dies nur, weil sich noch eine andere Entwicklung ankündigt, eine andere »Schlange« sich zu bilden beginnt. Diese gegenwärtig sich vollziehende »Schlangenbildung« ist leider diejenige, die die schlimmsten Befürchtungen weckt: Wir stehen vor der »Mutter aller Banken-Runs«. In der vergangenen Woche berichtete Willem Middlekoop, eine weitere Zentralbank − die Nationale Bank van België - wolle ebenfalls ihr Gold nach Belgien zurückholen.

Wie bereits berichtet, hat Deutschland offiziell Anfang 2013 die Rückführung seiner Goldvorräte gefordert und war damit wenig erfolgreich. Und vor wenigen Wochen kündigten die Niederlande die Repatriierung von 122,5 Tonnen ihrer Goldreserven an ... nachdem die Rückführung bereits abgeschlossen war. Nach dieser Erklärung meldete die holländische Zentralbank nämlich, dieTransaktion sei bereits erledigt. Nur wenige Tage später brachte eine wahrscheinliche Kandidatin bei den nächsten französischen Präsidentschaftswahlen die Möglichkeit ins Gespräch, auch Frankreich solle sein Gold zurückholen ... und jetzt schließt sich Belgien dieser Forderung an!!!

Ich habe diese drei Ausrufezeichen bewusst gesetzt, weil nach meiner Ansicht die belgische Zentralbank die Letzte gewesen wäre, von der man erwartet hätte, sich dieser Forderung nach Rückführung der Goldreserven mit nur einem Vorbehalt anzuschließen. Und dieser Vorbehalt besagt: »Wenn sich nicht wirklich etwas Grundsätzliches ändert«. Das bedarf der Erläuterung.

Zunächst einmal ist Belgien der »Sitz« der Europäischen Union. Neben dem Europäischen Rat und der EU-Kommission sitzt auch das Europaparlament in Brüssel. Dort werden alle europäischen Entscheidungen getroffen und auch verkündet (mit deutscher Zustimmung natürlich). Die Entscheidung, die Goldreserven aus ihrem »sicheren Hafen« in New York zurückzuholen, und dies dann auch noch öffentlich anzukündigen, hat für Stirnrunzeln gesorgt, denn hier geht es um Belgien, und nicht um »irgendein« Land in Europa. Brüssel ist eben das wichtigste Verwaltungs- und Entscheidungszentrum der EU.

Wir haben es hier mit Absprachen zwischen der wichtigsten und der zweitwichtigsten westlichen Zentralbank weltweit zu tun. Haben die EU oder die EZB ihre Zustimmung zur Rückführung gegeben? Mir ist klar, dass die belgische Zentralbank und die EZB nicht dasselbe sind, aber würde sie oder irgendeine andere Zentralbank eine Repatriierung ohne Zustimmung der EZB fordern? Die gleiche Frage stellt sich auch im Zusammenhang mit Deutschland und den Niederlanden, auch sie dürften wohl zuvor bei der EZB nachgefragt haben, ob es in Ordnung sei, wenn sie ihr Gold zurückholen.

Wenn wir dieser Angelegenheit jetzt noch etwas genauer nachgehen, möchte ich Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass zu einem früheren Zeitpunkt des Jahres herauskam, dass das kleine »Belgien« amerikanische Staatsanleihen im Wert von 400 Milliarden Dollar besitzt. Dieses Phänomen bezeichnete man damals als »belgische Beule«. Es gab dafür auch keine vernünftige Erklärung, denn als Volkswirtschaft verfügt Belgien gar nicht über die nötigen Mittel, in diesem Umfang Staatsanleihen zu erwerben. (Das gesamte Bruttoinlandsprodukt (BIP) Belgiens betrug 2013 510,59 Milliarden Dollar.)

Entweder wurden diese Ankäufe über Mittelsmänner oder mithilfe der EZB oder auf irgendeine andere Weise getätigt. Genau geklärt wurde die Angelegenheit allerdings meines Wissens nach niemals. Ich erwähne das nur, weil dies auf die engen »Beziehungen« zwischen den USA und Belgien hindeutet. Wenn »Belgien« den USA so sehr vertraut, dass man Staatsanleihen in Höhe von 400 Milliarden Dollar gehortet hat, warum will das Land dann seine Goldreserven zurückholen? Die belgischen Goldreserven belaufen sich auf 227 Tonnen.

2011 wurde bekannt, dass 86 Tonnen davon durch Leasinggeschäfte gebunden waren, was bedeutet, dass sich etwa 141 Tonnen noch in den Tresoren der New Yorker Federal Reserve befinden sollten. Dies entspräche bei einem heutigen Dollarkurs ungefähr einem Wert von fünf Milliarden Dollar. Das »Verhältnis« zwischen US-Staatsanleihen und realem belgischen Gold (wenn es, wie zu hoffen ist, nicht auch »verleast« wurde) beträgt also etwa 80:1, d.h. der Wert des in den USA gelagerten Goldes entspricht einem Achtzigstel des Wertes der von Belgien gehaltenen US-Staatsanleihen.

Welche Bedeutung hat es überhaupt, wie dieses Verhältnis aussieht? Darüber nachzudenken lohnt sich, denn wir haben es hier mit dem grundlegenden Prinzip »Vertrauen« zu tun. Der einzige Grund, aus dem ein Land seine Goldreserven repatriieren will, hängt damit zusammen, dass es real physisch darüber verfügen will. Wenn man davon ausgeht, dass die Goldreserven sicher und geschützt sind, und sich tatsächlich auch dort befinden, wo sie gelagert sein sollen, würde niemand auf die Idee kommen, das Gold zurückzufordern.

