Termindruck, Überstunden, emotionaler Stress, schlechter Schlaf und einfach keine Zeit mehr für die Dinge, die man eigentlich tun möchte. Kommt Ihnen das bekannt vor? Da sind Sie nicht allein. Einer Umfrage aus dem Jahr 2018 zufolge geht es neun von zehn Arbeitnehmern in Deutschland ganz genauso. Wenn Sie sich bei diesen Zeilen ertappt fühlen, ist spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, sich zwei elementare Fragen zu stellen - und anhand ihrer Antworten eine tiefgreifende Entscheidung zu fällen. Sie klingen zunächst einfach, gehen aber durchaus ins Eingemachte:
- Was will ich für ein Mensch sein?
- Wozu will ich dieses Leben nutzen?
Den Menschen muss es gut gehen, damit sie ihr Potential entfalten können
Die wichtigste Erkenntnis aus seiner Arbeit ist aber die, der er sich nun, da er in Rente ist, widmet: Das menschliche Hirn funktioniert nur dann gut, wenn es dem zugehörigen Menschen auch gut geht. Das klingt erst einmal banal. Tatsache ist jedoch: Jedem, der sich so fühlt wie anfangs beschrieben, geht es nun mal nicht gut - was wiederum Gefahren für seine Gesundheit, aber auch für die gesamte Welt mit all ihren Menschen, Tieren und Pflanzen birgt. Das liegt laut dem Experten daran, dass so diejenigen Menschen, die "ganz oben" in der Hierarchie stehen, Land und Leute einfacher ausbeuten können - ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Gegenwehr.
"Ich halte das nicht mehr länger aus, dass eine vorübergehend irregeleitete Spezies auf diesem Planeten dabei ist, diese über Millionen Jahre gewachsene Vielfalt des Lebendigen zu zerstören", sagte Hüther etwa auch im MDR Kultur-Café. Weiter formulierte er: "Wenn wir so weiter machen wie bisher, haben wir keine Chance".
Er plädiert dafür, Möglichkeiten zu finden, das Zusammenleben so zu organisieren, dass wir weniger Energie verbrauchen, die Ressourcen dieser Erde zu schätzen wissen und die Vielfalt des Lebendigen wieder wahren. "Wir müssen lernen, uns ebenbürtig zu behandeln", erklärt er im Gespräch mit FOCUS Online.
Wenn das nicht funktioniere, so Hüther, gehe es mit der Menschheit rapide bergab. "Wir leben in einer Welt, die von Hierarchien und Leistung bestimmt wird. Je höher jemand in der Hierarchie ist, desto eher behandelt er die Menschen "unter ihm" wie Objekte. Dass auch diese Person ein Mensch ist, gerät dabei in Vergessenheit. Viele denken nur noch an Ziele, Zahlen - und Profite."
Menschen werden von Kindheit an auf Leistung getrimmt
Ein Mensch, der sich seiner eigenen Würde bewusst ist, sei weniger anfällig für derartige Mechanismen. Aber warum lassen Menschen sich dennoch so behandeln? Auch dafür hat der Wissenschaftler eine Antwort: "Wir werden in diese Gesellschaft mit all ihren Eigenheiten geboren. Schon in der Schule werden die Kinder auf Leistung getrimmt. Und wer nicht genug Leistung bringt, wird abgestraft. So viele Menschen haben schon in jungen Jahren gar keine Perspektive mehr." Lösungsansätze dafür entwickelt er unter anderem in seiner "Akademie für Potentialentfaltung" und der Initiative "Schule im Aufbruch".
Um aus einem System von Zwängen und Vorschriften ausbrechen zu können, müssten die Menschen laut dem Experten vor Allem eines tun: Sich ihrer eigenen Würde bewusst werden, indem sie eine einfache Entscheidung treffen - für sich. Doch laut dem Forscher haben viele Menschen davor Angst, eine solche zu treffen: "Wir haben heutzutage einfach zu viele Optionen. Und viele gehen irrtümlicherweise davon aus, dass ihnen die anderen Optionen verloren gehen, wenn sie sich für eine einzige entscheiden - aber das stimmt so nicht", erklärt er. Um die richtige Entscheidung zu treffen, müssen Sie dem Experten zufolge nur oben genannte Fragen beantworten.
