Ein ukrainischer Artillerie-Offizier beschreibt die Lage an der Front als dramatisch. Ohne Munitions-Nachschub aus den USA bröckelt die Front.

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Der Artillerieoffizier an der Front in der Ost-Ukraine bringt es schnell auf den Punkt: "Ohne Artillerie-Munition ist jede Front dem Untergang geweiht", sagt der Mann im DW-Interview. Seine aktuellen Beschreibungen von der Lage an der Front sind düster in Anbetracht des Munitionsmangels der ukrainischen Streitkräfte. Der Offizier möchte anonym bleiben. Dienstgrad, Name und Position des Kommandierenden einer ukrainischen Artillerie-Einheit sind der DW bekannt.


Kommentar: Es fehlt nicht nur an Munition, sondern an geschultem Personal und Moral.


Russland feuert aus allen Rohren

"Die Verluste werden steigen, da es nicht möglich ist, Feuer mit Feuer angemessen zu erwidern." Die russischen Angreifer hingegen können aus allen Rohren feuern: Die ukrainischen Soldatinnen und Soldaten werden mit Trommelfeuer der russischen Artillerie eingedeckt. Russische Kampfflugzeuge bombardieren ukrainische Stellungen mit Gleitbomben - ausgelöst aus sicherer Entfernung weiter hinter der Front, außerhalb der Reichweite der ukrainischen Flugabwehr, an der es ohnehin genauso mangelt.

"Irgendwann kommen wir in die Situation", sagt der Offizier, "dass niemand mehr die Front verteidigen kann - alle sind entweder tot oder verwundet." Und er macht klar, womit er rechnet: Das Ergebnis sei "der Verlust von Stellungen und eine bröckelnde Front."

Die Schilderungen von der ukrainischen Front werden von einer jüngsten Analyse des US-amerikanischen Institute for the Study of War (ISW) gestützt. Demnach rücken die russischen Angreifer "langsam, aber stetig in mehreren Abschnitten der Front vor".

Russische Landgewinne von der Größe Detroits

Nach einer ISW-Berechnung von Mitte April haben die russischen Streitkräfte seit Anfang des Jahres "über 360 Quadratkilometer erobert - ein Gebiet von der Größe Detroits", der größten Stadt im US-Bundesstaat Michigan, schreibt das ISW in einer jüngsten Analyse.

Die Gefahr, dass die Ukraine nach aktueller Lage gegen die angreifenden Truppen des russischen Präsidenten Wladimir Putin verliert, ist so groß wie seit 2022 in diesem Krieg nicht mehr. Das heißt, ohne erheblichen Nachschub an Waffen und Munition der westlichen Unterstützerstaaten. Das machten übereinstimmend CIA-Direktor Bill Burns und Christopher Cavoli, der Befehlshaber der US-Streitkräfte in Europa, Mitte April bei Auftritten in der US-Hauptstadt Washington deutlich.


Kommentar: Noch einmal: Es mangelt an allem und nicht nur an Munition.


"Es besteht ein sehr reales Risiko, dass die Ukrainer bis Ende 2024 auf dem Schlachtfeld verlieren oder zumindest Putin in eine Position kommt, in der er die Bedingungen für eine politische Lösung diktieren kann", so Burns nach übereinstimmenden US-Medienberichten bei einer Rede in Washington.

CIA-Chef Burns: Durchalten nur mit US-Nachschub möglich

Entscheidend sei, ob die USA jetzt schnell Nachschub lieferten. Damit hätte die Ukraine wiederum gute Chancen, 2024 "durchzuhalten".


Kommentar: Und der Krieg dauert länger und die Verluste steigen weiter.

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Dass CIA-Chef Burns derzeit von "durchhalten" spricht, deutet auf die Hoffnung hin, dass Kiew irgendwann seine Rüstungsindustrie so hochgefahren hat, dass sich die Ukraine langfristig selbst verteidigen kann. Und: auf den Aufbau einer Luftstreitmacht mit westlicher Hilfe. Seit 2023 werden ukrainische Piloten für den Einsatz in US-Kampfjets des Typs F-16 trainiert.


Kommentar: Das ist die Illusion und Ignoranz des Westens.

Deutsche Elite träumt weiter vom Sieg der Ukraine


Doch das Training dauert jetzt schon viel länger, als Militärexperten der NATO lange glaubten.