Belgien hat schon dadurch seinem Vertrauen Ausdruck verliehen, dass das Land amerikanische Staatsanleihen in der Höhe von 400 Milliarden Dollar hält ... Aber jetzt vertraut es nicht darauf, dass die USA gut auf die belgischen Goldreserven im Wert von weniger als fünf Milliarden Dollar aufpassen? Woher rührt dieses zwiespältige Vertrauen? Tatsächlich möchte ich lieber den Begriff »Verzweigung« des Vertrauens verwenden, und Ja, das ist auch ein Wortspiel.

In einem weiteren Artikel wurde in dieser Woche darauf hingewiesen, dass die EZB die Goldreserven ihrer Mitgliedsländer neu einstuft. Koos Jansen macht uns darin auf einen Sachverhalt aufmerksam, der an sich große Aufmerksamkeit verdiente, aber im Zuge der Meldungen über die Rückführung der Goldreserven in den Hintergrund rückte, obwohl beides eng zusammenhängt.

Die EZB-Mitgliedsstaaten werden offenbar dazu angehalten, bei der Einstufung ihrer Goldreserven zwischen Sammelgold (allocated gold) und einzelverwahrtem Gold (non-allocated gold) zu unterscheiden sowie auch Swap-Positionen und Forderungen gesondert aufzulisten. Theoretisch könnte dies dazu beitragen, Goldbestände weniger undurchsichtig, sondern transparenter zu gestalten, aber warum? Warum wird das Berichtswesen geändert und warum gerade jetzt, wenn die Goldreserven zurückgeholt werden?

Ich kenne die Antwort nicht, aber man darf wohl davon ausgehen, dass sich irgendetwas tatsächlich verändert hat und dieses »irgendetwas« muss wirklich große und grundsätzliche Bedeutung haben. Ich sage deshalb »grundsätzliche Bedeutung«, weil diese Ereignisse eine Politik verändern, die seit 70 Jahren unangefochten gültig war. Seit 70 Jahren hat die Welt ihre Goldreserven bei der New Yorker Niederlassung der amerikanischen NotenbankFederal Reserve (Fed) gelagert, und nie zuvor wurde eine Repatriierung gefordert.

Mit Ausnahme Deutschlands, das 2001 1000 Tonnen Gold aus der Bank von England abzog, war Venezuela das einzige Land, das sein Gold zurückgefordert hat ... bis jetzt. Diese Entwicklung, die jetzt ihren Anfang nimmt, kann man nur als einen Bank-Run, als die »Mutter aller Bank-Runs« und noch dazu als einen »von der altmodischen Art« bezeichnen.

Es wird sehr interessant sein, die kommenden Entwicklungen wegen dieses »altmodischen Charakters« und des Wetteiferns um das Gold, das man uns lange Zeit als wertloses, barbarisches Relikt schlechtgeredet hatte, genau im Auge zu behalten. Heutige Runs auf Banken wurden, wie allgemein bekannt, immer wieder durch die Bereitstellung schier unendlicher Liquidität »beigelegt«.

Man muss sich nur einmal die Bilanzen der Fed, der EZB und der japanischen Zentralbank Nippon Ginko anschauen, um diesen Zusammenhang zu verstehen. Lediglich diese »Lockerung der Geldpolitik«, das endlose Gelddrucken und der Aufkauf wertloser Papiere von den ansonsten zum Untergang verurteilten Banken hielt diese am Leben. Diese Möglichkeit, ständig neue Liquidität bereitzustellen, war der entscheidende Faktor, aber die Tatsache, dass man Gold nicht beliebig aus dem Nichts schaffen kann, ist heute der Stolperstein.

Während sich dieser Bank-Run weiter fortsetzt, vergessen Sie nicht, dass die Zentralbanken jedem, der es hören will, die wahre Definition dessen, was Geld eigentlich sei, deutlich machen werden - durch ihr Handeln - , nicht durch ihre tatsächlichen Verlautbarungen. Indem sich die Zentralbanken so um das Gold streiten, machen sie damit für jedermann deutlich sichtbar, was der wirkliche Wert des Geldes ist und was nicht, denn immerhin streiten sich die Zentralbanken über Goldbestände, die in Dollar gemessen kaum eine Bedeutung haben sollten.

Verstehen Sie, was ich Ihnen damit zu sagen versuche? Für die Zentralbanken geht es hier doch eigentlich nur um »einige zig Milliarden Dollar«, sozusagen um »Peanuts«, warum also die ganze Aufregung? Aber vielleicht erleben wir hier den Beginn eines Kampfes »um das eigentliche Geld weltweit«. Und damit ginge es diesmal praktisch ums Ganze.

Eine letzte Anmerkung: Sollte sich Belgien tatsächlich dafür entscheiden, ihre Goldreserven zurückzuholen, würde dies bedeuten, dass Deutschland, die Niederlande und Belgien alle das gleiche Ziel verfolgten. Und ich nehme einmal an, dass Österreich wahrscheinlich als Nächstes an der Reihe wäre. Welche Bedeutung hätte dies? Letzten Endes könnte dies möglicherweise darauf hinauslaufen, dass die Europäische Union in einen »nördlichen« und einen »südlichen« Teil auseinanderbricht.

Die Länder, die dann tatsächlich über ihre realen Goldreserven verfügen können, würden von einem Anstieg des Goldpreises profitieren, was dann die Einführung eines »Nord-Euros« mit einer teilweisen Golddeckung ermöglichen würde. Die Bildung einer solchen »Schlange« zeichnet sich ab, und man sollte tunlichst vermeiden, an ihrem Ende zu stehen.