London (Großbritannien) - Aufgrund von insgesamt sechs Farbfotografien gilt die UFO-Sichtung von Calvine im schottischen Perthshire im Jahre 1990 als eine der am besten dokumentierten UFO-Sichtungen Großbritanniens. Die dazugehörige "UFO-Akte" des britischen Verteidigungsministeriums (Ministry of Defence, MoD) sollte - nach Ablauf der üblichen 30-Jahre Sperrfrist - am kommenden 1. Januar 2021 für die Öffentlichkeit freigegeben werden. Nun aber will das MoD, diese Freigabe um weitere 50 Jahre (!) verlängern.
Calvine-Fotos
© Channel5.comKünstlerische Rekonstruktion eines der “Calvine-Fotos” auf der Grundlage von s/w-Kopien und Nick Pope‘s Beschreibungen (Illu).
UPDATE 9. August 2022: In einer erneuten Überprüfung der Ausgangssituation angesichts einer Anfrage nach Bekanntgabe der Namen der Fotografen der Calvine-Fotos kam das "Inormation Commissioner's Office" (ICO) der britischen Regierung erst kürzlich (21.07.2022) erneut zu der Entscheidung, dass die Identät der Fotografen unter Berufung auf das Persönlichkeits- und Datenschutz Vorrang vor dem allgemeinen öffentlichen Interesse an dem Fall habe. Deshalb, so die Entscheidung, bleiben die Namen weiterhin klassifiziert und auch die Akte selbst bis 2076 gesperrt. Das offizielle Antwortschreibung zur Entscheidung des ICO finden Sie HIER.
Zunächst berichtete die britische Boulevard-Zeitung "The Sun" über die Sperrung der Akte für weitere 50 Jahre - also bis ins Jahr 2072. Auf diese Weise wäre die Akte dann insgesamt 82 Jahre für die Öffentlichkeit gesperrt gewesen. Zugleich berichtet die "Sun" aber auch, dass es derzeit von Seiten einiger Journalisten und UFO-Forscher Bemühungen in Form einer Beschwerde sowohl bei den britischen National Archives als auch bei MoD gegen die Entscheidung gebe. Eine Anfrage der Zeitung in der Sache blieb bislang von Seiten des National Archives unbeantwortet. Auch eine Anfrage von Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) blieb bis zum Redaktionsschluss dieser Meldung unbeantwortet.

Nachdem die "Sun" selbst allerdings keine direkten Quellen ausweist, war GreWi um eine überprüfbare Klärung der Frage bemüht und hat bei Dr. David Clarke von der Sheffield Hallam University, der als Historiker die seit 2008 andauernde Veröffentlichung der britischen UFO-Akten über die National Archives betreut nachgefragt. In der Sache erläutert Dr. Clarke gegenüber GreWi folgendes:
"Der Sun-Artikel ist - wie erwartet - völliger Unsinn. Das Fazit lautet: Alle ursprünglichen UFO-Akten des MoD ab 1984, die nach 30 Jahren bis 2005 (als das Gesetz über die Informationsfreiheit, der sog. Freedom of Information Act, in Kraft trat) ins Nationalarchiv übertragen wurden, werden jetzt für einen Zeitraum von bis zu 80 Jahren aufbewahrt, da sie 'personenbezogene Daten' enthalten. Das ist laut dem britischen Datenschutzgesetz (Data Protection Act, DPA) Vorschrift. Derzeit sind etwa 20 bis 25 Akten betroffen, die von 2005 bis heute an den National Archives übergeben wurden. Die Akten, die sich mit dem Calvine-Vorfall befassen, haben nichts Besonderes, nur dass sie am 1. Januar 2021 hätten veröffentlicht werden sollen, aber jetzt tatsächlich bis 2070 zurückgehalten werden. Eine Formsache.

Dr. David Clarke
© SHU.ac.ukDr. David Clarke
Das einzige, was in den bislang dazu bekannten Akten zu dem Fall fehlt, sind Namen und Adressen der Sichtungsmelder, also der Zeugen und damit auch die Identität der Fotografen der Calvine-Fotos. Ich selbst habe beim Büro des Information Commissioners eine Beschwerde über die 80-jährige Schließungspolitik eingereicht, die derzeit Gegenstand einer Untersuchung ist."

Natürlich sei die Frage nach dem Verbleib der Originalfotos und die nach der Identität der Fotografen der Schlüssel zur Lösung dieses Rätsels, so Clarke gegenüber GreWi-Herausgeber Andreas Müller weiter. "Die Fotografen schickten die Fotos ursprünglich kurz nach ihrem Erlebnis an den 'Scottish Daily Record' in Glasgow. Der 'Daily Record' schickte sie an das Verteidigungsministerium, das Kopien davon anfertigte und einen Geheimdienstoffizier schickte, um die Zeugen in Schottland zu befragen. Ich selbst habe mit diesem Beamten ihm gesprochen und er bestätigte diese Tatsache.

Was aber schon unglaublich ist, ist der Umstand, dass der 'Daily Record' die Geschichte nie veröffentlicht hat, obwohl die Zeitung 1990 Zugang zu den Fotos hatte! Ich habe mich 2009 bei der Nachrichten- und Fotoredaktion erkundigt, als die redigierten Dateien veröffentlicht wurden. Aber niemand erinnerte sich an die Geschichte oder konnte erklären, warum sie nicht gebracht wurde und die Fotos zu der Zeit nicht veröffentlicht wurden.

Seitdem habe ich den Verdacht, dass die Unterlagen entweder durch eine D-Notice des MoD von einer Veröffentlichungen ausgeschlossen wurden (Anm.GreWi: Bei einer D-Notice/DA-Notice also einer "Defence Advisory Notice" handelt es sich um eine offizielle Anforderung britischer Behörden an Medien-Herausgeber, spezifische Informationen im Interesse der nationalen Sicherheit weder zu senden noch sonst in irgendeiner Form herauszugeben.) oder die Zeitung wurde anderweitig vom Verteidigungsministerium überredet, die Geschichte aus Gründen der "nationalen Sicherheit" nicht zu veröffentlichen.

Dies könnte daran gelegen haben, dass man beim MoD vermutete, dass das "UFO" ein streng geheimes US-Spionageflugzeug war, das unter Geheimhaltung über Großbritannien operierte. Da die zuständigen Minister im Parlament aber erklärt hatten, dass so etwas nicht passiert ist, wären Fotos davon dann doch äußerst peinlich.

Wenn Sie die Identität der Fotografen bis 2070 geheim bleibt, werden diese zu diesem Zeitpunkt ganz sicher tot und begraben sein, bevor ihre Namen veröffentlicht werden - was den Verdacht einer Vertuschung nur noch verstärkt.

Die Anwendung des Datenschutzgesetzes zur Verhinderung der Veröffentlichung ist höchst fraglich, weshalb ich dies über das Büro des Informationskommissars in meiner Beschwerde auch in Frage stelle. Im Fall Calvine haben die Fotografen ihre Fotos an eine Zeitung geschickt, daher ist die Behauptung, sie hätten anonym bleiben wollen, lächerlich.

Übrigens bin ich überzeugt, dass das Verteidigungsministerium Kopien der Originalnegative und / oder Abzüge davon (aufbewahrt) hat. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass diese zerstört oder an die Fotografen zurückgegeben wurden, wie behauptet wurde.

Das Ganze ist eine gute Geschichte, aber es ist schade, dass die 'Sun' und ihr sogenannter "Experte" (Nick Pope) sie ruinieren durften."