Neuenstein - Es ist der Alptraum für Reiter und Pferdebesitzer schlechthin: Ihr Tier gerät im Gelände in ein Loch, versinkt im Boden und kann nicht mehr lebend befreit werden. Genau dies ist einer 33-Jährigen am vergangenen Sonntag nahe dem Neuensteiner Teilort Kesselfeld passiert.
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© Bettina Henke
Wie schon oft zuvor war sie zu einem Spazierritt aufgebrochen. Wie stets saß sie auf dem Rückweg wenige 100 Meter vor dem Stall ab und führte ihr Tier am Zügel heim. Die Frau lief auf dem teilweise vereisten, asphaltierten landwirtschaftlichen Weg, ihr Pferd direkt neben ihr auf dem schneebedeckten Grünstreifen. Plötzlich gab unter dem rund 600 Kilogramm schweren Tier der Boden nach. Ein Loch tat sich auf, in das der Warmblutwallach zunächst mit der Hinterhand geriet. Keinen Halt findend, rutschte er dann samt Sattel und Zaumzeug immer tiefer, bis er gänzlich verschwunden war.

Die Neuensteiner Feuerwehr eilte mit 29 Mann an den Einsatzort. "Es war so unwirklich, wenn man da hinkommt", sagt Kommandant Stefan Wommer: "Ein Loch, 1,50 Meter auf 1,50 Meter. Vom Pferd sah man nichts." Er alarmierte die Öhringer Feuerwehr mit der Drehleiter und forderte den Gerätewagen Transport der Feuerwehr Künzelsau an. Dieser besitzt nicht nur einen Ladekran, sondern auch ein sogenanntes Tierrettungsgeschirr mit Bauchgurten. Ein Tierarzt wurde ebenfalls verständigt.

Zunächst versuchten die Rettungskräfte, das Loch mit einem Bagger des Bauhofs aufzuweiten. Danach wollten sie den angeseilten Tierarzt in die Tiefe hinablassen. Er sollte das Pferd für die Bergung sedieren. Er kam jedoch nicht an den auf der Seite liegenden, mit den Beinen schlagenden Wallach heran. Auch die weiteren Befreiungsversuche misslangen, weil Erdreich nachrutschte.

Schock sitzt tief

Der Schock sitzt noch Tage nach dem Unglück tief. Schon seit Jahren, so eine Einstellerin aus dem benachbarten Reiterhof, reite man genau an dieser Stelle vorbei. Traktoren fahren auf dem landwirtschaftlichen Weg, Spaziergänger sind dort unterwegs. Die Stadt Neuenstein hat den Weg zum Unglücksort gesperrt, die rund drei bis vier Meter tiefe und drei Meter lange Grube mit Absperrgittern gesichert. Später soll sie wieder aufgefüllt werden.

Wie konnte es zu der Unterhöhlung und dann zu dem Unglück kommen? "Wir sind im Moment in der Ursachenforschung", sagt Bürgermeisterin Sabine Eckert-Viereckel. "Solange die nicht abgeschlossen ist, kann ich nichts dazu sagen." Etwas weniger bedeckt hält sich Geologe Thomas Raisig vom Umweltamt des Landratsamtes in Künzelsau. Zwar weist auch er daraufhin, dass sich vieles noch im Bereich der Spekulation bewege. Aber in den Randzonen am Fuß der Waldenburger Berge gebe es Gipsvorkommen, die "sukzessive durch natürliche Prozesse aufgelöst werden." Dabei könnten unterirdisch größere Hohlräume entstehen, die plötzlich einbrechen.

Geologe: Doline oder Erdfall

Andreas Koch, Ingenieurgeologe beim Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau im Regierungspräsidium Freiburg, schließt sich dieser Vermutung an. Ein Blick auf die geologische Karte des Landes zeige, dass an der Unglücksstelle Gipskeuper eingetragen ist.

"Es spricht alles für unterirdisch vorhandenen Gips." Die Ortslage von Kesselfeld selbst läge nicht mehr im Gipskeuper. Gips befinde sich oft recht nah an der Oberfläche. Wenn er durch Grundwasser aufgelöst werde, könne sich ein Hohlraum bilden, der sich langsam nach oben aufbaue. "Irgendwann bricht dann der letzte halbe Meter ein. Es gibt eine Doline oder einen Erdfall." Dies sei ein natürlicher Vorgang.

Solche Erdfälle gebe es immer wieder mal in Baden-Württemberg. Selten komme es dabei aber zu Personen- oder Sachschäden. Aus dem Jahr 1925 sei das Versinken eines Ochsengespanns in einem 13 Meter tiefen Erdfall bei Gaildorf bekannt.

Vorhersagen ließen sich Erdfälle auch durch geophysikalische Untersuchungen so gut wie nicht, sagt Koch. Ein tragisches Unglück, wie es sich in Kesselfeld ereignet hat, sei dann Schicksal.