Der Saatgut-Gigant Monsanto strich mehr als 23 Mio. Dollar an Strafgeldern von Hunderten von Kleinbauern ein, die beschuldigt wurden, das gentechnisch veränderte Saatgut des Konzerns ein zweites Mal eingesetzt zu haben. Jetzt ist ein weiteres Verfahren anhängig, das einen wegweisenden Präzedenzfall für die Zukunft der Eigentumsrechte an Saatgut schaffen könnte.
Saatgut, Bauer, Mais
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Diese Rechtsstreitigkeiten betreffen die Patentrechte Monsantos an seinem Saatgut. Das Unternehmen will erreichen, dass Landwirte in der zweiten Vermehrung oder Generation keine Pflanzen auspflanzen dürfen, die aus Saatgut des Konzerns gezogen wurden. Dieses Konzept
bezeichnete eine am vergangenen Dienstag veröffentlichte Untersuchung mit dem Titel "Saatgut-Giganten gegen amerikanische Farmer" als Versuch, eine »Saatgut-Oligarchie« zu errichten.

In dem Bericht des Center for Food Security (CFS) heißt es, man sei auf 142 Verfahren wegen Patentverletzung (Stand: Dezember 2012) gestoßen, die gegen 410 Landwirte und 56 kleinere Unternehmen in mehr als 27 amerikanischen Bundesstaaten eingeleitet worden seien. Monsanto habe dabei mehr als 23 Mio. Dollar an Strafgeldern eingesackt. Die Untersuchung wurde von der Kampagne Save our Seeds (SOS)mit durchgeführt.

Jetzt steht ein weiteres Verfahren zur Entscheidung an, das in der Öffentlichkeit breite Aufmerksamkeit erregt hat: Vom Ausgang dieses Verfahrens wird abhängen, wer das Recht kontrolliert, Saatgut einzusetzen. Zugleich wird darüber entschieden, ob Patenthalter von anderen Produkten, die sich selbst reproduzieren können - wie etwa Stammzellen oder Bakterienstämme, die in der medizinischen Forschung eingesetzt werden - , auch nach dem Verkauf die Kontrolle über ihre Produkte behalten oder nicht. Diese Frage war bis vor Kurzem noch niemals aufgeworfen worden. »Wir haben es hier mit Gesetzen und Vorschriften zu tun, die aus dem 19. Jahrhundert stammen, als selbstreplizierende Technologien noch unbekannt waren«, erklärte Jorge Contreras, außerordentlicher Professor für Jura an der American University in Washington gegenüber Bloomberg Businessweek.

Viele habe diesen Rechtsstreit, in dem sich der milliardenschwere Konzern Monsanto und der 76-jährige Farmer Vernon Hugh Bowman gegenüberstehen, als einen Kampf von »David und Goliath« bezeichnet. Bowman hatte erklärt, ihm gehe es vor allem um Gerechtigkeit. »Ich sehe das nicht als einen Kampf ›David gegen Goliath‹«, sagte Bowman gegenüber der britischen Tageszeitung Guardian. »Ich denke nicht in solchen Kategorien. Mir geht es darum, was Recht und was Unrecht ist.«

Im Zentrum des Verfahrens steht der Anspruch Monsantos auf Patentschutz für seine Sojabohnen, die als »Roundup Ready« bekannt sind. Wenn Landwirte wie Bowman Saatgut des Konzerns einsetzen, ist es ihnen nur gestattet, die daraus hervorgehenden Früchte zu ernten, sie dürfen keinen Teil der Ernte für die kommende Aussaat der zweiten Generation zurückhalten.

