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© Clemens Fabry
Die EU-Minister diskutieren über eine Kennzeichnungspflicht verarbeiteter Lebensmittel. Sollte sie kommen, dürfte sie höhere Preise mit sich bringen.

Brüssel/Wien. Mit dem Fund von Pferdefleisch in österreichischer Wurst war es noch nicht vorbei. Fast täglich wird in EU-Ländern nicht deklariertes Pferdefleisch entdeckt. Nun auch in Fleischbällchen („Köttbullar“), die in Schweden hergestellt wurden und bei Ikea in mehreren Ländern als „Rind- und Schweinefleischbällchen“ verkauft werden sollten. Ikea stoppte deshalb den Verkauf der Fleischbällchen in den Shops und Restaurants in fast allen europäischen Ländern, auch in Österreich. Als „Extra-Vorsichtsmaßnahme“, wie eine Sprecherin mitteilte. Die Fleischbällchen gibt es sowohl warm in den Ikea-Restaurants als auch tiefgefroren zum Mitnehmen.

Vor diesem Hintergrund beraten die EU-Agrarminister seit gestern und noch bis heute in Brüssel über eine Pflicht zur Kennzeichnung von Inhaltsstoffen in verarbeiteten Lebensmitteln. Derzeit gibt es eine Kennzeichnungspflicht nur für unverarbeitetes Rindfleisch, nicht aber für das von Schweinen, Geflügel oder Schafen - und auch nicht für verarbeitete Produkte. Die EU-Verbraucherinformationsverordnung verpflichtet ab 2014 zumindest zu einer generellen Herkunftsbezeichnung für Fleisch. Verarbeitete Lebensmittel wie Wurst oder etwa Tiefkühllasagne sind nach aktuellem Stand nicht inbegriffen.

Das ist zumindest der Plan. Denn unter dem Druck der öffentlichen Debatte fordern mehrere EU-Länder, darunter Österreich, dass die Verordnung schon früher in Kraft tritt. Die Agrarminister Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Finnlands sowie Österreichs gründeten am Rande des gestrigen Agrarrats eine Aktionsgruppe. Sie fordern, dass die EU-Kommission ihr Regelwerk zur Verbraucherinformation früher präsentiert als geplant. „Statt im Herbst soll die EU-Richtlinie noch vor dem Sommer vorliegen“, wünscht sich Österreichs Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP). Ob das realistisch ist, werde nun vom Gesundheits- und Verbraucherschutzkommissar Tonio Borg evaluiert.

Herkunft für jeden ersichtlich

Zweites Ziel ist jener „Lebensmittelpass“, von dem Berlakovich seit dem Aufkommen der Pferdefleisch-Affäre auffällig oft gesprochen hat: Künftig soll auf jedem Lebensmittelprodukt die Herkunft des verarbeiteten Fleischs ersichtlich sein - unabhängig davon, wie niedrig der Anteil des Fleischs an dem Fertigprodukt auch sein mag. „Der Konsument soll nachvollziehen können, wo das Tier gemästet und wo es verarbeitet wurde“, sagte Berlakovich. Bis dato müssen die Hersteller von verarbeiteten Lebensmitteln nur angeben, welche Fleischsorten sie verwenden.

Der Wunsch ist nicht neu - gescheitert ist er aber bisher noch immer am Preis. So gut wie alle Experten gehen nämlich davon aus, dass die detaillierte Aufschlüsselung der Zutaten auf dem Etikett die Herstellung verarbeiteter Lebensmittel verteuern wird. Auch Berlakovich gibt zu, dass „der Mehraufwand unbestritten ist“, hofft aber, dass die Fertigprodukte deswegen „nicht zwangsläufig teurer werden“ müssen. Angesichts der Tatsache, dass die Herkunftsangabe nach Berlakovichs Vorstellung auch auf andere Grundstoffe wie Eier oder Milch ausgedehnt werden soll, dürfte diese Hoffnung kaum in Erfüllung gehen. Wie die Financial Times kürzlich vorrechnete, hat ein durchschnittlicher Supermarkt rund 20.000 Produkte im Sortiment, die im Schnitt aus zehn bis 20 Zutaten bestehen - macht im Extremfall 400.000 kennzeichnungspflichtige Kombinationsmöglichkeiten.

Mehrkosten seien „keine Frage“

Michael Blass, Geschäftsführer der Agrarmarkt Austria Marketing (AMA), sieht höhere Kosten als unvermeidlich. „Keine Frage ist, dass Kosten entstehen. Die Frage ist, wo bleiben die Kosten picken“, sagt Blass zur „Presse“. Wer die Kosten am Ende trägt, sei Verhandlungssache zwischen den Herstellern und den Einzelhändlern. Ob die Konsumenten von den höheren Kosten verschont bleiben? Eher unwahrscheinlich.