Der Anfang von etwas Großem: Eigene Räume schaffen
Anhand der Antworten sollte jeder Mensch eine Entscheidung für sich treffen. Und zwar keine, die aus einer Kosten-Nutzen-Kalkulation entstanden ist. Er soll sich bewusst machen, was er braucht, um seinen Weg gehen zu können. "Wichtig dabei ist auch, dass Menschen sich eigene Räume schaffen, die sie selbst gestalten. Das kann der Yoga-Kurs für die gestresste Mutter sein, Trompete lernen, ein Ehrenamt oder einige Stunden an einem einsamen Schreibtisch mit nichts weiter als einem Stift und einem Blatt Papier. Das, so erklärt Hüther, gebe Menschen das Gefühl, lebendig zu sein. Andersherum leben viele Menschen nur noch, um den Vorstellungen anderer zu entsprechen und zu funktionieren. "Das macht auf Dauer krank und unglücklich."
Zu esoterisch? Hüthers Thesen fundieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen
Auf die Frage, ob das nicht alles ein wenig esoterisch sei, hat der Neurobiologe ebenfalls eine Antwort. Sanft erklärt er: "All diese Dinge stimmen mit den neuesten Erkenntnissen der Hirnforschung überein. Die Arbeitsleistung des Gehirns wird dadurch bestimmt, dass es ständig versucht, einen sogenannten kohärenten Zustand herzustellen". Das bedeute, dass es fortlaufend versuche, einen Zustand zu erreichen, in dem es möglichst wenig Energie braucht.
Möglichst wenig Energie verbrauchen: Gehirn strebt immer nach Kohärenz
"Streiten wir zum Beispiel mit jemandem, ist diese Kohärenz nicht gegeben. Dann sucht das Gehirn nach Lösungen, um die Kohärenz wiederherzustellen". Dafür gebe es kurzfristige Lösungen, wie zum Beispiel Alkohol zu trinken oder shoppen zu gehen, oder eben langfristige: "Wir müssen wissen, wofür wir etwas machen", erklärt Hüther. Wenn wir uns von den Anstrengungen eine Art Endziel erhoffen, dann könne unser Gehirn mit inkohärenten Zuständen auch einmal umgehen. Ein Endziel könne der Traumberuf nach einem anstrengenden Studium genauso wie ein Eigenheim oder der Urlaub im Traumland sein. Etwas, wovon wir uns "eine besonders große Kohärenz" versprechen.
Ziel formulieren: Wir brauchen langfristige Perspektiven
"Wenn wir allerdings nur noch unter Strom stehen und selbst nicht wissen, wofür wir etwas tun, dann steht unser Gehirn irgendwann unter Feuer. Wir suchen immer wieder nach kurzfristigen Lösungen, worüber sich die Wirtschaft freut - denn sie kurbeln den Konsum an. Letztendlich leidet aber unsere Gesundheit: Denn wenn das Gehirn nicht mehr richtig arbeiten kann, kann es auch den Körper nicht mehr richtig versorgen. Die Folge: Krankheiten. Dann freuen sich die Mediziner."
Menschen sind soziale Wesen: Der große Wandel klappt nur in der Gruppe
Generell ist der Wissenschaftler überzeugt, dass die Menschheit nur gemeinsam ihr ganzes Potential entfalten kann. Deshalb hat er 2015 auch die "Akademie für Potentialentfaltung" gegründet. "Der Mensch ist ein soziales Wesen", meint er dazu. "Alles, was wir können und wissen, haben wir von den Menschen gelernt, die vor uns da waren".
Daraus folgert Hüther, dass Menschen einander brauchen, um wirklich glücklich sein zu können. "Indem wir einmal auf Kritik und Nörgeleien verzichten und stattdessen wertschätzend und motivierend miteinander umgehen, können wir zu Großem wachsen". Ein erster Schritt, den keine hierarchische Struktur unterbinden kann: "Lächeln Sie Ihre Mitmenschen doch einfach einmal wieder an. Sie werden erstaunt sein, was aus einem Lächeln wachsen kann".
Die Formel zum Glück
Aus den Ratschlägen des sanftmütigen Wissenschaftlers lässt sich eine Art Glücksformel erstellen. Damit Sie und die Menschen um Sie herum glücklich sein können, sollten Sie demnach folgende Punkte beachten:
- Stellen Sie sich die entscheidenden Fragen: Wer will ich sein? Wozu will ich dieses Leben nutzen?
- Treffen Sie anhand Ihrer Antworten eine Entscheidung, die Ihnen hilft, dort anzukommen.
- Wahren Sie Ihre Würde - und behandeln Sie andere würdevoll.
- Begegnen Sie Ihren Mitmenschen mit Respekt, Wohlwollen und auf Augenhöhe. Ermutigen Sie sich gegenseitig!
Würde + Respekt + Wohlwollen = maximale Potentialentfaltung = Glück
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