Entsprechend dieser Regeln müsste dann jeder Landwirt in jeder Pflanzsaison erneut Saatgut von Monsanto kaufen, selbst wenn er über eigenes Saatgut verfügt. Landwirte können aber durchaus überschüssige Sojabohnen aus regionalen Silos kaufen, von denen viele möglicherweise mit Roundup-Ready-Saatgut gefüllt sind. Bei einer Fahrt Bowmans zu einem solchen Silo geriet der Farmer ins Visier von Monsanto. »Wir hatten immer das Recht, zu einem Silo zu fahren, dort etwas von den überschüssigen Erzeugnissen zu kaufen und es nach Belieben auszusäen«, erläuterte Bowman. Aber genau diese Frage, ob er wirklich dazu berechtigt ist, wurde bisher noch nie endgültig geklärt und liegt jetzt einem Richter des Obersten Gerichts zur Entscheidung vor.

Monsanto steht auf dem Standpunkt, es behalte seinen Patentschutz auf sein gentechnisch verändertes Saatgut auch dann, wenn es von einer dritten Partei, in diesem Fall aus einem Silo, verkauft werde. Zudem gelte der Schutz auch über Pflanzengenerationen hinweg, d.h. er erstrecke sich auch auf alles Saatgut, das ursprünglich aus Monsanto-Saatgut erzeugt worden sei.

Der Konzern verlor keine Zeit und verklagte Bowman und erwirkte 2011 eine erstinstanzliche Entscheidung mit einer Abfindungssumme in Höhe von 84.456 Dollar. Bowman war aber nicht gewillt, nachzugeben und brachte den Fall vor das Oberste Gericht. Derartige Verfahren sind zwar kostspielig, aber es waren ironischerweise genau die finanziellen Schwierigkeiten Bowmans, die ihn veranlassten, den Fall vor das Oberste Gericht der USA zu bringen. Als Monsanto Bowman das erste Mal verklagte, war dieser praktisch pleite, weil ein Grundstücksverkauf schiefgegangen war und er praktisch nichts mehr zu verlieren hatte. »Ich entschloss mich, so lange zu kämpfen, bis ich am Ende wäre«, sagte er. »Ich dachte mir, du wirst dich nicht totstellen.« Das Verfahren vor dem Obersten Gericht soll am 19. Februar beginnen. Der Landwirt erhielt bisher beeindruckende Unterstützung wie etwa von der schon erwähnten Gruppe CFS und der SOS-Kampagne.

Monsantos Gegenstrategie

Monsanto hat eine eigene Internetseite eingerichtet, um seine Positionen zu verteidigen. Ein Sieg Bowmans vor Gericht könnte, so schwadroniert das Unternehmen, »einige der innovativsten biotechnischen Forschungen gefährden« und betreffe Industriebereiche von der Landwirtschaft bis zu medizinischen Anwendungen. »Ohne einen entsprechenden Patentschutz könnte jeder praktisch unbegrenzt patentierte Technologien auf den Markt bringen. Damit wäre dann die Bereitschaft gefährdet, weiterhin kostspielige Investitionen in die Forschung und Entwicklung zu stecken, die erst die Durchbrüche von morgen ermöglichen«, sagte der Rechtsberater Monsantos, David Snively, in einer Erklärung.

Ein Sieg Bowmans »könnte potenziell die Saatgutindustrie zugrunde richten«, meinte Peter Corless von der Kanzlei Edwards Wildman Palmer aus Baltimore, die sich auf biotechnische Patente spezialisiert hat, gegenüber Bloomberg Businessweek. »Niemand würde mehr in Forschung investieren. Wenn man nur einen Zyklus lang Saatgut verkauft, kann man den Preis nicht so hoch ansetzen, dass die Kosten für die Entwicklung und das Marketing wieder hereingeholt werden«, meinte er weiter.

Aber Bowmans Anwalt Mark Walters sagte ebenfalls gegenüber Bloomberg Businessweek, mit den die Forschung betreffenden Problemen habe sein Mandant nichts zu tun. »Er ist kein Trittbrettfahrer. Er hat für das Saatgut einen fairen Preis bezahlt, und wie jeder, der auf diese Weise Eigentumsrechte erwirbt, sollte er sich auch frei entscheiden können, wie er es einsetzt. Das Saatgut, das er verwendete, stellt keine Konkurrenz für das Saatgut der ersten Generation dar, das Monsanto vertreibt.«

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