Rituelle Menschenopfer spielten eine wichtige Rolle beim Aufbau hierarchischer Gesellschaften. Denn sie trugen entscheidend dazu bei, dass die sozialen Eliten ihre Macht über die unteren sozialen Schichten festigen und weiter ausbauen konnten. Das zeigt eine neue in Nature veröffentlichte Studie. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena, der Universität Auckland und der Viktoria Universität Wellington untersuchten dabei den Zusammenhang zwischen der Tötung von Menschen und wie ungleich oder hierarchisch eine Gesellschaft strukturiert war.
© UnbekanntTötung eines menschlichen Opfers. Gemälde von Jacques Arago, 1819. Coloriert durch Joseph Watts. University of Auckland
»Religion wird traditionell als ein Schlüsselfaktor für Moral und Kooperation in Gesellschaften gesehen, aber unsere Studie zeigt, dass religiöse Rituale noch eine andere, dunkle Rolle bei der Entwicklung moderner Gesellschaften spielen«, sagt Joseph Watts von den Universität Auckland, Hauptautor der Studie.
Das Forschungsteam verwendete computerbasierte Methoden aus der Evolutions-biologie, um die Daten von 93 historischen Kulturen des sogenannten austronesischen Raums zu analysieren. Menschenopfer waren in den analysierten Gesellschaften weit verbreitet: 40 von ihnen praktizierten in der einen oder anderen Form ritualisierte Tötungen. Der Begriff »austronesisch« bezieht sich auf eine große Sprachfamilie, deren Ursprungsland Taiwan ist und deren Verbreitungsgebiet, sich über weite Teile des indischen und Teile des pazifischen Ozeans erstreckt. Austronesische Kulturen bilden eine Art natürliches Labor für interkulturelle Studien, da sie eine riesige Bandbreite an Religionen, Sprachen, Gesellschaftsgrößen und -formen aufweisen und in unterschiedlichsten klimatischen und geografischen Regionen angesiedelt sind.
Die Methoden der rituellen Tötungen in diesen Kulturen waren vielfältig und teilweise extrem grausam. Anlass für die Tötung konnte zum Beispiel das Begräbnis eines Anführers, die Einweihung eines neuen Bootes oder Hauses oder die Bestrafung für die Verletzung von Traditionen oder Tabus sein. Die Opfer hatten typischerweise einen niedrigen sozialen Status, sie waren beispielsweise Sklaven, während die Initiatoren der Menschenopfer normalerweise zu den gesellschaftlichen Eliten gehörten, wie zum Beispiel Priester oder Häuptlinge.
Kommentar: Es gibt zahlreiche Hinweise dafür, dass es hochentwickelte Zivilisationen auf der Erde gab, von der wir nichts wissen: