Die Proteste von Zehntausenden enttäuschten Ägyptern gegen die neue islamistische Regierung sind eskaliert. In Suez starben am zweiten Jahrestag des Aufstands gegen Präsident Mubarak mindestens vier Menschen bei einem Feuergefecht, insgesamt gab es landesweit über 250 Verletzte.
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© dpaBehandlung eines Verletzten: In Kairo kam es vor allem in der Nähe des Tahrir-Platzes zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten.
Kairo - Manche reden schon vom Beginn einer zweiten Revolution. Zehntausende Menschen gingen am Freitag in Ägypten gegen die neue islamistische Regierung auf die Straßen. Sie erinnerten am zweiten Jahrestag des Aufstands gegen Präsident Husni Mubarak an ihren Kampf für einen Regimewechsel. In mehreren Städten eskalierte die Gewalt zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. In Suez kamen Helfern zufolge mindestens vier Menschen bei einem Feuergefecht ums Leben.

Landesweit wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums rund 250 Demonstranten und Polizisten verletzt. In Ismailija am Suez-Kanal zündeten Randalierer das Gebäude der Partei der Muslimbrüder an und verwüsteten den Sitz des Gouverneurs.

In Kairo fuhr Staatschef Mohammed Mursi durch einen Hintereingang in den von Demonstranten belagerten Präsidentenpalast. Die Opposition wirft ihm vor, er habe die "Ziele der Revolution" verraten. Der Aufstand hatte am 25. Januar 2011 begonnen und 17 Tage später zum Rücktritt Mubaraks geführt. Auch rund um den Präsidentenpalast kam es am Abend zu Straßenschlachten, bei denen Steine flogen. Die Polizei setzte Tränengas ein.

Die Muslimbrüder, die Mursi im vergangenen Jahr als ihren Kandidaten für die Präsidentenwahl nominiert hatten, beteiligten sich nicht an den Protestaktionen. Beim ersten "Revolutionsgeburtstag" 2012 waren die Islamisten mit dabei gewesen. Damals war noch der Militärrat an der Macht, der Mubarak ein Jahr zuvor zum Rücktritt gezwungen hatte.

Zusammenstöße nahe dem Tahrir-Platz

In der Hauptstadt Kairo trafen am Nachmittag mehrere Protestmärsche auf dem zentralen Tahrir-Platz zusammen, auf dem am 25. Januar 2011 die Proteste gegen Mubarak begonnen hatten. Unter den Demonstranten waren der ehemalige Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, sowie Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei und der populäre linke Oppositionelle Hamdin Sabahi. Die Protestierenden skandierten unter anderem: "Das Volk will das Regime stürzen." Diese Parole wurde zu einem der Leitsätze des arabischen Frühlings.

Während es auf dem Tahrir-Platz relativ friedlich blieb, kam es in zwei Nebenstraßen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen der Polizei und einigen Demonstranten. Bereits am Vorabend der geplanten Demonstrationen hatte es in der Umgebung des Platzes Gewalt zwischen Polizisten und jungen Regierungsgegnern gegeben, die eine Betonmauer vor dem Regierungsviertel niederreißen wollten. Dabei waren 16 Menschen verletzt worden.

In der Hafenstadt Alexandria setzte die Polizei Tränengas gegen Demonstranten ein. Diese bewarfen die Beamten mit Steinen. "Für soziale Gerechtigkeit" und "gegen die Herrschaft der Muslimbrüder" demonstrierten Anhänger von Oppositionsparteien etwa auch in der östlichen Stadt Suez und in der Touristenstadt Luxor. Einige Demonstranten forderten die Todesstrafe für jeden, der Schuld am Tod der Demonstranten bei den Protesten 2011 trage.

Mursi hatte am Donnerstag von einer "Konterrevolution" gesprochen. Er behauptete, die Proteste würden von "Überbleibseln des Mubarak-Regimes" gesteuert.

ler/dpa/dapd/Reuters