Auf eine schriftliche Anfrage der DW zur Einsatzbarkeit der F-16 und zum Fortschritt der Ausbildung ukrainischer Piloten in europäischen NATO-Staaten wie Rumänien, Großbritannien oder Frankreich will der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe nicht detailliert antworten. "Das ist ein sehr heikles Thema", schreibt der Pressesprecher wortkarg, er könne dazu nichts sagen.

Ukrainische Piloten: F-16-Ausbildung mit schlechten Englisch-Kenntnissen

Der Kommandeur der US-Streitkräfte in Europa, Christopher Cavoli, sagte zuletzt bei einem Besuch in Washington, dass es den ukrainischen Piloten oft an Englisch-Kenntnissen fehle.

Ähnlich wie CIA-Chef Burns zeichnet Cavoli ein düsteres Bild von der Lage der Ukrainer an der Front. Er könne zwar "die Zukunft nicht vorhersagen, aber ich kann einfache Mathematik", so der oberste General des European Command (EUCOM) der US-Streitkräfte. "Nach meiner Erfahrung aus über 37 Jahren beim US-Militär gilt: Wenn eine Seite schießen kann und die andere Seite nicht zurückschießen kann, verliert die Seite, die nicht zurückschießen kann."

Ein über Monate hinweg von den US-Republikanern blockiertes Hilfspaket für die Ukraine beläuft sich auf 61 Milliarden US-Dollar (57,2 Milliarden Euro). Davon sind neben Geld für den ukrainischen Haushalt und Wirtschaftshilfen 51,7 Milliarden US-Dollar für den Nachschub von Munition und Waffen vorgesehen, heißt es in einer Pressemitteilung des ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal nach seinem jüngsten Besuch in den USA.

An diesem Samstag soll im US-Repräsentantenhaus die Abstimmung über die Freigabe der Ukraine-Hilfen stattfinden.

Ukrainische Erfolge täuschen über Gesamtlage hinweg

Wie existentiell für die Ukraine in dieser Phase des Krieges der schnelle Munitions-Nachschub aus den USA ist, wird immer wieder vor allem auf Social-Media-Plattformen von Erfolgsmitteilungen aus der Ukraine verdrängt. Tatsächlich hatte das Land Mitte April erstmals den Abschuss eines russischen Überschallbombers vom Typ Tupolew Tu-22M3 bekannt gegeben. Erneut seien zudem Radarstellungen auf der von Russland besetzten Halbinsel Krim getroffen worden, über die Moskau Nachschub für seine Truppen in der Süd-Ukraine organisiert.


Kommentar: Diese Erfolge werden besser dargestellt, als, was sie wirklich sind. Es sind Wermutstropfen eines von Anfang gescheiterten Krieges.


Doch: Es sind offenbar vor allem Nadelstiche im Vergleich zum massiven Druck der Russen an der Front und aus der Luft wie zuletzt bei Angriffen auf die Stadt Tschernihiw, 70 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Kiew oder dem regelmäßigen Beschuss der zweitgrößten Stadt Charkiw im Nordosten an der Grenze zu Russland.

Putin will Zwischenerfolg in Tschassiw Jar vor dem 9. Mai

Nach einem Frontbesuch schreibt der Oberkommandierende der ukrainischen Soldaten, Oleksandr Syrskyj, auf dem Messenger-Dienst Telegram, Russland konzentriere sich derzeit darauf, "unsere Verteidigungsanlagen westlich von Bachmut zu durchbrechen, sich Zugang zum Siversky-Donez-Donbass-Kanal zu verschaffen, die Siedlung Tschassiw Jar einzunehmen und die Voraussetzungen für ein weiteres Vordringen in Richtung des Großraums Kramatorsk zu schaffen".

Die Gemeinde Tschassiw Jar liegt auf einer Anhöhe, die den ukrainischen Verteidigern Vorteile bietet. Syrskyj schreibt bei Telegram, die Einnahme dieser Position sei ein Auftrag Putins an die russischen Streitkräfte - "bis zum 9. Mai". Dann begeht Putin den Jahrestag des sowjetischen Sieges über Nazi-Deutschland.

Der deutsche Sicherheitsexperte und Ukraine-Kenner Nico Lange schreibt in einer aktuellen Analyse, die Ukraine könne "die Frontlinie im Osten nicht halten, sondern nur den russischen Angriff verzögern".

Vor allem durch den Einsatz von Drohnen, die mit Sprengsätzen bestückt sind. Doch "Drohnen sind kein Ersatz für Artillerie", sagt der von der DW interviewte Artillerie-Offizier in der Ost-Ukraine. Entscheidend sei, ob er und seine Leute jetzt Munitions-Nachschub erhalten - so schnell wie möglich.